Deutschnationale Burschenschaften: Rückgrat der FPÖ

Die deutschnationalen Burschenschaften sind nicht nur armselige Männerbanden, die gemeinsame Saufabende veranstalten und sich zum Spaß die Wangen aufschlitzen – sie bilden einflussreiche rechtsextreme Netzwerke, die versuchen ihr Ziel – die Herrschaft des „deutschen Volkes“ – mit allen Mitteln durchzusetzen. Von Straßenterrorismus, über Wiederbetätigung und Parteipolitik bleibt kein Weg unversucht – ihr politisches Instrument dafür im Parlament ist die FPÖ.
14. Oktober 2024 |

Gerade einmal zwei Tage vor der Nationalratswahl, am 27.09.2024 haben die FPÖ-Kandidaten einmal mehr ihr wahres Gesicht gezeigt: Faschismusverherrlichung im Kreis namhafter Rechtsextreme. Nicht zufällig wurde gerade bei der Beerdigung im Kreis der berüchtigt-rechtsextremen Burschenschaft Olympia die Hymne der Waffen-SS, „Wenn alle untreu werden“, gesungen. Geladene Gäste waren neben Identitären, auch die künftigen Nationalratsabgeordneten Harald Stefan (Olympia, Wiener Landesliste, Platz 3), Norbert Nemeth (pennale Burschenschaft Vandalia, Bundesliste, Platz 9) und Martin Graf (Olympia, Wiener Landesliste, Platz 3), gemeinsam mit dem Ibiza-Star Johann Gudenus. Walter Sucher, der verstorbene Olympe und ehemalige FPÖ-Politiker, hatte 2006 eine FPÖ-Parteitagrede mit den Worten begonnen: „Ich grüße euch alle mit einem kräftigen Heil!“

Ein weiterer Einzelfall von den inzwischen mehr als hundert, seit Kickl Parteiobmann ist? Weit mehr: Der Fall zeigt die zentrale ideologische, realpolitische und personelle Rolle, die rechtsextreme Burschenschaften in der FPÖ einnehmen, und dass sie eine Brücke zwischen Neonazis und -Faschisten in der außerparlamentarischen Rechten und der Parteipolitik bauen. Rechtsextremismusexperte Andreas Peham, vom Dokumentationsarchiev für österreichischen Widerstand, warnte am Anfang dieses Jahres: „Die Burschenschaften stellen das intellektuelle oder akademische Rückgrat der FPÖ und als solches waren sie insbesondere in Krisenzeiten immer sofort zur Stelle, wenn es darum ging, der FPÖ wieder aufzuhelfen. Sie dominieren die Partei auch ideologisch. Das drückt sich etwa in der Wiederaufnahme des Bekenntnisses zur deutschen Volksgemeinschaft ins Parteiprogramm der FPÖ aus. Ich würde sagen in keiner Phase der Geschichte der FPÖ war das Verhältnis zwischen Burschenschaften, oder allgemein deutschnationalen Verbindungen, und der Freiheitlichen Partei enger als in den letzten Jahren.“

Was heißt eigentlich deutschnational?

Deutschnationale wollen die Vereinigung Österreichs mit Deutschland, weil sie sich, aus einer rassischen Denkweise heraus, mit dem „deutschen Volk“ identifizieren und dieses wieder zur Herrschaft bringen wollen, wie es im Nationalsozialismus der Fall war. Beispielsweise bezeichnet die Gründungsschrift der Marko-Germania zu Pinkafeld, der auch Norbert Hofer angehört, Österreich als „geschichtswidrige Fiktion“. Der Dachverband Deutsche Burschenschaft, dem auch 20 österreichische Burschenschaften angehören, publizierte 2005 ein Handbuch, in dem es hieß, die europäischen Grenzen seien eine „einseitige Verletzung des Völkerrechts“, weil „keine freiwillige Abtrennung der deutschen Ostgebiete“ stattfand.

