Der Rechtsextremismusbericht des DÖW
Das DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands) hat gestern eine viel Aufsehen erregende Studie präsentiert: das „Rechtsextremismus-Barometer 2024“. Darin stellen die Autor:innen Andreas Kranebitter und Johanna Willmann fest, dass, vor allem seit der Corona-Pandemie, die Gruppe von Menschen, bei denen sich Rassismus und autoritäre Einstellungen zu einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild vereinigen, deutlich größer geworden ist.
Glaube an Bevölkerungsaustausch
Wirklich beklemmend sind die Ergebnisse bezüglich manifesten Rassismus. 38 Prozent wollen keine „Roma / Romnja und Sinti / Sintizze“ als Nachbarn, 36 Prozent keine Muslimas bzw. Muslime. Der Aussage „Die österreichische Bevölkerung wird durch Zugewanderte ersetzt“ stimmen 19 Prozent voll und ganz, weitere 28 Prozent eher zu. Der Aussage „Muslimen / Musliminnen soll Zuwanderung untersagt werden“ stimmen 14 Prozent voll und ganz, weitere 15 Prozent eher zu.
Nicht nur die FPÖ
Der Schluss der Medien war beinahe unisono „so weit rechts sind die Österreicher_innen eben“ und zur Erklärung des verstärkten Trends dienten die Krisen seit 2008 und vor allem die Corona-Pandemie. Kein Wort hörte man von der politischen Verantwortung der Parteien, obwohl zurecht das „Ausländer-Volksbegehren“ der Freiheitlichen unter Jörg Haider von 1992, oder die Verbreitung von Verschwörungstheorien unter Herbert Kickl genannt wurden. Die Politik der Freiheitlichen hat aber in der breiteren Bevölkerung nur wegen der vorherrschen Politik Früchte tragen können.
Am Beispiel Nehammer und Kurz
Als deutlichstes Beispiel dafür muss man die Operation Luxor nennen. Kanzler Kurz und sein Innenminister Nehammer inszenierten am 9. November 2020 einen Schlag gegen ein vermeintliches islamistisches Terrornetzwerk. 116 Menschen wurden Opfer dieser Inszenierung. Sie wurden von Spezialeinheiten überfallen, des islamistischen Terrorismus beschuldigt, und viele traumatisiert. Kein einziger hatte sich etwas zuschulden kommen lassen und alle Verfahren wurden wieder eingestellt. Der Eindruck aber blieb und er wurde von den Medien auch nur ganz am Rande korrigiert: Dein muslimischer Nachbar ist eine Bedrohung.
Dann fällt einem die gefälschte Studie zu den islamischen Kindergärten ein, ebenfalls im Auftrag von Sebastian Kurz erstellt und von seinen Leuten „kreativ bearbeitet“. Das Fazit daraus war, dass die muslimische Bevölkerung ihre Kinder ab dem Kindergartenalter antidemokratisch indoktriniert und zu Staatsfeinden erzieht. Die Studie hat sich als haltlos herausgestellt, der Autor ist seither wissenschaftlich völlig diskreditiert, aber auch hier war die antimuslimische Propaganda am Ende erfolgreich. Muslimische Kinder und Eltern berichten von einem enormen Misstrauen, das ihnen in Schulen und Kindergärten viel zu oft von Personal und anderen Eltern entgegenschlägt.
Imperialismus und Öl
Weltpolitisch waren die zwei großen Ereignisse, seit denen alle westlichen Regierungen und staatlichen Institutionen eine Besessenheit mit dem Islam entwickelt haben, die iranische Revolution von 1979 und die Invasion des Irak durch die USA im Jahr 2003. Der Vernichtungskrieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung nimmt politisch und ideologisch bald denselben Stellenwert ein. Die iranische Revolution hat die USA aus dem ölreichen Iran vertrieben, das Land gilt seither als Schurkenstaat par excellence. Und die Invasion des Irak ging mit einer massiven Lügenkampagne über eine Bedrohung der Welt durch irakische Massenvernichtungswaffen einher und mit einer bis dato unbekannten Hetze gegen Menschen muslimischen Glaubens. Kopftuch tragende Frauen wurden zu einer richtiggehenden Obsession westlicher Politiker und Medien und zum Sinnbild für eine latente terroristische Bedrohung. Erst vergangene Woche forderte die ÖVP erneut ein Kopftuchverbot an Österreichs Schulen.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, wichtig ist hier aber das Muster. Es gibt benennbare politische Verantwortliche für den im Rechtsextremismus-Barometer festgestellten Rassismus in Österreich. Angetrieben und ausgelöst wird Rassismus aber von kapitalistischen Interessen. Wären die muslimischen Länder nicht die Zielscheiben von Imperialismus, wäre die islamische Religion für unserer Politik und Medien genauso wenig relevant wie andere nicht christliche Religionen. Islamfeindlicher Rassismus wäre hier und da ein Randthema, aber nicht die einzige Ausformung von Rassismus, die ungeniert in Politik und Medien ausgelebt werden kann und wird.
