Comandante Ramona

Sie war die bekannteste unter den vielen Frauen der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) in Chiapas, Mexiko. Sie war eine kleine Person, eine Angehörige der Maya, aber Comandante Ramona überragte alle männlichen Guerillakämpfer, sobald sie das Wort ergriff.
12. September 2017 |

Frauen haben beim Aufstand der Zapatistas am 1. Jänner 1994 die führende Rolle gespielt. Die indigenen Frauen wussten meist vor ihren Männern von den Guerillatruppen, die sich in den Wäldern von Chiapas formierten. Sie nahmen Kontakt auf, und oft noch bevor sie ihre Männer informierten, hatten sie schon Funktion und Rang in der Guerillaarmee.

Die EZLN erschien in der Sylversternacht auf den 1. Jänner 1994 mit Pauken und Trompeten auf der Bildfläche. Sie nahmen die vier größeren Städte im südlichsten Bundesstaat von Mexiko ein, die Militärkasernen überrumpelten sie relativ einfach, da ein Großteil der Soldaten sturzbetrunken war. Comandante Ramona organisierte die Einnahme von San Cristóbal de las Casas, militärisch geführt wurde die Aktion von Major Ana Maria. Es war ein Verdienst von Ramona, dass die Frauen eine derart dominante Rolle bei den Zapatistas spielen konnten.

Comandante Ramona

Antikapitalismus

Die Guerillaarmee Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) bekam unter dem Einfluss der indigenen Gemeinschaften von Chiapas eine einzigartige ideologische Ausrichtung. Marxistisch und antikapitalistisch, gemischt mit einer indigenen Befreiungsbewegung.

Völlig beabsichtigt fiel der Termin des Aufstands zusammen mit dem Inkrafttreten von NAFTA, dem Nordatlantischen Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada.

Antikolonialismus

Nationale Befreiung, antikolonialer Kampf und Antikapitalismus waren drei entscheidende Elemente, die die Zapatistas inspirierten. Aber diese Kämpfe mussten sich mit dem Kampf der Frauen gegen die soziale und politische Unterdrückung in den indigenen Dörfern verbinden, um den Rückhalt der ganzen Gemeinschaft zu bekommen. Indigene Frauen der Maya-Dörfer waren wie ihre Männer Kleinbauern, die nur das Nötigste zum Überleben anbauen konnten. Viele von ihnen waren durch Schuldknechtschaft an Großgrundbesitzer gefesselt.

Ramona ging früh aus ihrem Dorf weg um Arbeit zu suchen und kannte die andere Seite von Unterdrückung und Ausbeutung in den Städten. Als Delegierte der Zapatistas besuchte sie die indigenen Dörfer und überzeugte die Frauen, sich den Zapatistas anzuschließen: „Die Frauen verstanden schließlich, dass ihre Beteiligung wichtig ist, wenn sich diese schlechte Situation ändern soll. Es gibt keinen anderen Weg, Gerechtigkeit zu erreichen, und das ist im Interesse der Frauen!“ Ramona vereinte den Kampf der indigenen Gemeinschaften und den der Frauen innerhalb der Dörfer und Familien.

Frauenbefreiung

1993 verfasste Ramona mit anderen Frauen das „Revolutionäre Frauengesetz“, über das Frauen und Männer in den Dörfern abzustimmen hatten und sich durchsetzte. Es lautet:

  1. Frauen, ungeachtet ihrer Rasse, Herkunft, Hautfarbe oder politischer Zugehörigkeit, haben das Recht am politischen Kampf in einer Weise teilzunehmen, den sie nach ihrem Willen und ihren Möglichkeiten bestimmen.
  2. Frauen haben das Recht auf Arbeit und einen gerechten Lohn.
  3. Frauen haben das Recht zu entscheiden, wie viele Kinder sie haben und groß ziehen wollen.
  4. Frauen haben das Recht, in den Angelegenheiten der Gemeinden teilzunehmen und verantwortliche Posten einzunehmen, wenn sie frei und demokratisch gewählt werden.
  5. Die Frauen und ihre Kinder haben das Recht auf besondere Aufmerksamkeit in Hinblick auf ihre Gesundheit und Ernährung.
  6. Die Frauen haben ein Recht auf Bildung.
  7. Die Frauen haben das Recht, ihren Partner frei zu wählen und dürfen nicht zur Eheschließung gezwungen werden.
  8. Keine Frau darf geschlagen oder körperlich misshandelt werden, weder von Angehörigen noch von Fremden. Versuchte Vergewaltigung oder Vergewaltigung werden streng bestraft.
  9. Frauen können Führungspositionen in der Organisation und militärische Ränge im bewaffneten revolutionären Heer bekleiden.
  10. Die Frauen unterliegen allen Rechten und Verpflichtungen, die in den Gesetzen und Regeln der Revolution festgelegt sind.

1996 fuhr Ramona nach Mexiko-Stadt um Druck auf die Regierung für die Umsetzung der Friedensverträge zu machen. Da die Bevölkerung einen Anschlag auf ihr Leben befürchtete, bildete sie ein Spalier aus hunderttausenden Menschen durch die ganze Stadt. Comandante Ramona starb 2006 an den Folgen eines Nierentumors. Sie war auf dem Weg nach San Cristóbal, der Stadt, die sie zwölf Jahre zuvor mit ihrer Armee eingenommen hat.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.