Die deutschnationalen Burschenschaften sind seit ihren Anfängen Geburtshelfer von unzähligen antisemitischen und rassistischen Gewalttaten. Schon auf dem zur „Gründerveranstaltung“ verklärten Wartburgfest von 1817 wurde ein Text verlesen, der dazu aufforderte, die „Juden mit Stumpf und Stiel auszurotten“. Auch Bücherverbrennungen fanden auf diesem Fest schon statt. Die allermeisten Burschenschaften sind dieser Denktradition treu geblieben und haben bis heute einen „Arier-Paragrafen“ in ihren Statuten verankert. Unter dem Tarnbegriff „Abstammungsprinzip“ ist festgelegt, dass nur Mitglied werden darf, wer die biologische Abstammung zum „deutschen Volk“ teilt: Jüd:innen, Sintizze und Romnja, sowie alle Menschen mit Migrationshintergrund, sind demnach auszuschließen – die Staatsbürgerschaft ist dafür nicht entscheidend. Burschenschafter fordern bis heute die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes gegen nationalsozialistische Widerbetätigung und kritisieren das Anschlussverbot Österreichs an Deutschland. So liest man etwa in der ehemaligen Zeitung des freiheitlichen Akademikerverbandes die AULA Sätze wie: „der gegenwärtige Masseneinmarsch der Fremden ist kein Zufall, sondern der Höhepunkt eines hundertjährigen Krieges gegen die deutsche Mitte Europas: Gebietsraub 1918 und Verbot der von unserem Parlament beschlossenen Vereinigung Österreichs mit Deutschland“ (Walter Marinovic, Die Aula 2/2016).

Wegbereiter des NS in Österreich

Friedrich Ludwig Jahn, der Gründer der Burschenschaften, war ausschlaggebend für die Entwicklung nationalsozialistischer Rassentheorie. Seine Bücher „Deutsches Volkstum“ und „Deutsche Turnkunst“ nahm Hitler sich als Vorlage für „Mein Kampf“.

Die deutschnationalen Burschenschaften in Österreich waren, nach Scharsach, aufgrund von Antisemitsmus und Deutschnationalismus „besonders anfällig für nationalsozialistische Propaganda“. In den 1920er Jahren verübten sie progromartige Überfälle auf jüdische und kommunistische Studierende an der Universität Wien.

Als im Austrofaschismus die NSDAP verboten wurde, betraf das auch unzählige Burschenschaften, die als Tarngruppen für die Nationalsozialisten agierten. Die Studien des Historikers Michael Gehler bestätigen, dass die überwiegende Mehrheit der Burschenschafter als illegale Nazis im Untergrund weiter aktiv blieb, bis 1938 ihre Zeit gekommen war. In etwa 80% der Burschenschafter wurden nach dem Anschluss NSDAP Mitglieder. Nach dem Krieg wurde diese Tradition nahtlos fortgesetzt.

Die Brutstätte des Rechtsextremismus

Burschenschaften sind nicht nur, wie Peham sagt, das ideologische Rückgrat der FPÖ, sie bilden die Kaderschmiede für alle rechtsextremen Bewegungen ins Österreich. Die schlimmsten Gewalttäter der 2. Republik, Brandstifter, politisch motivierte Mörder und Sprengstoffattentäter waren Burschenschafter mit Verbindungen zur FPÖ und Vorfeldorganisationen. Darunter befinden sich:
Norbert Burger (Olympia, Ring Freiheitlicher Studenten, innerer Kreis der Freiheitlichen Akademikerverbände): Gründer der nationalsozialistischen NDP und verurteilt für Sprengstoffterrorismus in Südtirol

Herbert Fritz (Olympia): ebenfalls beteiligt am Südtirol-Terror und NDP Gründungsmitglied, FPÖ-Politiker reisten letztes Jahr nach Afghanistan, um ihn dort aus dem Gefängnis zu befreien
Gottfried Küssel (Danubo Markomannia): Gründer der Neonazi-Organisation VAPO, war wegen Wiederbetätigung sechs Jahre in Haft, 1980 trat er in Reichenau als Gemeinderat für die FPÖ an
Gerd Honsik (Rugia Markomannia Wien, Ring freiheitlicher Studenten): Neonazi, der sich an Molotow-Anschlägen in Wien beteiligte, Funktionär der NDP, Vielfach verurteilt wegen Verhetzung und Wiederbetätigung

Franz Radl (Teutonia): Küssel-Vertrauter und redaktioneller Mitarbeiter der neonazistischen Website alpen-donau.info (Gruppierung heute aktiv als Gruppe für Sport und Technik). Die FPÖ hat Radl in einer Fürstenfelder FPÖ-Sitzung im Jänner 2009 mit Hitlergruß empfangen und versucht ihn zum Beitritt zu bewegen, jedoch war dieser nicht interessiert.

