Showdown in Griechenland: Konzessionen oder Bruch mit der Sparpolitik?

Die EU zwingt Griechenland die Fortsetzung des katastrophalen Sparprogramms auf. Syrizas Arrangement mit der „Union der Banken und Konzerne“ stößt dabei auf Widerstand.
21. Juni 2015 |

Griechenland muss am 30. Juni 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Gleichzeitig stellen Schäuble und Co. umfassende Kürzungen als Bedingung für weitere „Hilfszahlungen“. „Die EU und der IWF drängen Griechenland näher an den Bankrott, wenn sie die 7,2 Milliarden Euro des Hilfsfonds zurückhalten, um ihre „Reformen“ zu erzwingen“, meint Panos Garganas, Redakteur der griechischen Zeitschrift „Arbeitersolidarität“.

„Es geht nicht nur darum, ob die Regierung sich mit der EU einigen kann. Das letzte Wort werden die Menschen auf der Straße sprechen.“

(Panos Garganas)

Als die neue Regierung unter Führung von Syriza antrat, schnitt die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Banken von Liquidität ab. Das sei der Versuch, die griechische Regierung zu strangulieren, meint Robert Misik treffenderweise in seinem Videoblog auf derstandard.at (Folge 390). Eine derartige EZB-Politik habe schon Berlusconi 2011 aus dem Amt geputscht und Tür und Tor für eine Technokraten-Regierung geöffnet, die niemand gewählt hat.

Illusionen in Syriza

Bereits der Deal im Februar, unterschrieben vom griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, beinhaltet die Schuldenrückzahlung. Neoliberale Umstrukturierungen werden nicht aufgegeben, wohl aber von Syriza im Wahlkampf versprochene Reformen. Die Regierung kratzt alles Geld für Rückzahlungen zusammen. Parteichef Alexis Tsipras erhofft sich im Gegenzug die Austerität ein wenig zurückschrauben zu dürfen.

Stunde der Wahrheit für Syriza?

Stunde der Wahrheit für Syriza?

Hinter den Konzessionen an die „Troika“ (EU, IWF, EZB) von heute steckt die Hoffnung auf bessere kapitalistische Entwicklung morgen, also eine fiskalische „Verschnaufpause“. Man will die Geldflüsse in das griechische Bankensystem aufrechterhalten und hofft, dass sich die Wirtschaft in der Eurozone erholt und Griechenland durch Exporte und Auslandsinvestitionen von diesem Aufschwung profitieren kann. Doch die Austeritätspolitik wird die Krise weiter vertiefen. Diese Strategie bringt mit sich, dass normale Menschen in Griechenland weiter leiden werden – sie bekommen ihre Einkommen, Jobs, Schulen und Krankenhäuser nicht zurück.

Die Griech_innen haben unter Kürzungen im Ausmaß von 20% der potenziellen Wirtschaftsleistung seit 2009 zu leiden, der Mindestlohn wurde um 20% gekürzt. Aber all diese Maßnahmen haben die Schuldenquote Griechenlands nicht verringert – im Gegenteil: Mit 175% der Wirtschaftsleistung liegt sie heute höher als noch vor den Troika-Maßnahmen 2010.

Troika beraubt Griechenland

Etwa 90% der Troika-Kredite kamen nie bei den Griech_innen an, sondern bei französischen und deutschen Banken und US-amerikanischen Hedgefonds, die griechische Anleihen hielten und ihre Renditen verlangten.

In einer ARTE-Reportage zeigt Nicolas Jaillard wie Deutschland und Frankreich Griechenland zwangen, Rüstungsgüter, wie zwei deutsche U-Boote für 175 Milliarden Euro, zu kaufen. Außerdem kostete die Korruption des deutschen Konzerns Siemens die Griech_innen rund zwei Milliarden Euro. Der dafür verantwortliche Chef von Siemens Griechenland ist nach Deutschland geflohen – Berlin verweigert seither seine Auslieferung nach Griechenland. Ebenso verweigern sie, die Liste mit bestochenen griechischen Politikern auszuhändigen.

Trifonas Alexiadis, Vorsitzender des Verbands der Steuerfahnder, betont, dass die Troika zugelassen habe, dass Großunternehmen – vor allem ausländische – keine Steuern zahlten. Mercedes und BMW haben Neuwagen zu Gebrauchtwagenpreisen deklariert um Steuern zu hinterziehen – 200 bis 600 Millionen Euro sind so dem griechischen Staat entgangen. Unbezahlte Steuern machten im ersten Quartal dieses Jahres 3,5 Milliarden Euro aus – Tendenz steigend, dank der Troika. Jeder neue Deal ohne Schuldenschnitt mit den EU-„Institutionen“ wird den Schuldenberg nicht reduzieren. Griechenland kann diese enormen Beträge niemals zurückzahlen. Dies zu erwarten ist aberwitzig!

Alternativen

Die EU-Eliten beharren vehement auf ihrem neoliberalen Sparprogramm und behaupten, dies wäre „alternativlos“. Das Letzte, was sie wollen, ist eine erfolgreiche linke Politik in Griechenland, die für Menschen in anderen Krisenländern Vorbildwirkung hat. Außerdem sind die Herrschenden darauf aus, den griechischen Kapitalismus zu retten, nicht die griechischen Haushaltseinkommen.

Grexit: Chance oder Bedrohung?

Grexit: Chance oder Bedrohung?

Der Kapitalismus kann nicht reformiert werden, damit er dauerhaft den Bedürfnissen der Menschen dient. Wichtig ist ein Bruch mit dem System Kapitalismus, nicht nur mit dem Euro. Letzteres wird vermutlich aus Ersterem folgen, aber Ersteres folgt nicht aus Letzterem! Und die Griech_innen können den Kampf, die kapitalistische Logik zu überwinden, auf sich allein gestellt nicht gewinnen.

Sollte die Regierung Syrizas einem Deal zustimmen, der die Austerität fortsetzt, wird sie mit Protesten konfrontiert. Garganas erinnert, dass das auch die Vorgängerregierung zu Fall gebracht hat: „Es geht nicht nur darum, ob die Regierung sich mit der EU einigen kann. Das letzte Wort werden die Menschen auf der Straße sprechen.“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.