Englische Lehrer erzwingen Lockdown

Boris Johnson ist von den Lehrer_innen dazu gezwungen worden, die Schließung der Schulen zu verlängern. Bei dem wahrscheinlich größten Treffen der Geschichte, mit 400.000 Teilnehmenden an einer Videokonferenz ihrer Gewerkschaft, haben sie damit gedroht, den gesamten Schulbetrieb lahmzulegen.
12. Januar 2021 |

Nach den Weihnachtsferien weigerten sich zusehends Lehrer_innen in die Schulen zurückzukehren, weil sie in der Corona-Pandemie zu den unsichersten Orten geworden sind. Boris Johnson hat das noch am 3. Jänner abgestritten: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Schulen sicher sind“, verteidigte er die Pläne zur Wiedereröffnung der Schulen. Dabei warnten die Wissenschafter seit Monaten, dass sich in keiner Gruppe das Virus schneller verbreitete als unter Schülern der Oberstufen, gefolgt von der Bevölkerungsgruppe „Schüler der Unterstufe.“ Sir Mark Walport, Teil der Sage-Gruppe von wissenschaftlichen Beratern der Regierung, warnte Anfang Jänner: „Wir wissen, dass die Übertragung innerhalb von Schulen stattfindet.“ Und: „Wir wissen, dass eine Person zwischen 12 und 16 Jahren siebenmal wahrscheinlicher als andere in einem Haushalt die Infektion in einen Haushalt einschleppt.”

Nun ist bekannt, dass die Infektion bei Jugendlichen seltener zu schweren Verläufen führt, aber das Lehrpersonal hält sich gemeinsam mit ihnen stundenlang in den viel zu kleinen und schlecht klimatisierten Räumen auf. Laut einer Studie aus Deutschland, waren Lehrer_innen während der ersten Covid-19-Welle die am stärksten betroffene Berufsgruppe.

„Wir müssen nicht darüber belehrt werden, wie wichtig Bildung ist“, sagte Mary Bousted, die Generalsekretärin der Bildungsgewerkschaft NEU, „aber indem die Regierung Schulen gegen ihren eigenen wissenschaftlichen Rat öffnet, verletzt sie ihre Schutzpflicht gegenüber den Kindern, ihren Familien und den Gemeinden.“ Die Regierung Johnson ist beim Thema Schulschließungen ihrer bisherigen Linie „Business first“ treu geblieben. Mittlerweile wurde sie von der Realität eingeholt. Der Londoner Bürgermeister warnte, dass noch im Jänner das Spitalswesen zusammenbrechen könnte. BBC 5 hat berichtet, dass zunehmend auch erkrankte Kinder in die Covid-19 Stationen füllen. Ende des Jahres 2020 wurde zunehmend befürchtet, dass eine neue Virusvariante B.1.1.1.7 die Lage noch zusätzlich verschärfen könnte.

Erfolgreicher Widerstand

Anna Gluckstein, Lehrerin an der Stoke Newington Schule in London, erzählte uns, wie es durch Basisinitiativen zu dem Massentreffen mit 400.000 Teilnehmenden und dem Durchbruch kam: „Wir hatten in unserer SWP (Socialist Workers Party)-Lehrerfraktion einen Streit darüber, ob wir in den Ferien ein Treffen abhalten sollten oder nicht, weil die Gesundheitskrise so groß, die Lehrer aber so erschöpft waren. Wir entschieden uns dranzubleiben.

Genoss_innen mit Gewerkschaftsfunktionen aus den Regionen, die am schlimmsten von der Pandemie betroffen waren, riefen zu einem Treffen nach Weihnachten auf. Wir alle nutzten soziale Medien, um das aufzubauen. 500 waren dabei. Aber 1000 weitere wären gerne dabei gewesen. Es waren auch Mitglieder des Gewerkschaftsvorstandes da. Dieses beeindruckende Treffen half dem Selbstvertrauen der Gewerkschaftsführung auf die Sprünge. Zusammen mit Wissenschaftern forderten sie das Lehrpersonal auf, den Abschnitt 44 des Gesundheits- und Sicherheitsgesetzes zu nutzen. Das besagt, dass man den Arbeitsplatz nicht betreten muss, wenn man sich nicht sicher fühlt. Tausende von Lehrern reichten diesen Abschnitt 44 ein. An dem Nachmittag, an dem der jüngste Lockdown angekündigt wurde, am 4. Januar, sagte das Bildungsministerium noch, die Grundschulen seien sicher und würden geöffnet bleiben. Aber weil so viele Grundschulen durch die Aktion der Lehrer geschlossen wurden, wäre Johnson schlecht dagestanden, als ein Premierminister der die Kontrolle verloren hat. Also wurden alle Schulen, Unter- und Oberstufenklassen geschlossen.

Seit Beginn der Initiative der NEU (National Education Union) sind der Gewerkschaft 20.000 Lehrerinnen und Lehrern beigetreten. Man sieht an diesem Beispiel, wie Initiativen von unten, von den Arbeiter_innen und Betroffenen, uns vor der kriminellen Dummheit unserer Regierungen schützen können.