Politisches Erdbeben in Irland: Revolutionäre ins Parlament gewählt
Bei den Parlamentswahlen im Februar 2016 stürzten die bisherigen Regierungsparteien Fine Gael (Konservative) und Labour (Sozialdemokraten) ab. Fine Gael verlor 10 Prozent, Labour verlor sogar 13 Prozent der Stimmen und sank auf 6,6 Prozent. Labour hatte bei den vorherigen Wahlen im Jahr 2011 noch eines der besten Ergebnisse seiner Geschichte erzielt. Damals waren sie mit dem Versprechen angetreten, die brutale Sparpolitik zu beenden, doch kaum in der Regierung halfen sie bei der Durchsetzung eben dieser. Diese Geschichte kennt man aus vielen europäischen Ländern.
Der Zorn auf die Eliten hat durch das Engagement der Linken eine beeindruckende Dynamik entwickelt. Ein Ausdruck davon ist das tolle Wahlergebnis. Das linke Wahlbündnis aus People Before Profit und der Anti-Austerity-Allianz (PBP-AAA) erhielt beeindruckende 3,95 Prozent. Alle drei Parlamentsabgeordneten von PBP kommen aus der Socialist Workers Party (SWP): Gino Kenny, Brid Smith und Richard Boyd Barrett. Auch die AAA hat drei Abgeordnete. Besonders stark schnitten PBP-AAA in den Arbeiterbezirken in Dublin ab. Dort erreichte das Bündnis teilweise über 10 Prozent. Das starke Ergebnis in diesen Bezirken kommt nicht aus dem Nichts, sondern von jahrelanger politischer Präsenz in diesen Bezirken.
Massenbewegung Basis für Linkspartei
Für den gigantischen Erfolg der linken Kräfte in Irland gibt es zwei Gründe: Erstens sieht man momentan im Großteil Europas und der USA Wahlerfolge von linksreformistischen Parteien oder Politikern, wie Syriza, Podemos, Corbyn und Sanders. Irland ist also Teil eines weltweiten Aufstandes gegen die Sparpolitik der Eliten.
Der zweite und zentrale Grund ist eine gigantische Massenbewegung gegen die Einführung von Wassergebühren. Seit fast zwei Jahren gehen in Irland hunderttausende Menschen gegen diese Steuer auf die Straße. In Bezirken und Dörfern bildeten sich Komitees, die die Proteste organisierten. Es kam zu Blockadeaktionen vor Häusern, wenn Regierungsbeamte Wasserzähler installieren wollten. PBP-AAA unterstützen die Protestbewegung mit allen Kräften. Sie verfassten einen Aufruf, die Steuer schlicht und ergreifend zu boykottieren. Laut Zählungen von Anfang Jänner 2016 folgten um die 45 Prozent diesem Aufruf.
Neben der sozialen Bewegung gab es auch eine gigantische Bewegung für Frauen- und Homosexuellenrechte. Dieser Initiative ist es zu verdanken, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Irland nach einer Volksabstimmung mit 62 Prozent Zustimmung legalisiert wurde. Genauso könnte bald das verhasste Abtreibungsverbot fallen. Dieses Verbot kostete in Irland Menschenleben: Savita Halappanavar starb 2012 im Krankenhaus, weil ihr die Abtreibung verboten wurde. Auch gegen diese reaktionären Gesetze mobilisierte PBP-AAA an vorderster Front.
Revolutionäre im Parlament
PBP ist keine linksreformistische Partei wie Syriza oder Podemos, sondern hat eine revolutionäre Führung und lässt zugleich Platz für Menschen, die den Schritt zum revolutionären Umsturz der Gesellschaft noch nicht gemacht haben. Reformistische Parteien glauben, dass man das kapitalistische System hin zu einem „guten Leben für alle“ reformieren kann. Deshalb setzten sie vor allem auf Wahlen und Regierungsbeteiligungen und nicht auf die Massenmobilisierung auf den Straßen und in Betrieben. Wohin dieser Weg in der Praxis führt, sieht man am Beispiel Syriza. Die linke Partei hilft mittlerweile bei der Durchsetzung der Sparpolitik und der Misshandlung von Flüchtlingen.
Der PBP-Abgeordnete für die Region Dublin Mid-West und Mitglied der SWP Gino Kenny sagte: „Wir werden das Parlament nutzen, um so viele Menschen wie möglich zu mobilisieren. Wenn es Streiks oder Aufstände gibt, werden wir dort sein. Wir werden das Parlament auch als Sprachrohr für die Anliegen der Menschen, die jetzt kämpfen, benutzen. Wir stehen in erster Linie mit den Menschen Schulter an Schulter, die sich gegen das System auflehnen.“
PBP hat also im Gegensatz zu anderen Linksparteien nicht das Ziel, so schnell wie möglich eine Parlamentsmehrheit unter dem Motto „Und dann wird man schon alles richten“ zu erreichen, sondern will Menschen eine Möglichkeit geben, um für Verbesserungen zu kämpfen. Im Wahlkampf hat die Partei einfache Themen in den Mittelpunkt gestellt: Wohnen, Jobs, gerechter Lohn, usw. Nichtsdestotrotz stellte PBP doch immer klar: „Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir dafür kämpfen. Und zwar nicht nur im Parlament, sondern auch auf der Straße und in den Betrieben.“