Burschenschaften fördern die Aktivitäten von Neonazi-Gruppierungen, so hat etwa die Burschenschaft Libertas, der auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz angehört, dem neonazistischen Bund Freier Jugend (BFJ) im Jahr 2008 einen Preis für „herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens“ verliehen.

Scharnier zu den Identitären

Auch die Kader der neofaschistischen Identitären Bewegung rekrutieren sich aus Burschenschaften, nicht zufällig sind es genau jene, die auch besonders starke Verbindungen zur FPÖ haben. Angehörige der SS-Lieder singenden Olympia sind etwa die Identitären Gernot Schmidt und Alexander Markovics. Olympia ist auch die ehemalige Burschenschaft von Martin Sellner. Sie zählt zu den rechtsradikalsten der Burschenschaften und wurde 1961 schon einmal behördlich aufgelöst, weil mehrere Mitglieder, darunter Burger und Fritz in den Bombenterror in Südtirol involviert waren. Die bekanntesten FPÖ-Politiker in ihren Reihen sind der ehemalige 3. Nationalratspräsident Martin Graf, Wiener Landtagsabgeordneter Dietbert Kowarik, sowie die Nationalratsabgeordneten Norbert Nemeth und Harald Stefan (2018 ausgetreten).
Nachdem Sellner aus der Olympia ausgetreten war, schloss er sich der FPÖ-nahen Sängerschaft Barden zu Wien an, der auch die Identitären-Kader Philipp Huemer, und Fabian Rusnjak angehören. Der ehemalige Vizebürgermeister von Wien, Dominik Nepp, war von 2006-2008 Schriftführer der Sängerschaft.
In Linz gilt die FPÖ-nahe Burschenschaft Arminia Czernowitz als Bindeglied zwischen Neonazis und Partei – über viele Jahre hinweg teilten sich Identitäre und Burschenschafter die Räumlichkeiten in der Villa Hagen. Diese gehört dem Verein Studentenheim Urfahr. Zu dem Zeitpunkt saßen mehrere lokale FP-Politiker (Wolfgang Grabmayr, Wolfgang und Anneliese Kitzmüller) im Vorstand.

In der Steiermark ist es die Arminia Graz, des FPÖ-Gemeinderates Heinrich Sickl, die Veranstaltungen der Identitären, hostet und IBÖ-Aktivisten zur Deutschtümelei ausbildet. Sickl ist ehemaliger Neonazi und einer der aktivsten Verbrüderer zwischen Identitären, Burschenschaften und FPÖ – außerdem ist er der Herausgeber der freiheitlichen Akademikerzeitschrift Freilich.

