Uli Jürgens: Ziegensteig ins Paradies. Exilland Portugal

Linker Lesetipp im Taschenbuchformat, Verlag Mandelbaum, 222 Seiten, 19.90€, ISBN: 978385476-471-7
29. Februar 2016 |

Uli Jürgens Spurensuche versetzt uns in die schwierige Lage der vor dem NS-Regime Fliehenden. Anhand persönlicher Gespräche, Tagebucheinträge und Briefwechsel erzählt sie mitreißend die Geschichten der politisch verfolgten Emigrant_innen aus Österreich. Man zittert mit: Schaffen es Alma Mahler-Werfel, Karl Frucht, Hertha Pauli und wie sie alle hießen, vor den Nazis zu fliehen? Bekommen sie rechtzeitig das rettende Visum? Überstehen sie den beschwerlichen Weg über die spanische Grenze? Oder werden sie ertappt?

Die Fluchtgeschichten treiben Tränen in die Augen, machen sie doch die Parallelen zu Heute bewusst: Grenzen werden geschlossen und Asylgesetze verschärft. Gleichzeitig widersetzen sich Menschen dieser Unmenschlichkeit, lassen Flüchtlinge bei sich wohnen, helfen mit Kleider- und Essensspenden; Flüchtlinge werden selbst zu Fluchthelfer_innen: Lisa Fittko, österreichische Widerstandskämpferin und selbst auf der Flucht, hilft im September 1940 Walter Benjamin, als Erstem von Vielen, bei der beschwerlichen, zehn-stündigen Flucht über die gebirgige Grenze zwischen Frankreich und Spanien – dem Ziegensteig ins Paradies.

Die Fluchtgeschichten treiben Tränen in die Augen, machen sie doch die Parallelen zu Heute bewusst: Grenzen werden geschlossen und Asylgesetze verschärft.

„Ein unverantwortlicher Leichtsinn, jetzt unsere Ausreisepläne einfach fallen zu lassen.“, schreibt sie später, „Sollten wir es darauf ankommen lassen? Noch dieses letzte Mal.“ Sie wird die gefährliche Mission in den kommenden Monaten noch viele Male auf sich nehmen und hunderte Flüchtlinge retten.

In Frankreich, bereits in den 1930er-Jahren Exilland, wurde im April 1938 die Asylpolitik verschärft. In Internierungslagern werden nicht nur politische Emigrant_innen, wie Bruno Frei, festgehalten, sondern auch jene, die im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hatten. Als die Nazis im Juni 1940 Paris besetzten, drängen immer mehr Menschen nach Bordeaux und vor die Konsulate – dringend werden Ausreisevisa für Frankreich, Transitvisa für Spanien oder Portugal und Einreisevisa für Übersee benötigt. Oft hilft selbst Geld nicht – die Diplomaten befolgen die strikten Regierungsanweisungen. Doch im Juni 1940 rettet der Portugiese Aristides de Sousa Mendes, Konsul in Bordeaux, Zehntausende – ein Kapitel ist ihm gewidmet. Er widersetzt sich den Anweisungen von Diktator Salazar und verkündet, „von nun an werde ich allen ein Visum geben, es gibt keine Nationalitäten, Rassen, Religionen mehr.“

Dennoch, als die Staaten beginnen ihre Grenzen zu schließen, zieht auch Portugal nach. Abermals werden die traurigen Parallelen zu heute offenkundig. Alfred Polgar, der ebenfalls über Lissabon emigrierte, schreibt 1938: „Ein Mensch wird hinterrücks gepackt und in den Strom geworfen. Er droht zu ertrinken. Die Leute auf beiden Seiten des Stroms sehen mit wachsender Beunruhigung den verzweifelten Schwimmversuchen des ins Wasser Geworfenen zu, denkend: Wenn er sich nur nicht an unser Ufer rettet.“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.