Deportation trotz perfektem Deutsch: „Das schlägt dem Fass den Boden aus!“
Nematullah Towhidi, der seit mehr als zwei Jahren in Wien lebt und vielen sehr ans Herz gewachsen, soll nach Afghanistan abgeschoben werden! In der Urteilsbegründung weist das Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darauf hin, dass Nematullah kaum Deutsch spricht. Das ist schlicht eine Lüge und ein riesiger Skandal! Nematullah spricht Deutsch auf C1-Niveau!
Ich bin als langjährige Fluchthelferin so einigen Schwachsinn und unfassbare Begründungen der Behörden gewöhnt, aber das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Der Zynismus und die Herzlosigkeit mancher Beamter haben mich schon sehr oft schockiert, aber jemandem trotz offenkundiger Beweise so einen Unsinn zu unterstellen, ist doch ein starkes Stück.
Ich war schon oft bei Einvernahmen am BFA als Vertrauensperson dabei. Die Eiseskälte mit der manche Beamte ihre Fragen vorbringen, ist erschütternd. Einer ging sogar mal soweit sich darüber lustig zu machen, dass ein Flüchtling mit dem Schlauchboot gekommen ist. Ich durfte leider nichts sagen, das war die Bedingung, um mit hinein zu dürfen, aber in diesem Moment hätte ich dem Beamten am Liebsten eine runtergehaut.
Nematullah studiert im Vorstudienlehrgang Physik, Chemie, Biologie und Deutsch an der MedUni Wien. Er arbeitet ehrenamtlich im Neunerhaus, einer Wiener Hilfsorganisation, die Obdachlosen Menschen Unterkunft und mehr bietet. Nemat engagiert sich in deren Zahnarztpraxis. Er spricht so gut Deutsch, dass er für die Caritas als Dolmetscher engagiert wurde.
Ich schätze Nemat sehr, er ist unglaublich zielstrebig, ehrgeizig und wissbegierig. Er möchte unbedingt Zahnarzt werden. Nematullah wird in der Begründung ebenfalls vorgeworfen, sich nicht gut genug integriert zu haben. Das ist vollkommen absurd! Er hat in Österreich viele Freunde und Freundinnen gefunden und würde uns allen sehr fehlen. Er wohnt mit einer österreichischen Familie zusammen, der er auch richtig ans Herz gewachsen ist.
Afghanistan ist nicht sicher, Nematullah wird dort von den Taliban verfolgt. Nematullah war in Afghanistan in der Studierendenvertretung aktiv. Ob sich das Innenministerium schon mal die Reisewarnung vom Außenministerium angeschaut hat?
Leider scheint im Moment nahezu jeder Geflüchtete aus Afghanistan einen negativen Bescheid zu bekommen. Dabei steigt dort jedes Jahr die Zahl der Kriegstoten! Es wird gerade vielen Geflüchteten vorgeworfen, nicht gut genug integriert zu sein, obwohl sie mehrere Unterstützungsschreiben von Freunden und Freundinnen vorweisen können. Man fragt sich, ob unsere Behörden überhaupt noch irgendwo ein Herz haben. Herbert Kickl als Innenminister sind leider viele Grauslichkeiten zuzutrauen. Seit seiner skandalösen Aussage „Flüchtlinge zu konzentrieren“ müssen wir besonders wachsam sein. Doch eines ist klar, wenn alle linken Kräfte sich solidarisch für Flüchtlinge einsetzen, werden wir stärker sein. Ich werde mich weiterhin für Menschenrechte einsetzen.
Christine Franz
Sozialpädagogin in Ausbildung