Pegida: Die Spitze des Eisbergs

Die rassistische und rechtsextreme Bewegung der „Europäischen Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) hat ihren Zenit vorerst überschritten, meint Wolfgang Purtscheller in einem Gastartikel für die "Neue Linswende".
1. Mai 2015 |

Außerhalb von Dresden konnten diese ultrarechten Zeitgeist-Surfer nirgendwo richtig Fuß fassen. Und auch in Dresden werden die Pegidisten immer weniger, was nicht zuletzt darauf zurück zu führen ist, dass sich das Ganze dann doch zusehends als allzu eindeutig rechtsextrem für die viel beschworene und erhoffte „schweigende Mehrheit“ entpuppt hat. Und es ist keineswegs zufällig, dass die neonazistische NPD seit neuestem zur Unterstützung von Pegida bei der anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Dresden aufruft.

Konkurrenz durch FPÖ

In Österreich war dieser Versuch, eine Allianz mit Teilen des Spießertums zu schmieden und so aus dem rein faschistischen Milieu auszubrechen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Die Themenfelder der Pegida sind längst schon von der FPÖ besetzt, egal ob es um Rassismus, Antiislamismus, dumpfbackigster Hurra-Patriotismus, Hetze gegen die „Lügenpresse“ und die szenetypischen Verschwörungstheorien mitsamt den damit untrennbar verbundenen paranoiden Wahnvorstellungen geht. Ausnahmsweise ist Heinz Christian Strache recht zu geben, wenn er zynisch vermeldet, dass die von Pegida strapazierten Themen längst von der FPÖ verinnerlicht und massenwirksam vertreten werden.

Fundis und Hooligans

So erwies sich der erste Versuch der Austro-Pegida, gestartet im Februar dieses Jahres, als eine Zusammenkunft der üblichen Verdächtigen: Fascho-Hooligans, Burschenschafter,„christliche“ Fundis aus der Lebensschützer-Szene, die Identitären und dazu einige altbekannte Hardcore-Nazis aus dem Küssel-Umfeld.

Aus dem angekündigten „Spaziergang“ durch die Wiener City wurde nichts, weil Antifaschist_innen die vorgesehene Route blockierten. Auch wenn es – wie die Pegidisten nachher behaupteten – insgesamt 300 Teilnehmer gewesen sein sollten, dann war es dennoch ein rein auf das rechtsextreme Kernpersonal beschränktes Event.

Rückzieher der Identitären

Es folgten Kundgebungen in Linz und Bregenz, aber die fielen noch kläglicher aus als der erste Versuch in Wien. Am 19. April kam es dann in Wien zu einer zweiten Kundgebung der mittlerweile heillos zerstrittenen Pegidisten. Diesmal waren nur mehr 120 Rechtsextremisten vor Ort, wieder kamen die Teilnehmer_innen ausschließlich aus den oben erwähnten Milieus.

Interessant war einzig, dass die Identitären (im Gegensatz zum ersten Anlauf) ihre Lamda-Wimpel und Transparente daheim gelassen hatten. Auch wenn einige Identitäre anwesend waren, so bedeutet dieser Verzicht auf die üblichen Devotionalien vor allem, dass selbst diese Kreise nicht allzu offen an den Dilettanten von Pegida anstreifen wollen.

Der Schoß ist fruchtbar noch…

Während die Perspektiven von Pegida in Deutschland und Österreich nicht mehr allzu rosig sind, so darf dieser schleichende Untergang – und die damit einhergehende weitere Reduzierung des „spazierengehenden“ Personals auf die klassische Fascho-Szene – keinesfalls mit dem Untergang des dort vertretenen Reservoirs an Ressentiments und blankem Hass verwechselt werden.

Im Gegenteil, wir erleben seit geraumer Zeit in ganz Europa eine Renaissance von rechtsextremem Gedankengut und somit auch eine enorme Stärkung rechtsextremer bis neonazistischer Organisationen.

Bürgerliche Mitte

Die Hemmschwellen für eindeutig rechtsextreme Postings in den Sozialen Medien ist gesunken, auf vielen Seiten regiert blindwütiger Hass.
Während die klassischen Feindbilder wie Jüd_innen, Journalist_innen, Linke weiter gepflegt werden, steht mittlerweile ein hysterischer Antiislamismus im Zentrum der Hass-Postings. War Thilo Sarrazin mit seinem rassistischen Machwerk Deutschland schafft sich ab ein Vordenker und Theoretiker dieser Strömungen, so stehen Pegida, Hogesa und nicht zuletzt auch Parteien wie Jobbik, Front National oder die FPÖ für die Praxis der von ihnen selbst geschürten Hassorgien.

Es ist diese von allen Rechtsextremisten strapazierte Verteidigung des Abendlandes, diese armselige, dumme Reaktion auf Globalisierung und Sozialabbau, welche die Normalos anfällig für die simplen Sprüche der rechten Rattenfänger macht. Pegida mag am Ende sein. Aber bürgerliche Parteien passen sich zusehends an die völkische, rassistische und autoritäre Unkultur im Lande an. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Pegida & Co ideologisches Gemeingut der Mitte werden – soweit sie es nicht schon sind.

Wolfgang Purtscheller spricht am antikapitalistischen „Kongress Marx is Muss“. Er ist ist antifaschistischer Buchautor („Aufbruch der Völkischen“„10 Briefe für 10 Jahre“). Weitere Infos: www.marxismuss.at
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.