Antirassistische Offensive gegen Grenzgewalt und Rassismus
Die italienische Zeitung Avvenire veröffentlichte eine Absichtserklärung, unterzeichnet von Maltas Premierminister Abela und Fayez al Sarraj, Präsident der GNA – der international als Regierung anerkannten Bürgerkriegsfraktion Libyens. Ab Juli 2020 sollen Koordinationszentren in den Häfen von Tripolis und Valletta einsatzbereit sein. Die EU versucht ihre Außengrenzen auf afrikanische Häfen und Wüsten vorzulagern, um sich gegen Schutzsuchende abzuschirmen. Ein umfassender Bericht vom Border Violence Monitoring Network (BVMN) erzählt die Geschichten von 736 Schutzsuchenden, die in der Festung Europa illegaler Rückabschiebungen und systematischer Gewalt ausgesetzt waren. Das Unrecht wird von der Polizei als auch vom Militär und von Frontex durchgeführt und von der EU finanziert. Ständig erreichen uns neue Bilder von Gefolterten an der Balkanroute. Die kroatische Polizei bricht Schutzsuchenden die Hände, übersät ihre Rücken mit Striemen, zerschlägt ihre Handys, nimmt ihnen Schuhe und Kleidung weg oder verbrennt ihre Notunterkünfte.
Nun sind die Bilder und dokumentierten Fälle im österreichischen Parlament und in den Medien gelandet. Ohne den Druck von unten und die Arbeit von SOS-Balkanroute, Pfarrnetzwerk Asyl und die Grenzenlose Hilfe Kremsmünster wäre all das nicht geschehen. Jetzt muss sich sogar die österreichische Regierung mit den hässlichen Bildern, welche die Politik von Kanzler Sebastian Kurz produziert, auseinandersetzen. Die Justizministerin Alma Zadić bekam am Weltflüchtlingstag von SOS-Balkanroute auf 1673 Seiten Berichte über Gewalt kroatischer Grenzpolizisten gegen Geflüchtete inklusive Fotos und Videos als Beweismaterial übergeben. Die Abgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic und Faika El-Nagashi haben am Vortag im Parlament mediale Aufmerksamkeit für die Grenzgewalt geschaffen. Viele Medienvertreter_innen hörten dort die entsetzlichen, authentischen Schilderungen der bosnischen Flüchtlingshelferin Zehida Bihorac. Einfache Menschen wie sie verhindern eine humanitäre Katastrophe.
Keine System-Überforderung
Die EU hatte wegen der Ausbreitung des Coronavirus im März ihre Außengrenzen geschlossen. Die Zahl der Asylanträge im April lag auf dem niedrigstem Monatswert des Jahrtausends. Viele der 27 Mitgliedstaaten setzten auch die Registrierung von Asylanträgen aus. Ende März wurde ein Erlass des österreichischen Innenministeriums (BMI) bekannt: Asylsuchenden werden an der Grenze abgewiesen, wenn sie kein gültiges Gesundheitszeugnis vorlegen können. Das ist offener Rechtsbruch! Ein Asylantrag auf internationalen Schutz kann bei jedem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gestellt werden und die antragstellende Person darf bis zur Erledigung des Verfahrens nicht zurückgewiesen werden. Während Asylbedürftige ohnehin schon auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung sind, hat die Covid-19-Krise ihre Lage sicher noch verschlimmert.
Nach Afghanistan wird laut Innenminister in absehbarer Zeit nicht deportiert, aber es sitzen Menschen aus Afghanistan in Schubhaft, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen. Laut Gesetz müssten sie ohne offiziellen Abschiebetermin sofort enthaftet werden, aber es herrscht Willkür! Vier von zehn Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) werden in der zweiten Instanz aufgehoben. Laut Wolfgang Salm von Fairness Asyl zog dies „allein 2018 über 107 Millionen Euro an Folgekosten nach sich“. Nicht alle Unrechtsurteile werden aufgehoben, nicht alle Betroffenen haben Geld für Anwälte. Zynische Ablehnungsbegründungen zeigen die Fratze des Unrechtssystems. Gut, dass wir wieder in der Offensive sind und gegen jede Form der Diskriminierung kämpfen!