Abschied von einem, der sich nix gefallen ließ

Wenn es in der jüngeren Kultur-Geschichte Österreichs so etwas wie eine Identifikationsfigur gibt, auf die sich Generationen von Musikfans einigen können, gehört Willi Resetarits sicherlich an vorderster Stelle genannt. Als „moralische Instanz der Nation“ wurde er dabei auch von Nicht-Linken gehört und geachtet.

Willi Resetarits (1948-2022)

2. Mai 2022 |

Die musikalische Karriere von Willi Resetarits begann im Jahr 1969 mit der Gründung der Polit-Rock-Band Schmetterlinge. Eine erste Langspielplatte erschien 1973, vielbeachtet ist vor allem „Die Proletenpassion“ (ein politisches Oratorium). Das Werk wurde 1976 bei den Wiener Festwochen als „szenische Theaterfassung“ uraufgeführt und 1977 als Dreifach-Album veröffentlicht. Die Geschichtsschreibung der Herrschenden durch jene der Beherrschten zu ersetzen ist das Leitmotiv dieses Konzeptwerkes, das bis zum heutigen Tag nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Die Schmetterlinge vertraten Österreich beim Eurovisions-Songcontest im gleichen Jahr mit „Boom Boom Boomerang“, einem Lied, das die Musik-Industrie aufs Trefflichste parodiert und ihnen den glorreichen vorletzten Platz bei der Veranstaltung einbrachte. Das visionäre Album „Die letzte Welt“ aus dem Jahr 1982 nimmt auf die tödlichen Folgen kapitalistisch geprägter Lebensweise Bezug, die heute, 40 Jahre später, in Form der bevorstehenden Klimakatastrophe Realität geworden sind.

Das Jahr 1985 sah einerseits die Mitwirkung der Schmetterlinge am Projekt „Austria für Afrika“ und dem Lied „Warum?“, andererseits markiert es den Beginn der Karriere der Kunstfigur „Ostbahn Kurti“. Mit der Chefpartie wurden in den folgenden Jahren Blues-, Country- und Rockklassiker verschiedener Künstler ins Wienerische übertragen. Mit der Cover-Version des Springsteen-Songs „Fire“ hielt Willi Resetarits alias Ostbahn Kurti erstmals auch in den Charts Einzug.

Ab 1995 verlegten sich Kurt Ostbahn und die Kombo vermehrt auf Eigenkompositionen, die den großen Vorbildern von Bruce Springsteen bis Bad Company musikalisch um nichts nachstehen. Die Alben „Espresso Rosi“ und „Reserviert fia zwa“ können definitiv als späte Meisterwerke des Austropop bezeichnet werden. Die Neunziger Jahre waren aber auch das Jahrzehnt des Aufstiegs eines gewissen Jörg Haider: am Beginn stand das „Anti-Ausländer-Volksbegehren“ und als Reaktion darauf das Lichtermeer, in weiterer Folge wurde das Land von rassistisch motivierten Briefbomben-Anschlägen erschüttert. Willi Resetarits stand immer an vorderster Front auf der Seite der Menschlichkeit, wurde Mitbegründer der Organisation SOS Mitmensch und initiierte 1996 das Integrationshaus Wien.

Nachdem Ostbahn-Kurti-Erfinder und Textdichter Günter Brödl im Oktober 2000 plötzlich verstarb wurde Kurt Ostbahn in Pension geschickt. Willi Resetarits blieb jedoch musikalisch umtriebig wie eh und je und wirkte an den Projekten Stubnblues und Molden, Resetarits, Soyka und Wirth mit. Resetarits, der auch Mitbegründer der Organisationen Asyl in Not war, veröffentlichte anlässlich seines 70.Geburtstages (2018) die Autobiografie „Ich lebe gerne, denn sonst wäre ich tot“. Sie sei allen ans Herz gelegt, die sich für österreichische Zeitgeschichte aus der Sicht eines Widerständigen interessieren.

Willi Resetarits war und bleibt eine Ausnahmeerscheinung, der seine Stimme erhob und auch Taten setzte, wenn es darum ging, für jene einzutreten, denen Unrecht geschieht. Er war maßgeblich an der Arena-Besetzung 1976 beteiligt und erhielt eine Verurteilung wegen „Aufrufs zur Wehrdienstverweigerung“. Er beherrschte die feinen Töne ebenso wie er die Dämonen des Rock’N’Roll kannte. Der Kurti und seine Chefpartie intonierten in den 1980er Jahren den Soundtrack der österreichischen Arbeiterjugend, deren Rechte und Wohlstand zunehmend neoliberaler Logik zum Opfer fielen („Mehr Privat – weniger Staat“ lautete das unsägliche Motto), legendär war seine Verabschiedung am Ende jedes Konzertes und auch seiner Radio-Sendung Trost und Rat: „Seid’s vuasichtig und losst’s eich nix gfoin!“

Möge Willi Resetarits vor allem für „losst’s eich nix gfoin!“ in Erinnerung bleiben…