Widerstandskämpferin Friederike Burda: „Ich habe Hitlers Krieg verkürzt“

Nach 1945 gerieten leider viele inspirierenden Geschichten vom Widerstand im NS-Reich in Vergessenheit. Friederike Burda lehrte den Nazis in den Betrieben und im KZ Ravensbrück das Fürchten.
27. Januar 2016 |

Die Nazis fürchteten den Widerstand der Arbeiter_innen. Der illegale Nazi und spätere Wiener Bürgermeister Hermann Neubacher war sich bereits nach dem Bürgerkrieg 1934 bewusst, dass die Wiener Arbeiter_innen trotz Verbote und Schikanen größtenteils „rot“ geblieben waren. Er warb nach dem Anschluss 1938 in den Betrieben: „Ehemalige Schutzbündler, wir verstehen euch: Ihr habt einen Glauben gehabt, wir glauben auch. Ihr seid dafür eingestanden, wir haben es durch bittere Jahre getan, bis zum Siege. Ihr wart Revolutionäre, wir sind es auch. Ihr wurdet durch die Gefängnisse und Konzentrationslager des Systems geschleift – wir und ich auch. Heute reichen wir euch die Hände.“

Betriebswiderstand

Die Anbiederung der Nazis hatte speziell bei der Industriearbeiterschaft keinen durchschlagenden Erfolg. Der Streik der gesamten weiblichen Belegschaft einer Hanf-, Jute- und Textilfabrik in Neufeld an der Leitha endete im November 1938 damit, dass die verhasste Betriebsleitung gehen musste und mit 60 Prozent Bonus für die Belegschaft. 1942 wurden das Rüstungskommando und die NS-Frauenschaft blamiert: 500 kinderlose Frauen wurden den Böhlerwerken als Industriearbeiterinnen zugeteilt, aber nur zwei traten den Dienst an.

Ab 1942 war Sabotage das Thema Nummer Eins für die Gestapo. Frauen standen Männern auch in dieser Widerstandsform in den Betrieben um nichts nach. Eine dieser Heldinnen war Friederike Burda. Sie stammte aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Erschüttert über das Zurückweichen der Sozialdemokratie trat sie nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland als 15-Jährige der KPÖ bei. Später erinnerte sie sich: „Ich war sehr jung damals, ja, aber ich war sehr, ich tät sagen, sehr klassenbewusst.“ Friederike wusste: Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg. Neben ihrer Lehre zur Bürokauffrau sammelte sie Geld für die „Rote Hilfe“. Später stellte sie auf Anregung ihres Genossen Rothfuß einem Illegalen ihr Quartier zur Verfügung.

Anti-Hitler-Bewegung

Karl Hudomalj, ein slowenischer Widerstandskämpfer, organisierte die kommunistischen Vierergruppen der Anti-Hitler-Bewegung und kannte als einziger die Verbindungen zwischen den einzelnen Gruppen. Er wohnte nun bei Friederike und deren Mutter. In der von Hudomalj organisierten „Anti-Hitler-Bewegung Österreichs“ wirkten Kommunisten, Sozialisten, Christlichsoziale und sowjetische Zwangsarbeiter mit.

Hudomalj hatte auch eine illegale Zeitung gegründet. Friederike erzählte: „Unsere Zeitung ‚Die Wahrheit‘ hat etwa ein Jahr existiert, vom Februar oder März 1943 bis zu meiner Verhaftung im Februar 1944. Für uns war sie vor allem ein Mittel, um die Soldaten zum Überlaufen zu bewegen, oder dass sie erst gar nicht einrücken, ihre Termine hinausschieben. Und zur Sabotage haben wir aufgerufen, in den Betrieben der Kriegsindustrie, dass die Eisenbahner die Transporte nicht führen, die Züge zum Entgleisen bringen oder Ähnliches. Ich hab selber Artikel geschrieben, ich hab mich dabei beschränkt auf Sabotage und Wehrkraftzersetzung.“ Ihren Aufruf setzte auch sie selbst in die Praxis um.

