Heftiger Widerstand gegen die Zerschlagung der AUVA

Die Regierung will die älteste und eine der bewährtesten Sozialversicherungen, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), zerstören. Innerhalb nur weniger Tages ist eine dynamische Protestbewegung für den Erhalt der Versicherung ins Rollen gekommen. Streiks können den Widerstand mit einem Schlag radikalisieren.
14. April 2018 |

Der Generalangriff von FPÖ-„Sozial“ministerin Beate Hartinger-Klein auf eine der am besten funktionierenden Gesundheitseinrichtungen Österreichs, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), hat eine beispiellose Protestbewegung losgetreten. Innerhalb weniger Tage haben über 100.000 Menschen eine Petition gegen die Zerschlagung der AUVA – initiiert von der Online-Plattform #aufstehn – unterschrieben.

In den Einrichtungen der AUVA fanden überall in Österreich Protestaktionen statt (die AUVA betreibt 7 Unfallkrankenhäuser und 4 Rehabilitations-Zentren). An die 300 Mitarbeiter_innen des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus (UKH) in Wien-Brigittenau fanden sich am Dienstag, 10. April zu einer Betriebs- und Protestversammlung ein, in den steirischen Häusern in Graz, Kalwang und Tobelbad fanden Protestaktionen statt, am UKH Klagenfurt wurden Unterschriften gesammelt.

Streikforderungen

Ebenfalls am Dienstag gingen 250 der 330 Mitarbeiter des Reha-Zentrums Weißer Hof in Klosterneuburg auf die Straße. Am darauffolgenden Mittwoch beteiligten sich 180 Beschäftigte an einer Versammlung am Linzer UKH. Der Betriebsrat des Wiener UKH Meidling organisierte eine öffentliche Betriebsversammlung inklusive Menschenkette, zu der auch die Meidlinger SPÖ aufgerufen hatte.

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Am Freitag folgte ein Flashmob mit simulierter Notaufnahme der Initiative #aufstehn direkt vor dem Gesundheitsministerium, nachdem kurz zuvor die 100.000ste Person die Petition für den Erhalt der AUVA unterzeichnet hatte. Am Freitag, 20. April organisiert der Betriebsrat am UKH Salzburg einen Protestmarsch. Bei allen Aktionen war die Kampfbereitschaft beeindruckend, immer wieder wurden in Redebeiträgen weitere Kampfmaßnahmen und Streiks gefordert.

Mumpitz

Der Vorwand der Regierung ist einfach nur dämlich. Schwarz-Blau fordert, dass die AUVA bis Jahresende 500 Millionen Euro in der Verwaltung einsparen muss. Aber der gesamte Kostenaufwand für die Verwaltung beträgt selbst nur 92,4 Millionen! Und überhaupt: Eine Studie der London School of Economics (LSE) aus dem Jahr ergab, dass die Verwaltungskosten im österreichischen Gesundheitswesen im internationalen Vergleich niedrig seien und hier (insgesamt!) nur schlappe 50 Millionen eingespart werden könnten.

Die neoliberale, regierungstreue Denkfabrik Agenda Austria verwendet übrigens dieselbe Studie, um die Zerschlagung der AUVA zu rechtfertigen: weil die AUVA mit 7,1 Prozent angeblich überdurchschnittliche hohe Kosten in der Verwaltung hätte – der Schnitt liege bei 0,6 bis 6,8 Prozent. Lassen wir für einen Moment die Tatsachen beiseite, dass die AUVA höhere Aufwände in den Fallbearbeitungen hat und dass 92,4 Millionen (ersichtlich aus dem Jahresbericht 2016, Seite 115) nicht 7,1 sondern 6,6 Prozent ergeben, so müsste uns die werte Agenda Austria immer noch erklären: Wie soll man etwa im Falle einer (ohnehin völlig unrealistischen) Halbierung des AUVA-Verwaltungsaufwands – dies entspräche 46 Millionen Euro – auf 500 Millionen kommen?