Geld regiert die Welt
Was aus linker Sicht, aus unserer subjektiven Position, niemals untergehen darf, ist die Rolle von Klassenwut, die in Rassismus ein Ventil findet. Selbstredend haben die „einfachen Menschen“ und speziell die Lohnabhängigen gute Gründe für Wut und Enttäuschung. Wir erleben meist ohnmächtig, wie über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen getroffen werden, die sowohl unsere persönlichen Existenzen, als auch die künftiger Generationen bedrohen. Diese Ohnmacht hat ihren Ursprung in der kapitalistischen Klassengesellschaft. Nur eine winzige Minderheit kontrolliert die Produktionsmittel, seien es Fabriken, Ölquellen oder den Zugang zu Arbeitsplätzen. Die große Mehrheit ist komplett davon abgeschnitten. Das einzig wirksame Gegengift gegen diese entfremdete Art zu leben ist, aktiv gegen die Kapitalistenklasse zu kämpfen – also Klassenkampf. Nun scheint es gerade so, als hätten sich die mächtigsten Organisationen der Arbeiter:innenklasse, die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie, der Verhinderung von Streiks, dem klassischen Werkzeug des Klassenkampfs, verschrieben. Damit verhindern sie aber auch die Entwicklung von Klassenbewusstsein und von Solidarität untereinander, ungeachtet der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder Religion. Im Kampf entsteht einerseits Solidarität und verfestigt sich andererseits das Wissen über die Verantwortung des Gegenübers, der Kapitalistenklasse, des Staates, der Regierungen und der Parteien. Entwaffnet, zur Passivität verurteilt und ohnmächtig sind viele Menschen leichte Opfer für falsche Erklärungsmuster.
Hoch die Internationale Solidarität?
Dazu kommt, dass die SPÖ der rassistischen Propaganda nichts entgegenhält. Weder stellt sie sich prinzipiell gegen Rassismus, noch macht sie Gegenpropaganda. Selbst unter Andreas Babler hat die SPÖ ein Migrationspapier verfasst, das am Ende nach vielen schönen Worten vor allem ein Rezept für weniger Zuwanderung sein will. Sie kapituliert vor der Behauptung, wir leiden unter zu viel Migration. Es muss also doch stimmen: Die Ausländer sind schuld!
Gazakrieg
Die einseitige Unterstützung Israels und die Verteufelung des palästinensischen Widerstands ist ein weiterer Puzzlestein im Gesamtbild einer Bedrohung durch die islamische Welt oder durch die österreichische muslimische Bevölkerung. Wie stark die verzerrte Darstellung des Kriegs gegen die Palästinenser:innen als Stimmungsmacher gegen die muslimische Bevölkerung wirkt, kann nicht genug betont werden. Und nicht nur in diesem Punkt gibt es keinen Unschuldigen unter den Parlamentsparteien.
Am Ende profitiert nur eine Partei
Allerdings besteht ein gravierender Unterschied zwischen den Rechtsparteien ÖVP und FPÖ und dem Rest. Die beiden Rechtsparteien wollen und arbeiten an einem Rechtsruck, weil sie politisch davon profitieren, wenn Rassismus immer stärker wird. Nur sieht auch die ÖVP nicht, dass die FPÖ dabei ist, aus dem Rechtsruck etwas ganz anderes zu erschaffen – eine Straßenbewegung von gewaltbereiten und rassistischen, teils offen faschistischen Menschen, welche dieselbe Rolle spielen kann, wie einst die SA bei der Machtübernahme der NSDAP – der Vorläuferpartei der FPÖ.