Jair Bolsonaro – Der neue Diktator Brasiliens?
Die Positionen könnten klarer nicht sein. Der Ex-Militär Bolsonaro schwärmt von den Zeiten der Militärdiktatur, sieht reaktionäre Politiker wie Augusto Pinochet, oder den ehemaligen Diktator Brasiliens João Baptista de Oliveira Figueiredo als seine Vorbilder und steht klar zu Folter durch Polizei und Militär. Gearbeitet wird mit allen möglichen Feindbildern wie Homosexuelle, Frauen oder Schwarze, doch am allerliebsten bedient er Ressentiments gegen die „korrupte Partido de Trabajodres“.
Gottes Kandidat
Nach dem Sieg im Vorwahlkampf schickte er ein 10-minütiges Video an die Medien in welchem wortwörtlich sagt: „…die roten Gesetzlosen werden von unserem Heimatland verbannt werden. Es wird eine Säuberung werden, wie sie in Brasiliens Geschichte noch nie gesehen worden ist….“
Doch Bolsonaro geht noch weiter: er träumt in öffentlichen Reden davon, gegebenenfalls ohne Wahlsieg die Macht zu ergreifen.„Ich kann nicht für die Kommandanten der brasilianischen Streitkräfte sprechen, aber nach der Unterstützung, die ich in den Straßen sehe, werde ich kein Wahlergebnis akzeptieren, welches nicht mein Sieg ist.“
Dabei bedient er sich immer des Feindbildes der Arbeiter_innenpartei Partido de Trabajodres (PT), welche das Land in den Abgrund stürze. Paradoxerweise stellt sich er, der klar verfassungsrechtliche Grundsätze missachtet und ohne demokratische Legitimation die Macht ergreifen will, dabei als den Retter der Demokratie dar.
Die messianische Dimension, dass er die Mission Gottes verfolge, leitet sich von politischem Kalkül ab, Wählerstimmen der christlich sozialen Partei (PSC), einer seiner neun bisherigen Parteien, abzugreifen. Mit seinem Wahlspruch „Brasilien über alles, Gott über alle“ spricht er sich klar für „… eine christliche Leitkultur in Brasilien, der sich jede Minderheit beugen oder verschwinden muss“ aus.
Droht Diktatur?
Was jedoch steckt eigentlich wirklich hinter dieser Demagogie des Hetzens und Spaltens? Könnte sich im größten und wirtschaftlich einflussreichsten Land Lateinamerikas nach dem 28. Oktober wirklich eine neue Militärdiktatur etablieren? Ein kurzer Faktencheck.
Wirtschaftlich steht Bolsonaro klar für die neoliberale Schule der PSC: es geht um Privatisierung und Abbau staatlicher Beteiligung an der Wirtschaft. Er spricht sich klar gegen Steuern auf Erbschaft und Vermögen aus, und kündigt Steuererleichterungen und Deregulierung an. Bildung ist für ihn ein Synonym für Ausbildung, welche der Wirtschaft dienen solle. „Bildung soll professionelle Arbeitskräfte schaffen, keine (politisch) Militanten.
Ideologisch wird mit rechtsextremem und faschistoidem Gedankengut gekuschelt. Die Militärdiktatur von 1970 wird verherrlicht, und die autoritären Herrscher dieser Welt angehimmelt. Starke Durchgriffsrechte des Militärs und sogar die Ermordung von Straffälligen statt gerichtlichen Schuldsprüchen werden von ihm vorgeschlagen. Frauen werden als Menschen 2. Klasse behandelt und Homosexualität als Krankheit dargestellt. Rassismus ist für ihn wissenschaftlich begründet. Als Beispiel wird auch Gewalt an Kindern als legitim erklärt um ihnen die Homosexualität auszutreiben: „Wenn dein Kind sich so verhält, könnte es schwul sein, dann nimmst du ein Stück Leder und veränderst sein Verhalten.“
Politisch bewegt er sich zwischen klassischen lateinamerikanischen Diktatoren wie Augusto Pinochet, welche mittels Militärputsch zur Macht gelangten, und europäischen Faschisten, wie dem spanischen Diktator Franco oder dem französischen Jean-Marie Le Pen. Er stilisiert die gemäßigte sozialdemokratische PT zu seinem wichtigsten Feindbild, nennt deren Einfluss auf die Gesellschaft Faschismus – und preist eine Militärdiktatur als Garant gegen den Einfluss von Arbeiter_innenorganisationen. Faschismus ist für ihn alles, was die Eliten daran hindert frei zu schalten und zu walten.
Seine offene Hetze und Gewaltaufrufe gegen Minderheiten erinnern nicht nur an die anti-muslimischen Kampftiraden der FPÖ in Österreich, sondern blasen in dasselbe faschistische Horn, welches Straßenbewegungen wie den braunen Mob Hitlers auf das Parkett rufen soll.
