Gewerkschaft muss Muskeln trainieren
So kämpferisch, wie im Zitat oben, gibt sich der ÖGB hinsichtlich all der Beschneidungen der Arbeitsrechte durch die ÖVP-FPÖ-Regierung. Selbst gemeinsame Streiks aller Gewerkschaften seien nicht mehr ausgeschlossen, sagte der ÖGB-Vorsitzende Wolfgang Katzian.
Gemeinsame Streiks, also Generalstreiks, wären für Österreichs Arbeiter_innenklasse eine riesige Wohltat.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sie sich in Zurückhaltung geübt, um es freundlich zu formulieren. Im Falle von Streiks gäbe es viel über die eigenen Stärken und Schwächen zu lernen – und über die des Gegners.
Die Theorie ist bekannt
Im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) waren am 31. Dezember 2016 in den sieben Teilgewerkschaften über 1,2 Millionen registriert. Mit 35,8 % wies der ÖGB den größten Frauenanteil in seiner 70-jährigen Geschichte auf. Auf T-Shirts der größten Teilgewerkschaft, GPA-djp, steht zu Recht „Ohne meine Hände keine Dividende“.
Alle Formen von zivilem Ungehorsam, Demonstrationen und Besetzungen sind gut und wichtig. Aber nichts ist so effektiv wie ein entschlossener, kollektiver Streik! Sind die Bosse wegen der Arbeitsverweigerung von ihren Profiten abgeschnitten, ist das ihr größter Albtraum.
Einheit in der Vielfalt
Solidarität ist ein zentrales und unverzichtbares Element des organisierten Kampfes. Es ist kein Zufall, dass die Regierung ständig gegen Flüchtlinge, Muslime und Andersdenkende hetzt. Nach dem Motto „Teile und Herrsche“ versuchen die Herrschenden, Solidarität zu zerstören. Wir müssen daher offen gegen Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen auftreten und gleiche Rechte für alle fordern.
Nur eine starke, geeinte Klasse kann sich gut wehren und die Regierung zu Sturz bringen. Die 3,5 Millionen Lohnabhängigen im Land haben eine ungeheure Vielfalt an Einstellungen und Erfahrungen. Es gibt reaktionäre, bürgerliche, liberale Ideen – auch in der organisierten Arbeiter_innenbewegung– welche das Kräfteverhältnis zu Ungunsten von Frauen, Arbeitslosen, Migrant_innen und Flüchtlingen verschieben und letztlich die Arbeiterklasse als Ganzes schwächen.
Linke dürfen daher die politischen und ideologischen Fragen nicht hintenanstellen und sich aus falsch verstandenem Klassenverständnis nur auf Arbeitsbedingungen usw. fokussieren. Und Bewegungen gegen Diskriminierung etc. müssen versuchen, sich mit den Organisationen der Lohnabhängigen zu vernetzen.
In Österreich hat die Arbeiter_innenbewegung seit vielen Jahren kaum Kampferfahrung. Solche eignet man sich nur in der Praxis an, die Gewerkschaften müssen alleine schon deshalb streiken, um fit zu werden. Der schlafende Riese muss nach all den Jahren der gemütlichen Sozialpartnerschaft aufwachen und seine Muskeln trainieren.
Geschichte wird gemacht
1968 ist ein Musterbeispiel dafür, wie schnell sich Arbeiter_innen radikalisieren können. Kurz bevor der bis dato größte Streik der Geschichte ausbrach, übten sich die führenden linken Intellektuellen in Pessimismus: André Gorz, ein französischer Sozialphilosoph, schrieb Anfang 1968, dass es „in absehbarer Zukunft keine so dramatische Krise des europäischen Kapitalismus geben wird, die Massen von Arbeitern in revolutionäre Generalstreiks treiben können“.
Anfang Mai war jedoch massive Polizeigewalt und der Widerstand dagegen durch Studierende der Anlass für den Massenstreik. Die Gewerkschaftsdachverbände beschlossen einen solidarischen 24-stündigen Generalstreik. Doch die Bewegung entfaltete ihre eigene Dynamik.
Am nächsten Tag entschieden 2.000 Arbeiter_innen der Flugzeugfabrik Sud-Aviation bei Nantes, dass eine eintägige Aktion nicht ausreiche und traten in einen unbefristeten Streik. Sie besetzten die Fabrik und sperrten die Werkdirektion in ihre Büros ein. Am Folgetag waren schon 100.000 Arbeiter_innen in Frankreich im Besetzungsstreik und Ende Mai standen zehn Millionen im Generalstreik.
Arbeiterklasse ins Zentrum
Die Wirtschaft lag wochenlang lahm und die Polizei war machtlos. Präsident de Gaulle flüchtete nach Deutschland. Leider würgte die damals noch einflussreiche Kommunistische Partei den Streik Anfang Juni ab, nachdem Regierung und Kapital einige Zugeständnisse gemacht hatten. Für Rechte ist die 68er-Bewegung mit all ihren Errungenschaften bis heute ein Schreckgespenst. Gegen die konservativ-neofaschistischen Attacken brauchen wir eine starke linke Bewegung mit Klarheit über die zentrale Rolle der organisierten Arbeiterklasse.