10 Jahre nach Audimax-Bewegung: Die Uni brennt wieder!

Am Dienstag, 10. Dezember besetzten 100 Studierende nach einer Protestaktion der Initiative Uns Reicht’s unter dem Motto #wiederbrennen den Festsaal der Technischen Universität Wien. Sie protestierten gegen immer schlechtere Studienbedingungen und fordern mehr Mitspracherecht und eine von der Wirtschaft unabhängige Wissenschaft. Ein Bericht eines Beteiligten mit Statements von Besetzer_innen.
10. Dezember 2019 |

Die weltweite Rebellion gegen Neoliberalismus und Klimazerstörung hat die österreichischen Universitäten erreicht. Am 10. Dezember 2019 holten sich Studierende fremdbestimmte Räume der Universität zurück – konkret den Festsaal der Technischen Universität Wien (TU Wien). Gestartet wurde die Aktion von der Initiative Uns Reicht’s. Nach einer Kundgebung vor dem Hauptgebäude zogen die Protestierenden  in die Universität und nahem den Festsaal in Beschlag.  

Den Besetzer_innen ging es um das neoliberale Hochschulsystem, die Klimakrise und um eine grundsätzlich demokratische und solidarische Gesellschaft, jenseits von Ausbeutung, Rassismus und Krieg. Von der kommenden Regierung verlangten die Aktivist_innen eine Verdopplung des Hochschulbudgets auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, einen offenen und freien Hochschulzugang, mehr Mitsprache der Studierenden, Bildung statt Ausbildung, bessere Bedingungen für Studierende und Personal – alles Forderungen, die bereits vor 10 Jahren in der #Unibrennt-Bewegung erhoben wurden, als tausende Studierende Österreichs Universitäten besetzt hatten.

Es ist erfrischend zu sehen, dass die von damals unerfüllten Forderungen mit neuem Kampfgeist erfüllt werden. Julia von Uns Reicht’s ermahnte schon in ihrer Rede auf der Kundgebung die ehemalige grüne #Unibrennt-Aktivistin Sigrid Maurer, die mit der ÖVP den Bereich der Hochschulen zur Bildung einer Regierung verhandelt. Julia sagte: „Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an Sigi, damit sie sich an ihre Anliegen erinnert.“

Räume zurückerobern

Der Kampf gegen das neoliberale Hochschulsystem hat viele Facetten, die zusammengeführt werden müssen. Nadine studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie hat sich an der Besetzung beteiligt, weil sie sich gegen die neoliberale Individualisierung wehren und Räume zurückerobern will: „Für Gruppenarbeiten steht kaum Raum zur Verfügung. Die Universität muss aber ein Raum für die gemeinsame Entwicklung und Veränderung sein.“

Im sogenannten „Bologna-Prozess“ begannen die Universitäten die Tore für Studierende zu schließen und ihnen eine Hürde nach der anderen in den Weg zu legen. Aber zugleich öffneten sie unter dem Schlagwort „Drittelmittelfinanzierung“ die Türen für Banken und Konzern. Die TU Wien, die von sich behauptet, „Technik für Menschen“ zu machen, lässt sich etwa vom Waffenproduzenten Glock finanzieren. Die Besetzer_innen fordern daher die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit der Waffenindustrie.

Wir, Aktivist_innen von Linkswende jetzt, brachten ins Plenum der Besetzer_innen ein, dass  sowohl die Universität Wien als auch die TU Wien Partnerverträge mit dem Mineralölkonzern OMV zur Suche nach Öl („Exploration“) abgeschlossen haben. Unter den Besetzer_innen gab es überhaupt keine Diskussion, dass die Universität ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden muss und sich an der Bekämpfung der Klimakrise beteiligen.

Ignoranz der Entscheidungsträger

Den Besetzer_innen blieben aber nicht in der Bildungspolitik stehen, sondern wollen eine grundsätzlich andere Form des Zusammenlebens und Wirtschaftens. Aktivist Vincent sagte gegenüber Linkswende jetzt:„Die Angriffe auf Studierende sind auch Angriffe auf die allgemeine Gesellschaft sind. Es werden Menschen aus Drittländern an der Uni diskriminiert, das ist ein Ausdruck der rassistischen Politik.“

Sagenhaft war die Ignoranz der Universitätsleitung, die überhaupt nicht auf den demokratischen Protest und die Forderungen einging – wohl aus Angst, dass sich die Besetzung wie vor 10 Jahren wie ein Lauffeuer ausbreiten könnte. Man ließ das Security-Personal gleich zu Beginn Gewalt ausüben, um die Besetzung des Festsaals (erfolglos) zu verhindern. Einmal drinnen, riegelte man den Raum ab, sodass Solidarische nicht mehr zu den Besetzer_innen dazustoßen konnten. Alle Ausgänge wurden versperrt und der Saal, auf Anweisung des Rektorats, von der Polizei umstellt. Nicht einmal Essen oder Wasser wurde in den Festsaal durchgelassen.

Repression statt Dialog

Das Rektorat war überhaupt nicht willens, auf den demokratischen Protest und die Forderungen einzugehen. Das Security-Personal versuchte die Besetzung mit Gewalt zu verhindern und stieß Aktivist_innen zu Boden. Gleichzeitig wird verhindert, dass neue Besetzer in den Hörsaal kommen und es wurden alle Ausgänge versperrt. Die Besetzer_innen hielten bis zuletzt den Einschüchterungsversuchen der Polizei stand.

Bei der Räumung selbst setzte die Polizei, wie schon zuletzt gegen friedliche Klimaaktivist_innen im Sommer, sadistische Gewalt ein (Amnesty International kritisierte zuletzt diesen Polizeieinsatz als menschenrechtswidrig). Friedlichen Demonstrant_innen wurden Gelenke  umgedreht und mussten Beschimpfungen der Beamten über sich ergehen lassen. Securities würgten Aktivist_innen.

https://twitter.com/wiederbrennen/status/1204570858146222080

Lukas erzählt von der Polizeibrutalität bei der Räumung, obwohl er keinen Widerstand geleistet hat: „Ich wurde halbem Weg gezwungen aufzustehen. Dabei hat einer der beiden Polizisten meine Hand ohne Begründung mit einem sehr schmerzhaften Griff verbogen. Diesen Griff wollte der Beamte nicht lockern, bis ich aus der Uni befördert war. Auf den Hinweis, dass man mir starke Schmerzen zufüge, und die Bitte das zu unterlassen, wurde mir gesagt ich, dass ich ja hätte aufstehen können.“

Das Rektorat und die Polizei leisteten einen wichtigen Beitrag in der politische Schulung der Besetzer_innen: Man kann dieses System nicht reformieren, sondern muss es in einer Revolution brechen.