Greta hat Recht! Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land
Der staatliche Konkurrenzkampf um Einflusszonen und Rohstoffe ist der Hauptmotor für die ungezügelte kapitalistische Expansion, die die Klimazerstörung verursacht. Mit der Schaffung von Absatzmärkten und Produktionszentren in den globalen Peripherien „exportiert“ der Westen die umweltfeindlichen Folgen der kapitalistischen Überproduktion. Ihre Machtkämpfe tragen die imperialen Machtblöcke auf fremden Boden aus: Zerstörerische Kriege und ökologisches Chaos sind das Ergebnis. Militärische Einrichtungen stoßen weltweit mit etwa 5,5 Prozent aller Emissionen in etwa gleich viele Treibhausgasemissionen aus, wie der gesamte globale Flugverkehr. Allein die US-Streitkräfte haben mit 42 Tonnen CO2 Äquivalent pro Mitarbeiter:in, höhere Pro-Kopf-Emissionen als jede Nation. Dazu kommen die ökologischen Kosten für Wiederaufbau von zerstörtem Land, sowie die horrenden Auswirkungen von Kriegen auf Grundwasser, Bodenbeschaffenheit und Fauna.
Die Klimasünde im Nahen Osten
Am Beispiel Palästinas sind die Umweltschäden durch Krieg deutlich sichtbar. Sich bergeweise zersetzende Leichen und mangelnde Wasserversorgung kontaminieren das Grundwasser: Eine tickende Zeitbombe für die rapide Verbreitung tödlicher Krankheiten wie Cholera. Allein im Oktober war Gaza gezwungen wegen der Energieknappheit durch Israels Treibstoffblockade 130.000 Kubikmeter unbehandeltes Abwasser direkt ins Meer zu leiten. Das verursachte über ein Viertel der Krankheitsfälle und war ein massiver Faktor in der hohen Kindersterblichkeit. Die Zerstörung der sanitären Infrastruktur birgt auch ein signifikant erhöhtes Überflutungsrisiko, so die Erkenntnis des Conflict and Environment Observatory. Die Initiative Accounting of War stellte nach den ersten sechs Kriegswochen eine Hochrechnung an, die ergab, dass alleine der Wiederaufbau der in dieser Zeitspanne zerstörten Gebäude 5.8 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen für Materialproduktion und Konstruktionsarbeiten benötigen würden. Zudem ist die Region überdurchschnittlich von klimatischen Veränderungen betroffen. Die Temperatursteigerungen in der Region werden auf +4 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts geschätzt, ein Report der Zeitung Haaretz kommt zu dem Ergebnis, dass es einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu einem Meter geben wird.
Klimagerechtigkeit und Antirassismus
Klimagerechtigkeit wie von Greta gefordert, beinhaltet vor allem auch eine Willkommenskultur gegenüber den zahlreichen Flüchtlingen, die in den kommenden Jahren auf Grund der Klimaveränderungen zur Flucht gezwungen werden. Laut der Prognose der Weltbank könnten es bis 2050 143 Millionen Menschen sein. Wir sehen jetzt schon einen schonungslosen Umgang unserer Regierungen mit dieser Personengruppe, inklusive Mord im Mittelmeer. Das wird sich mit den steigenden Zahlen nur verschärfen. Ob und wie solche Gewalt verhindert werden kann, hängt ganz stark davon ab, welche rassistische Sentiments sich in der Bevölkerung festsetzen – und dafür ist Palästina der Präzedenzfall. Die Palästineser:innen, die rechtmäßig gegen den Krieg in ihrem Land protestieren, werden in den Medien als terrorverherrlichender Mob degradiert. Diese Rhetorik fügt sich nahtlos in das Bild der kulturfremden Barbaren, dass der Westen spätestens seit dem „Krieg gegen den Terror“ von der gesamten arabischen Welt entworfen hat. Es wird auch jeder und jede, die sich mit ihnen solidarisiert, von Greta Thunberg bis Elke Kahr, in der Öffentlichkeit als antisemitisch gebrandmarkt. Im Nahostkonflikt werden tausende Leichen in im Namen der „rechtmäßigen Landesselbstverteidigung“ in Kauf genommen oder gar entschuldigt. Wie dieser Diskurs jetzt geführt wird und ob ein Menschenleben wirklich immer gleich viel wert ist, wird die öffentliche Haltung maßgeblich beeinflussen, wenn es künftig im Kontext der Klimamigration die Grenzen Europas sind, die es zu verteidigen gilt.
Die liberalen Klimalügen:
Die Liberalen Kräfte reagieren vor allem deswegen so verschnupft auf ein Plüschtier im Hintergrund eines Instagram-Postings von Greta, weil die Politisierung der Klimabewegung eine echte Gefahr für ihre Überzeugungen darstellt. Ihre Politik, die sie anstelle eines notwendig-radikalen Klimaaktivismus verfolgen, wird von Greta als wirkungslos bloßgestellt.
- Gewaltfreiheit: Mit ihrer Aussage erkennt Greta an, dass sowohl der Nahostkonflikt als auch die Klimakatastrophe das Resultat einer brutalen, auf Imperialismus beruhenden Weltordnung sind. Der Kampf um Ressourcen und Macht wird schonungslos auf Kosten von Mensch und Natur geführt. Wir haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht dieser Gewaltätigkeit mit allen Mitteln entgegenzutreten.
- Individuelle Verantwortung: Viele von jenen die sich gerade über Greta Thunberg echauffieren, weil sie es gewagt hat, öffentlich einen Genozid zu verurteilen, würden die Klimakatastrophe am liebsten am Supermarktregal „besiegen“. Die Verwobenheit von Klimakatastrophe, imperialistische Ausbeutung und Kriegen im globalen profitgetriebenen Kapitalismus passt nicht ganz zu der Erzählung, ein jeder habe durch die richtigen (Kauf)entscheidungen und brave Mülltrennung sein Klimapäckchen zu tragen.
- Klimawandel von oben: Eine Solidarisierung der Klimabewegung mit den Opfern des Krieges in Gaza ist natürlich, wenn man die Klimabewegung als Kampf unserer Klasseninteressen gegen Unterdrückung und Ausbeutung versteht. Glaubt man hingegen Kapitalinteressen mit der Klimabewegung harmonisieren zu können, wirkt ein Schulterschluss mit Unterdrückten fern. Gretas Kritiker:innen solidarisieren sich mit den USA und mit Israel. Der Fall Greta wurde damit zu einem Richtungsstreit über das Selbstverständnis der Klimabewegung. Die Vertreter der internationalen Klimabewegung können sich entscheiden, ob sie eine konfrontative Bewegung wollen, die den Klimawandel als Strukturproblem begreift und die Interessen unserer Klasse und aller Unterdrückten vertritt – oder ob sie sich aus der Angst heraus, diejenigen zu verlieren, denen eine radikale Wende sowieso nicht genehm ist, distanzieren. Greta und der mutige Flügel der Klimabewegung werden dann aber auf sie pfeifen: Wir wissen schließlich, für wen wir kämpfen.