Arbeitszeitverkürzung: Endlich gerecht verteilen!
Jeder und jede fünfte Beschäftigte in Österreich möchte die Arbeitszeit reduzieren – das zeigt die EU-Arbeitskräfteerhebung. Wäre dies ohne Gehaltsverlust möglich, würden sich weit mehr eine Arbeitszeitverkürzung wünschen. Denn Österreich hat, laut diesen Daten, mit 41,4 Wochenstunden die fünftlängsten Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten in Europa und liegt somit eine Wochenstunde über dem EU-Durchschnitt.
Arbeitslosigkeit bekämpfen
Gleichzeitig waren im November 429.139 Menschen arbeitslos oder in Schulungen des AMS. Es bedarf also endlich einer sozial gerechten Umverteilung der Arbeitszeit. „Wir wissen, dass zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit, aber auch angesichts der fortschreitenden Digitalisierung kein Weg an einer Arbeitszeitverkürzung vorbeiführt“, erklärte der Präsident der Arbeiterkammer, Rudi Kaske.
Positivbeispiel. Im städtischen Altersheim Svartedalen im schwedischen Göteborg wurde die Arbeitszeit bei vollen Bezügen verringert. Zwischenergebnisse zeigen: Krankenstände und Erschöpfung bei den Pfleger_innen sind zurück gegangen und die Qualität der Betreuung ist gestiegen. Außerdem sind viele Teilzeitjobs verschwunden, weil mit einem Schlag 30-Stunden-Teilzeit- zu Vollzeit-Jobs wurden.
Frankreich hat seit Einführung der 35-Stunden-Woche die kürzeste gesetzliche Arbeitszeit innerhalb der EU. Auch wenn die Umsetzung verbesserungswürdig ist, zeigen Evaluierungen, dass „insgesamt etwa 400.000 Jobs geschaffen wurden, was circa 1,5 Prozent der Beschäftigten in Frankreich entspricht. Dies ist nicht wenig, betrachtet man die durchschnittliche Stundenreduktion von fünf Prozent“, so der französische Ökonom Philippe Askenazy.
Geschlechtergerechtigkeit
Im Jahr 2015 war die bezahlte Wochenarbeitszeit bei Männern um mehr als acht Stunden höher als bei Frauen. Dieser enorme „Gender Time Gap“ verweist Österreich auf den drittschlechtesten Platz in der EU.
Hauptursache ist die Teilzeitrate, die in Österreich stark gestiegen ist – um 25 Prozent. Frauen sind von dieser Entwicklung besonders negativ betroffen. Nach einer Studie der Statistik Austria ist der Stundenlohn von Frauen, die Teilzeit arbeiten, um fast ein Viertel niedriger als jener vollzeitbeschäftigter Frauen. Frauen verdienen ohnehin weniger als Männer, was durch die hohe Teilzeitquote noch einmal verschärft wird. Außerdem bekommen sie damit auch weniger Pension oder niedrigere Ersatzleistungen im Fall von Arbeitslosigkeit.
Während Männer also bezahlt mehr arbeiten als Frauen, zeigt die Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria, dass erwerbstätige Frauen mit 66 Stunden pro Woche um 2 Stunden mehr arbeiten als Männer. Allerdings sind bei Frauen 40 Prozent der Arbeit unbezahlt und bei Männern ist nur ein Drittel unbezahlt.
Verteilungsgerechtigkeit
Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich würde dieser Ungleichverteilung von unbezahlter (Betreuungs-)arbeit entgegenwirken. Als Grund für Teilzeitarbeit wird in der EU-Arbeitskräfteerhebung am häufigsten die Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen genannt – mit extremen geschlechtsspezifischen Unterschieden: 37,8 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen, aber nur 4,8 Prozent der teilzeitbeschäftigten Männer geben Betreuungspflichten als Hauptgrund an. „Um zu einer gerechteren Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern zu kommen, führt kein Weg an einer Arbeitszeitverkürzung vorbei“, so Eva Scherz von der Gewerkschaft GPA-djp.
Flexibilisierungen, wie sie die Wirtschaftskammer fordert, lösen keine Verteilungsfragen – weder jene nach der Verteilung von (un)bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern, noch jene nach der gesellschaftlichen Verantwortung für die Versorgungsarbeit. Warum müssen sich Familien einen Haxen ausreißen, um Betreuung und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Die Unternehmen sollen nach Jahrzehnten der Reallohnkürzungen endlich einen Beitrag leisten. Es ist höchste Zeit für weniger Wochenarbeit bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich.