Die unendliche Autorität über die Frau
Im Februar 2017 beschloss die Bundesregierung mit dem Erlass des Integrationsgesetzes das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz und schaffte eine neue Stimmung des Misstrauens gegenüber muslimischen Frauen. Betroffen sind speziell Frauen in einer Burka und dem Niqab.
Wie es aussieht, stellte sich nach nur kurzer Zeit heraus, dass Bürger Österreichs besondere Freude daran hatten Selbstjustiz auszuüben und die Exekutive zu ersetzen, wenn es darum geht Niqab- & Burkaträgerinnen ausfindig zu machen und sie gemäß der neuen Rechtsgrundlage zu überführen. Haben sich Zivilbürger dazu entschieden die Polizei zu spielen, so kann das nur ein Zeichen davon sein, dass die Missgunst und das Misstrauen gegenüber muslimischen Frauen so salonfähig geworden ist, dass selbst der gemeine Bürger sich dazu verpflichtet fühlt, eine Mitbürgerin zu ergreifen.
Den Boden für solche Ressentiments gaben jene Personen, die den Weg für das neue Integrationsgesetz geebnet haben. Was der Emanzipation dienen sollte, trieb jene betroffenen Frauen weiter in die Isolation. Niqab- und Burkaträgerinnen, die bis dahin freie Bürgerinnen waren, wurden von einem Tag zum anderen zu freilaufenden Kriminellen. Die Polizei selbst ist sichtlich überfordert von der neuen Rechtsgrundlage und sieht potenzielle Gefahr in Bürgern, die sich als Maskottchen verkleiden oder nur einen Schal vor das Gesicht ziehen.
Bevormundung
Die Emanzipation der muslimischen Frau ist leider noch immer ein Thema, worin sich alle das Recht herausnehmen, die muslimische Frau zu bevormunden. Selbstdefinierte „Verteidiger der Rechte der muslimischen Frau“ gibt es zur Genüge. Offensichtlich entfällt es jedoch vielen, dass diese selbstdefinierten Verteidiger mehrheitlich Männer darstellen, die anscheinend viel mehr über die muslimische Frau wissen, als die muslimische Frau selbst über sich.
Frauen wird die Mündigkeit abgesprochen, über ihr eigenes Leben bestimmen zu dürfen und damit auch für den eigenen Kleidungsstil einzustehen. Als Frau für sich selbst sprechen zu dürfen, war schon früher nicht leicht und heute hat es sich kein bisschen geändert. Ein Objekt, über das bestimmt wird und an dem Werte der Gesellschaft festgemacht werden. Die entkleidete Frau, die den Fortschritt einer Gesellschaft darstellt. Die verhüllte Frau, die die Religiosität einer Gesellschaft darstellt. Die Frau, die nie für sich selbst stand, sondern immer wieder repräsentativ für eine Ordnung den Kopf hinhalten musste. Die Bevormundung einer Frau reicht von, wie sie sich zu kleiden hat, bis hin zu, wie sie zu leben hat. Wie weit wird noch in die Entscheidungsmacht der Frau eingedrungen und ihr leichten Herzens die Entscheidungsfreiheit geraubt, über ihren Körper bestimmen zu dürfen.
Unsere Würde sowie der Wunsch auf Selbstbestimmung und Entscheidungsmacht über die eigene Person sind in Gefahr, wenn alle Anderen uns die Bedeutungsfreiheit einer jeden Entscheidung entrauben. Das Burkaverbot kann nicht nur das Anliegen der muslimischen Frau sein. Es ist das Anliegen eines jeden österreichischen Bürgers und jeder Bürgerin, dem die Gleichbehandlung von Frau und Mann und die Entscheidungsfreiheit teuer ist.
Genau vor 20 Jahren standen Frauen und Männer in Österreich für die selbige Freiheit auf den Straßen und bewegten eine Gesellschaft zum Umdenken ihrer Werte und ihrer Perspektiven. Österreich ist am Scheideweg, das zu verlieren was es mit dem ersten Frauenvolksbegehren bewirkt hat. Die Gleichstellung der Frau gegenüber dem Gesetz. Noch heute fragen wir uns, ob die damaligen Forderungen noch Gültigkeit besitzen, wenn mit Leichtigkeit Staat und Politik in die Rechte einer einzelnen Bürgerin eingreifen können und sich dabei nichts verschulden.
Wie kann es sein, dass Frauen, die einen Niqab oder eine Burka tragen, eine Integrationsunwilligkeit zugesprochen wird und man sie damit beschuldigt nicht dieselben Werte zu besitzen, wie eine andere Person, die sich vielleicht nicht verhüllt? Wie kann man annehmen, dass muslimische Frauen sich nicht zu den Werten bekennen, die in Österreich wertgeschätzt werden, allein weil diese ein Stück Stoff noch zusätzlich an sich trägt? Die Würde eines Menschen, die Freiheit jedes Einzelnen, das Recht auf Bildung und das Recht auf freien Zugang zu allen Dienstleistungen, das jedem Österreicher und jeder Österreicherin zusteht, sind Werte, zu denen sich auch die muslimische Frau bekennt. Die Verleumdung, dass Frauen, die sich verhüllen diese Werte nicht besitzen, ist eine Ungeheuerlichkeit.
Künstliche Kluft
Muslimische Frauen, die sich für eine Niqab oder eine Burka entscheiden, werden somit zu Außenseitern deklariert. Zwischen ihnen und dem Rest der Gesellschaft wird eine Kluft geschaffen und sie werden zunehmend an den Rand einer Gesellschaft gedrängt. Die Spaltung der Gesellschaft ist unweigerlich. Vor allem werden Frauen anderen Frauen gegenüber gestellt und sie aufeinander gehetzt, anstatt auf ein friedliches Miteinander hinzuarbeiten. Wir beobachten, wie vor allem Frauen dazu gedrängt werden, ihr Verständnis, wie eine Frau auszusehen hat zu demonstrieren, und andere Frauen darauf hinzuweisen, dass sie nicht der Normalität entsprechen. Und das weil mehrheitlich Männer in einem Anzug bestimmen, wie eine Frau auszusehen hat.
Die politische Stimmung schlägt über in unseren Alltag. Mit dem Antimuslimischen Rassismus Report 2016 wurde erfasst wie hoch der Prozentsatz ist von Angriffen gegenüber einer Frau in der Öffentlichkeit. Antimuslimischer Rassismus betrifft zu 98% Frauen. Es ist unbedenklicher geworden, muslimische Frauen auf offener Straße zu attackieren und sie aufgrund des eigenen Hasses als Zielscheibe zu nehmen.
Es reicht, dass wir als Frauen die Konsequenz spüren müssen von Leuten, die über unserem Kopf hinweg sich anmaßen über uns zu bestimmen. Wenn Personen darüber urteilen, wie viel Stoff an unserem Körper erwünscht ist, dann ist es dahin mit den Frauenrechten und der Emanzipation der Frau. Dessen müssen wir uns als Frau bewusst werden. Denn wer sich anmaßt Gesetze zu erteilen, die die muslimische Frau einschränken, kann auch neue Gesetze einbringen und andere Frauen in ihrer Freiheit einschränken.
Rumeysa Dür