Europas Plünderung der Reichtümer Afrikas

In der „Ersten Welt“ sind die Menschen schon so an das Bild vom verarmten Afrika gewöhnt, dass wir meinen, das wäre immer schon so gewesen. Die wahre und stolze Geschichte der afrikanischen Hochzivilisationen ist aber nicht einfach nur vergessen, sie wurde aktiv verdrängt.
23. Juli 2015 |

Wenn unsere Medien über Afrika berichten, so geht es meist um Hunger, Armut und Bürgerkrieg. Das ist ein sehr enger Fokus, der der Vielfalt der afrikanischen Gesellschaften keineswegs gerecht wird und doch sind die Lebensbedingungen für den überwiegenden Teil der Bevölkerung hart, in vielen Gebieten unerträglich. Die imperialistischen Großmächte mit ihrer Gier nach billigen Rohstoffen sorgen gemeinsam mit korrupten einheimischen Eliten für die Prolongierung dieser Zustände.

Blühende Hochkulturen mit sagenhaften Reichtümern, getragen von Menschen schwarzer Hautfarbe passten schlecht zu den Theorien weißer Überlegenheit, die Sklaverei und den grausamen kolonialen Landraub rechtfertigen sollten. So kann man die Geschichte der afrikanischen Kulturen nicht erzählen, ohne auch ihre Zerstörung durch die expandierenden herrschenden Klassen Europas mit ihren Armeen, Bomben und Krankheiten zu erwähnen. Seit damals wird mehr oder weniger subtil suggeriert, Afrikaner_innen seien „unzivilisiert“ und geschichtslos. Die Wahrheit ist eine andere.

Zerstörung von Hochkulturen

Als im 13. Jahrhundert ein europäischer Reisender die Stadt Benin in Westafrika (heute Nigeria) besuchte, schrieb er begeistert von über 30 Hauptstraßen, 40 Meter breit, einem Palast, der so groß war wie ganz Harlem (Niederlande), von Einwohner_innen, die „den Niederländern in keiner Weise unterlegen sind, was Sauberkeit angeht“ und deren Häuser in der Sonne glänzten. Im Jahre 1897 plünderten britische Truppen unter Admiral Rawson die Stadt, sprengten Gebäude und brannten die Reste schließlich nieder. Unbezahlbare Kunstschätze landeten, wie so oft, in europäischen Museen.

Ein anderes Beispiel ist Kumasi, die Hauptstadt des Ashanti-Reichs, die vom 10. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Besucher_innen beeindruckte, besonders mit dem Manhyia-Palastkomplex. Die Stadt, im heutigen Ghana gelegen, war für ihre „maurische“ Architektur weltberühmt. Noch im Jahr 1817 berichten Reisende von mehrstöckigen Häusern mit Toiletten in den oberen Stockwerken, von großzügigen Promenaden und Plätzen. Die Häuser selbst waren mit Antiquitäten, Uhren, böhmischem Glas, Gemälden und Büchern in den verschiedensten Sprachen eingerichtet. Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese großartige Stadt von britischen Truppen geplündert und niedergebrannt.

Sagenhaftes Timbuktu

Ein weiterer Beweis, wie fortgeschritten und hochorganisiert afrikanische Gesellschaften vor dem Eindringen von Kolonialismus und Imperialismus waren, ist Timbuktu im heutigen Mali. Das Timbuktu von heute ist 236mal kleiner als London und aus eigener Kraft nicht in der Lage, die Denkmäler und Archive seiner Glanzzeiten zu pflegen. Was die eurozentristische Geschichtsschreibung geflissentlich verschweigt: Bis zum 14. Jahrhundert waren die drei reichsten Gebiete der Erde das Königreich Mali in Westafrika, China und Iran/Irak. Letztere waren allerdings von den Mongolen unter Dschingis Khan überrannt worden, so dass zu dieser Zeit nur ein unabhängiges Großreich existierte – Mali, mit dem märchenhaften Timbuktu. Zu dieser Zeit war die Bevölkerung Timbuktus fünfmal größer als die des mittelalterlichen London und es existierten mindestens 400 weitere Städte in ganz Mali.

Vergessener Reichtum

Der Herrscher dieses Reichs, der legendäre Mansa Musa Keita I, gilt als der reichste Mann in der Menschheitsgeschichte, sein Imperium umfasste die heutigen Staaten Mali, Senegal, Gambia und Guinea. Zur Zeit seines Todes kamen mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion von Gold und Salz aus Mali. Auf seiner Pilgerreise nach Mekka im Jahre 1324 führte Mansa Musa, der von einem Tross von 60.000 Menschen begleitet wurde, derart viel Gold mit sich und gab es so großzügig aus, dass der Goldpreis in der Region für zehn Jahre zusammenbrach. Der König gründete die Bibliothek von Timbuktu, in der Schriften zu allen Wissensgebieten aus der ganzen Welt gesammelt wurden. National Geographic beschreibt Timbuktu als „Paris der mittelalterlichen Welt“, bevölkert von 25. 000 Studenten. Im 15. Jahrhundert, lange vor Galilieo und Kopernicus, wussten die Mathematiker von Timbuktu über die Rotation der Planeten Bescheid. Laut dem ägyptischen Gelehrten Ibn Fadl Al-Umari erreichten Seeleute aus Mali im Jahr 1311 nach Christus den amerikanischen Kontinent. Der Aktivist und Herausgeber von SiliconAfrika.com Mawuna Koutonin beschreibt vier grundlegende Prinzipien kolonialer Besatzungsmächte, die in Afrika zur Anwendung kamen: Erstens: Töte die Starken und plündere den Ort, zweitens: Fördere die Schwachen, drittens: Töte, deportiere oder vertreibe die Schlauen und gut Ausgebildeten, viertens: Setze die goldene koloniale Regel „My Way or the Highway“ um – also etwa: „So wie ich es will oder gar nicht.“ Die direkte koloniale Unterdrückung ist heute abgelöst von etwas weniger auffälligen Methoden ökonomischer Dominanz, vor allem mit Freihandelsideologie und „Strukturanpassungsprogrammen“, die die afrikanischen Märkte den westlichen Großkonzernen ausliefern. Wenn also Menschen aus Afrika fliehen, dann fliehen sie vor Zuständen, an denen die Mächtigen Europas (und später auch die der anderen Großmächte) schwere historische und aktuelle Schuld tragen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.