DIE LINKE muss sich auf Seite der antirassistischen Mehrheit stellen!

Gigantische 250.000 Menschen demonstrierten am 13. Oktober in Berlin unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung“ gegen rassistische Hetze. LINKEN-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht distanzierte sich im Namen ihrer linken Sammelbewegung Aufstehen vom Protest. Ihre Strategie, den Rassismus der Rechten zu ignorieren, ihm stellenweise nachzugeben und sich ausschließlich auf „soziale Themen“ zu konzentrieren, ist zum Scheitern verurteilt.
12. November 2018 |

Sahra Wagenknecht ist die Gallionsfigur der Partei DIE LINKE in Deutschland. Wie alle politisch links stehenden Menschen stellt sie sich die Frage, wie man den Aufstieg der AfD stoppen und wie die politische Linke von der Selbstzerstörung der Sozialdemokratie profitieren kann. Darum gründete sie am 4. August die linke Sammelbewegung Aufstehen, mittlerweile haben sich schon weit über einhunderttausend Menschen auf der Homepage von Aufstehen registriert.

Wagenknecht rückt zwei politische Themen ins Zentrum ihrer Sammelbewegung: einerseits will sie die Linke zusammenführen, auch SPD- und Grün-Politiker_innen sind Teil der Sammelbewegung, andererseits will sie soziale Themen in den Mittelpunkt stellen. Wagenknechts Kritik an der prokapitalistischen Ausrichtung der SPD, die seit Jahrzehnten neoliberale Politik durchsetzt, ist richtig und notwendig. Dass sich Linke gegen Sozialabbau einsetzen und Arbeitskämpfe bedingungslos unterstützen, muss eine Selbstverständlichkeit sein! Wagenknechts Strategie geht jedoch davon aus, dass durch die richtige Positionierung bei sozialen Themen, bei gleichzeitigem Ausblenden von Rassismus oder Sexismus, Menschen automatisch nach links politisiert werden.

Ökonomismus

Diese Strategie beruht auf der Annahme, dass die Arbeiter_innenklasse, bei ihr die „einfachen Leute“, nicht über Rassismus, Sexismus, Homosexuellenfeindlichkeit usw. diskutieren wollen, das seien ausschließlich Themen für die intellektuelle Elite. Den Menschen gehe es um „anständige Löhne und ordentliche Renten“, so Wagenknecht. Die Massendemonstration mit 250.000 Menschen gegen Rassismus am 13. Oktober in Berlin ist eine beeindruckende Widerlegung dieser These. Antirassismus ist kein Minderheitenthema, sondern massentauglich.

Diesen reinen Fokus auf soziale Themen kritisierte der russische Revolutionär Lenin schon 1902 in seinem Werk Was tun? als „Ökonomismus“. Im besten Fall begeht diese Position den verheerender Fehler, den Rassismus einfach zu ignorieren, im schlimmsten Fall beteiligt sie sich an der reaktionären Spaltung der Arbeiter_innenklasse in Ausländer_innen und Einheimische.

Solidarität statt Nationalismus

Rassismus ist in Deutschland, genauso wie in Österreich, das zentrale Herrschaftsinstrument von Politiker_innen und Bossen. Arbeiter_innen ohne Pass werden nicht nur noch brutaler ausgebetuet als Arbeiter_innen mit österreichischem oder deutschem Pass, sondern sie werden tagtäglich von Polizei und Medien als minderwertig und verachtenswert dargestellt. Jedes Gesetz, ob zum Abbau des Sozialstaates oder zur Ausweitung des Überwachungsstaats wird mittels Rassismus gerechtfertigt. Antirassismus ist darum nicht nur moralisch notwendig, Nein, eine Linke, die Rassismus ignoriert, ist im Angesicht des Rechtsrucks zum Scheitern verurteilt.

Wie soll ernsthafter Widerstand gegen Sozialabbau aufgebaut werden, wenn Wagenknecht die Forderung nach offenen Grenzen als „weltfremd“ abtut und nebenher erklärt, Massenmigration begünstigt Sozialabbau. Nicht der Flüchtling, der in einem Schlauchboot nach Europa kommt, sitzt bei Lohnverhandlungen den einheimischen Arbeiter_innen gegenüber, sondern der Boss kürzt, unterstützt durch die Politik, die Löhne der Arbeiter_innen.

Bewegung statt Regierung

Genauso lässt sich die These, DIE LINKE hätte bei den Landtagswahlen in den letzten Jahren aufgrund ihres „Refugees Welcome“-Kurses verloren, nicht aufrechterhalten. Es stimmt, dass DIE LINKE in Bundesländern im Osten stimmen verloren hat, während sie im Westen größtenteils Zugewinne verzeichnen konnte. Der Grund hierfür ist aber wohl die Regierungsbeteiligung der Linken in vielen östlichen Bundesländern. In der Regierung beweist DIE LINKE immer wieder, dass sie keine Alternative zum neoliberalen Kapitalismus ist, setzt Sozialabbau um, und darum verliert sie Stimmen.

Wir sollten wie Lenin die fortschrittliche Seite von Einwanderung betonen. In seiner brillanten Schrift Kapitalismus und Arbeiterimmigration (1913) argumentiert er: „Nur Reaktionäre können vor der fortschrittlichen Bedeutung dieser modernen Völkerwanderung die Augen verschließen. Die Bourgeoisie hetzt die Arbeiter der einen Nation gegen die der anderen auf und sucht sie zu trennen. Die klassenbewussten Arbeiter, die begreifen, dass die Zerstörung aller nationalen Schranken durch den Kapitalismus unumgänglich und fortschrittlich ist, bemühen sich, die Aufklärung und Organisierung ihrer Genossen aus den zurückgebliebenen Ländern zu unterstützen.“

Offene Grenzen

Im Gegensatz zu Aufstehn und Sahra Wagenknecht unterstützte die Partei jedoch die Berliner Demonstration. Genauso steht im Parteiprogramm von DIE LINKE explizit die Forderung nach „offenen Grenzen“. Linke müssen die antirassistische Bewegung und Arbeitskämpfe zusammenbringen, wenn sie sich als antikapitalistische Alternative zur neoliberalen Ordnung beweisen wollen.