Kriegsmaschinen-Sabotage

Eigentlich hätte die junge Friederike als Nachrichtenhelferin nach Saloniki sollen. Das war ein Grund für ihre Heirat: „Ich hab gesagt, ihr könnt von einer verheirateten Frau nicht verlangen, dass sie nach Saloniki geht; so bin ich in der Heimat dienstverpflichtet worden, bin ich dann zuerst bei der Firma Reichert, den Optischen Werken, ins Fabrikationsbüro kommen. Am 12. April 1943 ist das gewesen.“ Während ihrer Dienstverpflichtung bei den Optischen Werken leitete sie „Fremdarbeiter“ zur Sabotage an.

Friederike erinnerte sich: „Damals ist noch mit Blaupausen gearbeitet worden, nicht wie heute mit Fotokopien, und auf diesen Blaupausen war intern ein Zeichen drauf, dass man gewusst hat: was ist ein Zivilauftrag und was ein Kriegsauftrag. Dass ich da geschwind dahinterkommen bin, ist klar.“ Als Werkstättenschreiberin hatte sie überall Zutritt und ließ sich vom Antifaschisten, Meister Potensky Arbeitsabläufe erklären und zeigte den „Fremdarbeitern“ welche Möglichkeiten es gab zu sabotieren.

„Ausschuss arbeiten“

In der Dreherei waren griechische Arbeiter_innen. Friederike berichtete: „Bin ich also zu den Griechen gangen und sag denen, ‚passt’s auf, das ist ein Heeresauftrag, es wär gut, wenn ihr net nur auf den Verdienst schaut’s, wenn ihr ein bissl Ausschuss arbeitet.“ Die Franzosen in der Bohrerei haben viel mitgeholfen: „Die Franzosen haben das gemacht, die haben verstanden, um was gangen ist, das hast beim Reden ja rauskriegt.“

Auch anderen Werktätigen wurde geholfen. Die Serben zum Beispiel mussten zu Fuß vom Barackenquartier in Floridsdorf bis zur Fabrik in Hernals. Wenn sie ihre Lochkarten um fünf Minuten verspätet einsteckten, wurde ihnen die ganze Stunde vom Lohn abgezogen. Meister Potensky erfand einen Mechanismus um die Uhr aufzuhalten und die Zeit später nachzustellen.

Während das Material für die antifaschistischen Flugblätter im Firmenschreibtisch der Widerstandskämpferin lagen, schnüffelten wegen der Rüstungsaufträge ständig Nazis in der Firma. Die Anti-Hitler-Bewegung wurde 1944 aufgedeckt, und ihr Genosse Hudomalj im KZ Mauthausen ermordet.

Frauen-Widerstand noch im KZ

Bei der Verhaftung am 1. Februar 1944 kam Friederike gemeinsam mit ihrer Mutter für sieben Monate ins Gefängnis und ab Mitte September 1944 bis Kriegsende ins KZ Ravensbrück. Die Kommunistin blieb standhaft: „So hab ich in Wien probiert, wie das Sabotieren geht. Aber bitte, die Katze lässt das Mausen nicht, im Lager draußen, in Ravensbrück, hab ich dann genau das Gleiche gemacht.“ In einer Arbeitsgruppe der Faserstoffwerke, die Bomben erzeugte, kam sie zur Kontrolle. Auch gute Stücke kennzeichnete sie als Ausschuss. Die kamen zurück, wurden nachgedreht und waren dann wirklich Ausschuss.

Solidarität lebten die Widerstandskämpferinnen auch noch im KZ. Das Krankenrevier bedeutete meistens das Todesurteil. Friederike wurde dort durch die Hilfe von Genossinnen gerettet. Friederike beschrieb ihre Motivation: „Angst? Schau, wir haben ganz genau gewusst, dass wir unser Leben einsetzen. Aber der Einsatz war das wert. Ich hab mir gesagt, lieber mein Leben für eine gute Sach wie für eine schlechte. Die Sabotage, das war was, wo ich mit Sicherheit sagen kann, ich hab den Krieg ein bissl verkürzt.“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.