In einer Rede vom 04.04.2017 spricht Bolsonaro von den Bewohnern der quilombos als „nicht einmal geeignet für die Fortpflanzung“. Die Rede ist von Nachfahren afrikanischer Sklaven, denen ab dem 16. Jahrhundert die Flucht von den Plantagen gelungen ist, und die im Dschungel eigene Siedlungen, die quilombos, gegründet haben. Ein deutliches Zeichen für den Einfluss der Familien der ehemaligen Sklavenhalter, die „esclavocracia“, auf Bolsonaro. Indigene Bewohner von Reservaten sind in seinen Augen „Parasiten“. Immigranten aus Haiti, Afrika und dem Mittleren Osten nennt er „den Abschaum der Gesellschaft“.
Klima der Angst
Die sich seit seinem erdrutschartigem Wahlsieg Anfang Oktober häufenden Übergriffe auf Frauen und Minderheiten in Brasiliens Straßen lassen eine Tendenz erkennen, welche auch hierzulande bereits eingesetzt hat. Reaktionäre und Rechtsradikale fühlen sich durch die Wahlergebnisse bestärkt und leben Gewalt verbal und physisch frei in der Öffentlichkeit aus. Dieses Klima der Repression für alle Andersdenkenden ist nicht nur ein Symptom für autokratische Herrschaftsformen, sie stellen auch die Weichen für eine endgültige Aushebelung demokratischer Strukturen.
Bolsonaro attackiert bei einer Parlamentsdebatte über Gewalt gegen Frauen die Abgeordnete Maria do Rosário © Marcelo Camargo/Agência Brasil (CC BY 3.0 BR)
Bolsonaro scheint also nicht nur demagogisch mit dem Schreckgespenst einer Diktatur zu spielen, sondern wirklich dazu bereit zu sein. Wahrscheinlich bräuchte er auch keine Angst vor den internationalen Märkten haben, die mit Diktaturen wie in Ägypten oder Saudi-Arabien durchaus gut harmonieren.
Wie konnte Jair Bolsonaro jedoch so viele Wählerstimmen im Vorwahlkampf für sich gewinnen?
Verlogen wie Trump und Kurz
Das Erbe, welches Fernando Haddad von Dilma Roussef und davor Luiz Inacio Lula da Silva angetreten hat, ist kein leichtes. Lula konnte mit seinem Ruf als militanter Gewerkschafter und revolutionärer Widerstandskämpfer gegen die Militärdiktatur die Arbeiterklasse hinter sich einen, wobei Dilma Roussef, ebenfalls eine ehemalige Widerstandskämpferin, bereits durch die nachträglichen Korruptionsvorwürfe Lulas angepatzt schien.
Dass die gesamte politische Landschaft von Brasilien korruptionsdurchzogen ist und der konservative Michel Temer, noch aktueller Präsident von Brasilien, ein ebenso langes Register an Korruptionsvorwürfen wie Lula oder Dilma hat, wird medial unter den Tisch gekehrt, und unter dem Deckmantel seiner Immunität versteckt.
Noch dazu hat das Land mit beinahe 13 Millionen Arbeitslosen und einer seit Jahrzehnten nicht gesehenen Inflation die idealen Rahmenbedingungen für den Auftritt eines „starken Mannes, der uns aus der Krise führt“. Selbes Spiel gelang in den 30er Jahren in Deutschland schon unter Adolf Hitler, 2015-2017 konnte Sebastian Kurz in Österreich die Rolle für sich beanspruchen.
Somit war es ein leichtes Spiel für Bolsonaro gegen das korrupte Establishment zu mobilisieren, welches seiner Meinung nach, das Land ausgeblutet und kaputtgewirtschaftet hatte. Dass die miserable Wirtschaftslage hauptsächlich auf das Konto der Wirtschaftskrise von 2008 geht, spielt dabei keine Rolle. Ähnlich wie es ein Donald Trump in den USA geschafft hat, sich selbst zum Kämpfer des Volkes gegen die etablierten Establishment Parteien darzustellen, fährt auch Bolsonaro den Kurs „make Brasil great again“.
Linke Uneinigkeit
Doch es regt sich Widerstand. In kürzester Mobilisierungszeit haben sich auf den Straßen von Brasilien am 29. September über 1 Million Menschen unter dem Banner „Ele Não“ also „Nicht er“ versammelt. Nun gilt es diese Bewegung zu einen und auch an die Wahlurne zu bringen. Wenn es um die Frage Haddad oder Bolsonaro geht, muss die Antwort Ele Não heißen.
Eine solidarische Linke darf sich nicht im internen Streit zerfleischen, während auf Minderheiten gehetzt und Frauen und Homosexuelle auf offener Straße verprügelt werden. Schulter an Schulter müssen alle fortschrittlichen Kräfte zur Wahl Haddads aufrufen.