Generalangriff auf Sozialstaat

Eine weitere Studie des Schweizer Beratungsunternehmens c-alm AG im Auftrag der Wirtschaftskammer zu Beginn des Jahres 2017 berechnete für den Fall einer Reduktion aller 21 Sozialversicherungsträger auf fünf ein Einsparpotenzial von 152 Millionen – Peanuts im Vergleich zu den 500 Millionen, die jetzt für nur eine Sozialversicherung gefordert werden. Wie man es dreht und wendet, um „Effizienz“ geht es der Regierung ganz offensichtlich nicht. Hartinger-Klein sagte selbst bereits, dass sie nicht glaube, dass die AUVA die Einsparungen machen könne und sie „nach derzeitigem Stand“ ohnehin aufgelöst werde.

 

Schwarz-Blau will die Zerschlagung des Sozialstaats, wie wir ihn kennen. Wir erleben den Beginn eines großangelegten Angriffs auf die Gewerkschaften, ganz nach dem Vorbild der britischen Premierministerin Margaret Thatcher in den 1980er-Jahren. Es geht der Regierung darum, den Widerstand der Gewerkschaften zu brechen, die sich letztes Jahr erfolgreich gegen die Einführung des 12-Stunden-Tages gewehrt haben.

Soziale Einrichtung verteidigen

Die AUVA ist eine der bewährtesten Sozialversicherungen Österreichs. Sie versichert fünf Millionen Menschen, davon drei Millionen Lohnabhängige, eine halbe Million Selbständige und 1,5 Millionen Studierende, Schüler_innen und Kindergartenkinder. Dabei kümmern sich Ärzt_innen, Pflegerinnen, sowie nichtmedizinisches Personal der AUVA nicht nur um die akuten Behandlungen nach Unfällen, sondern auch um die Rehabilitation und Auszahlung von Unfallrenten bei bleibenden Schäden.

Besonders wichtig ist die Präventionsarbeit der AUVA, die einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass die Arbeitsunfälle 2017 auf einen historischen Tiefstand gesunken sind: Seit 1990 haben sich die Arbeitsunfälle fast halbiert, alleine in den letzten 10 Jahren gab es 40 Prozent weniger Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang. Umso hinterfotziger ist der Angriff auf einer derart gut funktionierende Einrichtung.

Leistungskürzungen und Unternehmergeschenke

Die geforderten 500 Millionen Euro Einsparungen entsprechen rund 40 Prozent des Gesamtbudgets der AUVA (knapp 1,4 Milliarden Euro). Das hieße Leistungskürzungen in der akuten Unfallheilbehandlung (441,7 Millionen) oder bei den Unfallrenten (504,5 Millionen). Hartinger-Klein ließ im Profil-Interview bereits durchblicken, dass sie nicht sicher sagen könne, ob „die Spitäler alle erhalten werden oder nur einige“.

Die AUVA wird fast ausschließlich von Unternehmerbeiträgen finanziert. Konzerne müssen Beiträge in der Höhe von 1,3 Prozent der Löhne und Gehälter an die AUVA abliefern. Die Regierung will diese Beiträge auf 0,8 Prozent senken – eine langjährige Forderung der Industriellenvereinigung (IV) und der Wirtschaftskammer. Diese Senkung entspricht den 500 Millionen, die die AUVA jetzt einsparen soll. Der Frontalangriff ist nichts anderes als der Startschuss für ein großes Umverteilungsprogramm von unten nach oben.

 

Zum Beispiel hat KTM-Chef Pierer an Kurz im Wahlkampf 440.000 Euro Wahlkampfspenden überwiesen, und natürlich erwartet sich dieser eine „Gegenleistung“. Werden die Beiträge wie geplant gesenkt, würde sich Pierer bloß innerhalb eines Jahres 480.000 Euro ersparen, wie der Blog Kontrast berechnet hat, und damit hätte er seine großzügige Spende bereits wieder abgegolten. Kein Wunder, dass auf den Betriebsversammlungen „UKH statt KTM“ ein beliebter Spruch war.

Regierung spürt Gegenwind

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste bereits zurückrudern und wich am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal der Frage aus, ob er seiner Ministerin noch „volle Rückendeckung“ gebe und sprach von „politisch motivierten Inszenierungen“. Mit Streiks können wir die Regierung in die Knie zwingen – alles hängt von der Gesundheitsversorgung ab, die Beschäftigten haben einen mächtigen Hebel in der Hand. Es kommt darauf an, ob der ÖGB bis zum Äußersten bereit ist – dem Generalstreik.