Die Opposition muss das Kopftuchverbot bekämpfen

Das geplante Kopftuchverbot in den Volksschulen ist purer Rassismus. Die Regierung, die in ihrer ersten größeren Krise steckt, versucht mit Islamfeindlichkeit ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen und befeuert gleichzeitig antisemitische Verschwörungstheorien. Die parlamentarische Opposition macht sich mitschuldig, wenn sie – wie SPÖ und NEOS – Bereitschaft zum Kopftuchverbot signalisiert.
11. Dezember 2018 |

Es wäre leicht, die Regierung in ernsthafte Schwierigkeiten zu stürzen, wenn die Bewegung in die sich auftuenden Kerben schlagen würde. Die antirassistische Bewegung in Vorarlberg macht es vor: Dort brachte man Kurz wegen seiner grauenhaften und mörderischen Deportationspolitik in Bedrängnis. Bei einem „Bürgerdialog“ konfrontierten wütende Besucher den Kanzler: „Wir gehen lieber auf die Straße demonstrieren, wenn Sie hier nicht reden wollen.“ Jeden Sonntag gibt es seither antirassistische Proteste in verschiedenen Orten Vorarlbergs.

Der Kampf gegen Rassismus muss tatsächlich aus der breiten Bewegung kommen, denn die parlamentarische Opposition hat eine riesige Schwäche im Umgang mit antimuslimischem Rassismus. Eine Schwäche, die die Regierung auszunutzen weiß. Politikwissenschafter Anton Pelinka hält den Gegnern der Regierung im Parlament zu Recht vor: „Neos und SPÖ erklärten sich gegenüber dem Kopftuchverbot zunächst einmal ‚gesprächsbereit‘, statt laut und deutlich darauf zu verweisen, dass diese Pläne der Regierung gegen Grundrechte verstoßen. “Und: „Die lahme Reaktion der parlamentarischen Opposition zeigt, dass dagegen nur die Proteste der Zivilgesellschaft helfen können.“

Opportunismus

Die groß hinausposaunte Bereitschaft der neuen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, über das Kopftuchverbot zu verhandeln, ist deshalb nicht nur schäbig, weil es sich bei der vorgeschlagenen Maßnahme offensichtlich um Rassismus gegenüber einer ohnehin schon ständig angegriffenen Minderheit handelt. Die Ankündigung ist unnötig und dumm, weil sie damit auf das Ablenkungsmanöver von Kurz und Strache reinfällt. Die Opposition muss die Schwachstellen der Regierung ausnutzen, die Bewegungen zusammenbringen und in Streiks hineintragen.

Es ist tatsächlich die erste größere Krise der Regierung: BVT-Affäre, Zwist um den Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt, Hickhack bei der Abschaffung der Notstandshilfe, Streit um Tempo 140 auf den Autobahnen. Kurz und Strache haben die Gefahr erkannt und spielen ihre Trumpfkarte aus: antimuslimischen Rassismus.

Ablenkungsmanöver

Wie die Salzburger Nachrichten richtig erkannt haben: „Immer, wenn der Hut brennt, schüttelt die Regierung eine politische Maßnahme aus dem Ärmel, von der sie ausgehen kann, dass die Zustimmung in der Bevölkerung groß ist. Im aktuellen Fall dient das Kopftuchverbot in Volksschulen als Ablenkungswaffe. Der Vorschlag kommt just in dem Moment, als der Kanzler in Vorarlberg wegen der Abschiebepolitik des Bundes in die Kritik gerät und der Vizekanzler alle Hände voll zu tun hat, seiner eigenen Klientel die geplante Abschaffung oder Nicht-Abschaffung der Notstandshilfe zu erklären.“

Das Kleinbeigeben der parlamentarischen Opposition bei Islamfeindlichkeit lässt zu, dass wieder offener Antisemitismus an die Oberfläche gespült wird. Angesprochen auf die von der FPÖ mitbefeuerte antisemitische Hasswelle gegen den jüdischen Milliardär und Holocaustüberlebenden, George Soros, meinte Faßmann: „Das muss man nicht alles zur Kenntnis nehmen, das sollte man ignorieren, weil es zu ignorieren ist.“

Zivilgesellschaftgefordert

Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus gehen Hand in Hand, die antisemitische Verschwörungstheorie um Soros phantasiert, dass er „Migrantenströme nach Europa“ unterstützen würde, um Europa zu „islamisieren“. Dafür gebe es „stichhaltige Gerüchte“, behauptete FPÖ-Klubchef Johann Gudenus. Im gleichen TV-Auftritt forderte Faßmann erneut eine „breite Diskussion“ um das Kopftuchverbot ein.

Um den Koalitionsfrieden zu wahren, schürt Faßmann nicht nur Islamfeindlichkeit, sondern er fördert auch das Wiedererstarken des klassisch europäischen Antisemitismus, wie er in den deutschnationalen Burschenschaften noch immer gepflegt wird. Er und seine ÖVP-Freunde in der Regierung wissen ganz genau, wofür ihr Gegenüber in der Regierung steht: in den Buden der Burschenschaften wird noch heute die Ermordung der „siebten Million“ Jüdinnen und Juden besungen. Es liegt an der Bewegung auf der Straße und in den Betrieben, den Rassismus der Regierung zu bekämpfen.