Parteiobmann Stellvertreter

Wie viel Macht, die Burschenschaften tatsächlich in der FPÖ haben, zeigt ein Blick auf die Bundesparteivorsitzenden. Bis auf eine Person haben sie alle klare Verbindungen ins deutschnationale Lager. Welch harte Nazis in der Burschenschaft Germania Wiener Neustadt aktiv sind, der Udo Landbauer angehört, offenbarte sich durch ein an die Öffentlichkeit gedrungenes Liederbuch. Diese Nazis singen tatsächlich: „Wir schaffen die siebte Million!“ Diese Männer sind stolz auf den von ihren Leuten verübten Holocaust und würden weiter töten – das sind die Burschenschaften. Manfred Haimbuchner ist bei Allemania zu Linz, die bereits seit 1889 keine Juden in ihren Verband aufnahm und deren bekanntestes Mitglied der 1930 verstorbene SA-Sturmführer Horst Wessel war. Die aktuelle Forderung im Wahlprogramm der FPÖ nach „Meldestellen für politisierende Lehrer“ geht auf Haimbuchner zurück – ein Vortrag über politischen Extremismus vor Maturaklassen, in dem auch die Burschenschaften erwähnt wurden, störte ihn so sehr, dass er eine online Plattform für rechte Spitzel vorstellte, die Schüler:innen dazu aufforderte „parteipolitische Beeinflussung“ durch Lehrer:innen anonym zu melden. Harald Stefan wiederum stammt aus der Identitären-Kader ausbildenden Burschenschaft Olympia. Auch Mario Kunasek nutze eine Burschenschaft als Schanier zur IBÖ – in der Burschenschaftsbude der Tauriska traf er 2015, wie ein Foto zeigt, das RFS- und Identitären-Mitglied Mario S. Marlene Svazek, die die Salzburger Partei anführt, ist selbst nicht Mitglied einer Mädelschaft – sie fühlte sich jedoch berufen den damals Listen-Sechsten und Burschenschafter der Gothia Salzburg, Reinhard Rebhandl, zu verteidigen, als dieser bei einem Turnevent in 2010 ein Transparent aus der NS-Zeit mit der Aufschrift „Rassereinheit“ gezeigt hatte.

Heimliche Machtergreifung

Hans Henning Scharsach beschreibt in seinem Buch „Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften“, dass die Partei in den 2000er-Jahren unter Strache von liberalen Patrioten und Opportunisten gesäubert wurde, und der radikale deutsch-nationale Flügel die Zügel noch fester in die Hand nahm. Binnen weniger Jahre hatten die Burschenschafter in alle wichtigen Parteigremien (Bundesparteivorsitzende, Bundesparteivorstand, Parlaments-Fraktion, Wiener Parteivorsitzende, Wiener Landesparteivorstand) eine überwiegende Mehrheit. Beispielsweise hatte der Burschenschafteranteil im Parlament unter Haider gerade einmal 11% betragen und vervierfachte sich unter Strache auf satte 47%. Noch bedeutender aber ist die eindeutige Dominanz der Burschenschafter in der Parteiführung: Ein 1998 in den Parteistuten verankertes Durchgriffsrecht der Führung auf alle Organisationen der FPÖ sichert die Macht; in der FPÖ gilt halt das Führerprinzip. Unter Norbert Hofer, (der keine Ausrede hat; er ist mit 37 Jahren bei Marko-Germania zu Pinkafeld eingetreten), konnten sich die Burschenschaften noch nachhaltiger im Parteiapparat verankern.

Nationalratswahl 2024

Allein unter den Kandidaten zur Nationalratswahl 2024 befanden sich 17 Kandidaten, über die bekannt ist, dass sie einer akademischen Burschenschaft oder anderen rechtsextremen akademischen Verbindungen angehören. Somit haben 6 von 20 Burschenschaften des Wiener Korporationsring (Oberösterreichische Germanen in Wien, Olympia, Nibelungia, Albia, Libertas, Teutonia) einen politischen Repräsentanten in der FPÖ auf Nationalratsebene. Aus den Ländern vertreten sind, aus Tirol: Brixia (Innsbruck), aus Oberösterreich: Scardonia (Schärding), Arminia Czernowitz (Linz), aus Kärnten: Tauriska (Klagenfurt), aus dem Burgenland: Marko Germania (Pinkafeld), aus der Steiermark: Teutonia, Vandalia (Graz) und Austria (Knittelfeld), ebenso Salzburg: Corps Frankonia Brünn (Salzburg). Es zeigt sich also: obwohl mit Kickl ein Nicht-Burschenschafter an der Spitze der Partei steht, bleibt ihre Macht über die Partei ungebrochen. Der Volkskanzler, der selbst nicht einmal zu dem von der FPÖ organisierten, jährlichen Akademikerball geht, und mit christlichen Slogans wirbt, gibt ihnen die notwendige Rückendeckung, ihren politischwen Einfluss weiter im Deckmantel demokratischer Parteipolitik auszuüben.