5.000 gegen ENF-Kongress in Koblenz: Wohin geht die AfD?

Innerhalb der AfD ist ein Machtkampf zwischen dem provokativ neofaschistisch auftretendem „Der Flügel“ um Björn Höcke und dem Lager um Bundesvorsitzende Frauke Petry entbrannt. Die Partei steht nicht, wie die FPÖ, in einer langjährigen Tradition, die lückenlos an die NSDAP anschließt. Nach vielen erfolglosen Versuchen deutscher Rechtsextremer ist sie deren bisher erfolgreichstes Parteiprojekt, schreibt Volkhard Mosler aus Frankfurt.
29. Januar 2017 |

Rund 1.000 AfD-Anhänger waren am 21. Januar nach Koblenz zum Kongress der EU-Parlamentsfraktion ENF, einem Bündnis von faschistischen und rechtspopulistischen Parteien im Europaparlament, gekommen. Neben Wilders aus Holland und Le Pen aus Frankreich sprachen Vertreter der FPÖ, der Lega Nord und von der AfD. Bundesvorsitzende Frauke Petry ließ Trump als großes Vorbild hochleben, Marine Le Pen sah dagegen nur „einige Punkte der Gemeinsamkeit“.

Rund 5.000 Menschen demonstrierten unter Führung von SPD- und Grünen-Politikern durch die Innenstadt vor das Kongressgebäude. Die Veranstalter hatten mit 1.000 gerechnet. Dass es dann 5.000 wurden, hatte man im Wesentlichen einer Rede des „Führers“ des faschistischen Flügels der AfD, Björn Höcke, ein paar Tage zuvor in Dresden zu verdanken. Kurz vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar hatte Höcke zu einer 180-Gradwende in der Gedenkkultur aufgerufen und von einem „Denkmal der Schande“ in der Hauptstadt gesprochen und damit das Holocaust-Mahnmal in Berlin gemeint.

Antifaschismus

Auf der Demonstration waren viele selbst gemachte Schilder zu sehen, die vor einem Wiedererstarken des Faschismus warnten. Das ist wichtig, weil die AfD bis heute als „rechtspopulistisch“ oder „national-konservativ“ verharmlost wird. Die Tatsache, dass ein Ausschlussantrag Petrys gegen Höcke im Bundesvorstand keine Mehrheit fand, zeigt das Kräfteverhältnis zwischen Rechtspopulisten und Neofaschisten auf. Die sich selbst „Der Flügel“ nennende neofaschistische Strömung in der AfD dominiert mehrere Landesverbände, kontrolliert die mächtige Bundesschiedskommission und verfügt im Bundesvorstand über eine Sperrminorität bei Parteiausschlüssen.

Die Kundgebung war politisch im Wesentlichen durch SPD und Grüne geführt. Die Rednerinnen und Redner bei der zentralen Eröffnungskundgebung betonten entsprechend ihre Solidarität mit einer bunten, demokratischen und multitkulturell geprägten Europäischen Union (EU), die es gegen die nationalistische Rechte zu verteidigen gelte.

Einzig ein Sprecher der IG Metall verwies darauf, dass ein Viertel aller jungen Menschen in Europa arbeitslos seien und dass es um ein anderes, soziales Europa gehen müsse, wenn man den Kampf gegen die Rechte gewinnen wolle. Die Beschönigung der EU durch SPD und Grüne wurde gerne von der AfD im Saal aufgenommen, die die Antirassisten und Antifaschisten draußen als Werkzeuge des „Establishments“ darstellten.

Machtkampf in AfD

Der Bundesvorstand der AfD hatte nicht zur Teilnahme am Kongress aufgerufen, mehrere Sprecher (zum Beispiel der Ko-Vorsitzende Meuthen) kritisierten die Teilnahme des Front National (FN, Le Pen), weil diese zu „sozialistisch“ sei oder – wahlweise – zu „national“, das heißt für Wirtschaftsprotektionismus eintrete. Hinter der Kritik am Kongress aus den Reihen der AfD steht der voll entbrannte Machtkampf zwischen Petry und Höcke um die Spitze und Zusammensetzung der möglichen Bundestagsfraktion und damit um die Führung der Partei.

Petry hatte unmittelbar nach Höckes Dresdener Rede gesagt, die AfD ginge entweder (mit ihr an der Spitze) den Weg des Erfolgs nach dem Modell der FPÖ oder des FN oder den Weg der Niederlage (hinter Höcke) nach dem Modell der gescheiterten Republikaner (unter Vorsitz des früheren SS-Mannes Schönhuber). Hier stellen sich zwei Fragen, die der Klärung bedürfen.

Taktik

Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen einer FPÖ unter Strache und den Republikanern unter Schönhuber? Meines Erachtens gibt es Unterschiede, die aber nicht grundsätzlicher, sondern taktischer Art sind. Le Pen, Strache, Petry und Wilders lassen keine Gelegenheit aus, sich als Freunde Israels auszugeben. Es geht ihnen dabei nicht um einen Bruch mit der antisemitischen Tradition der faschistischen Bewegung in Europa, es geht ihnen aber um einen Persilschein, eine Reinigung vom Vorwurf des Antisemitismus.

Schönhuber war 1994 mit seinen Republikanern abgestürzt, nachdem er den Holocaust-Überlebenden und damaligen Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland Bubis beschuldigt hatte, „selbst Schuld“ zu sein, wenn es wieder Antisemitismus gebe. Nun zählt sich auch Höcke zur „Neuen Rechten“ in Deutschland, die – wiederum aus taktischen Gründen – eine Distanz zur „alten“, mit Auschwitz und der Auschwitz-Lüge belasteten Rechten bewahren will. Es zeigt sich aber, dass das in der Praxis nicht so einfach ist. Die eigene Vergangenheit holt sie immer wieder ein.

Faschismus vs. Rechtspopulismus

Eine zweite Frage ist, ob sich Frauke Petry selbst der Tragweite ihrer Positionierung hinter der FPÖ und des FN bewusst ist. Der angeklungene Dissens zwischen ihr und Le Pen über das gemeinsame Vorbild Trump lassen vermuten, dass sie noch nicht begriffen hat, was eine faschistische von einer rechts-populistischen Bewegung unterscheidet. Es ist der Weg zu Macht: Soll/will man in und mit dem Parlament herrschen oder will man auf dem Weg der „Bewegung“ unter Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie und der unabhängigen Organisationen der Arbeiterbewegung an die Macht gelangen? Petry hatte in der Vergangenheit mehrfach verkündet, dass sie zwar nicht jetzt, aber demnächst Regierungsbeteiligung anstrebt. Höcke hat „dem System“ dagegen den Kampf „bis auf’s Messer“ angesagt.

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Eine Spaltung der AfD ist zur Zeit unwahrscheinlich. Die angekündigten „Disziplinarmaßnahmen“ des Bundesvorstandes sind im Grunde eine Absage an dessen Ausschluss und zeigen, dass es für einen Ausschluss des faschistischen Flügels längst zu spät ist, weil dieser viel zu mächtig ist. Eine Spaltung wird erst dann möglich, wenn es eine mächtige antirassistische Bewegung gegen die Speerspitze des Rassismus in Form der AfD gibt, die sich zugleich gegen die Formierung einer neuen faschistischen Massenpartei im Schoße der AfD wenden muss. Zur Formierung einer solchen antirassistischen und antifaschistischen Massenbewegung rief die Sprecherin der LINKEN auf der Abschlusskundgebung, Janine Wissler, unter großem Beifall der Versammelten auf.

Volkhard Mosler ist in der deutschen Linkspartei aktiv und im Führungsteam von marx21.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.