Indien: Unglaubliche 180 Millionen Beschäftigte im Streik
Zehn Gewerkschaftsverbände hatten die Beschäftigten am 2. September zum Streik aufgerufen. Die Gewerkschaften hatten einen Katalog mit zwölf Forderungen aufgestellt, darunter einer Erhöhung des monatlichen Mindestlohns auf 18.000 Rupien (243 Euro), der Einführung einer Mindestrente vom 3.000 Rupien (40 Euro), Preiskontrollen und einem Stopp der Privatisierungen. Der indische Ministerpräsident Narendra Modi hatte nach dem Wahlsieg seiner hindunationalistischen BJP-Partei 2014 umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen in bisher staatlichen Unternehmen eingeleitet.
Um den Generalstreik abzuwenden, hatte die Regierung im Vorfeld Konzessionsbereitschaft signalisiert und eine geringe Erhöhung des Mindestlohnes und zweijährige Bonuszahlungen für die öffentlich Beschäftigten angeboten. Diese Zugeständnisse reichten den Gewerkschaften aber nicht aus.
Streik trifft Wirtschaft in Indien
Wie Al Jazeera berichtet hat, erfasste der Streik vor allem die Beschäftigten bei Banken, Post und öffentlichen Verkehrsunternehmen, außerdem Lehrer, Bau- und Mienenarbeiter. Die von den Gewerkschaften verkündete Zahl von bis zu 180 Millionen Streikenden ließe sich aber nicht unabhängig überprüfen.
Laut Guardian wurde ein wirtschaftlicher Schaden von etwa zwei Milliarden britischen Pfund angerichtet. Die Beteiligung an dem Streik fiel nach Medienberichten regional sehr unterschiedlich aus. Während das Leben in Großstädten wie Dehli und Mumbai relativ normal weiter lief, waren neben den Bundesstaaten Telangana und Odisha vor allem die traditionellen linken Hochburgen Tripura und Kerala betroffen. Dort hatte im Mai die von der kommunistischen CPI(M) angeführte Linksfront die Wahlen gewonnen. Der Ministerpräsident von Kerala, Pinarayi Vijayan, hatte auf Facebook zu einer Teilnahme an dem Generalstreik aufgerufen, was ihm scharfe Kritik Seitens der regierenden BJP einbrachte.
Linke unterstützen Proteste
Das Zentralkomitee der ebenfalls der indischen Linksfront angeschlossenen CPI, der zweitstärksten kommunistische Partei des Landes, gratulierte den Beschäftigten zum bisher „erfolgreichsten gesamtindischen Generalstreik überhaupt“. Er sei noch größer ausgefallen als der Generalstreik im September 2015 mit damals 150 Millionen Streikenden. „Die Regierung muss endlich begreifen, dass der Human Developement Index für die Menschen wichtiger ist, als das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. Weitere stürmische Kämpfe werden folgen, wenn die Regierung ihre Politik nicht endlich ändert!“
Jayati Ghosh, Professorin für Entwicklungsökonomie an der Jawaharlal Nehru Universität in Delhi, erklärte gegenüber dem Guardian, dass Modis Politik an eine bereits 25-jährige neoliberale Politik auf Kosten der Arbeiter anknüpft: „Weniger als vier Prozent der Arbeiter in Indien haben überhaupt einen echten Arbeitsschutz, und selbst der erodiert immer mehr. Es gibt ein weit verbreitetes Gefühl, dass die Regierung, anstatt die Reichen zur Kasse zu bitten, immer nur die Armen angreift und immer weniger Mittel für die essentielle öffentliche Daseinsvorsorge zur Verfügung stellt.“ Beschäftigte im Gesundheitswesen hätten in einigen Bundesstaaten seit Monaten keine Löhne bekommen, und die Regierung würde private Unternehmen aktiv ermuntern, gegen gewerkschaftliche Organisierungsarbeit vorzugehen.
Auch der linke Gewerkschaftsverband New Trade Union Initiative (NTUI) schätzte den Generalstreik als erfolgreich ein. Er hätte die „scharfe Opposition der Arbeiterklasse zur Politik der systematischen Verletzung der Rechte der Arbeiter durch die Regierung“ zum Ausdruck gebracht. Zugleich sei er auch eine Antwort auf die monatelangen Angriffe der Regierung auf Studierende, die unterdrückten Kasten und insbesondere die Daliten, auf Frauen und Minderheiten und die Lebensbedingungen der Arbeiter, darunter auch den Land- und Waldarbeitern, gewesen. „Insbesondere begrüßen wir den Mut von Arbeitern aus der Privatwirtschaft und prekär Beschäftigten ohne Arbeitsvertrag oder mit befristeten Verträgen, die sich dennoch dem Streik anschlossen.“
Der Artikel ist zuerst auf marx21 erschienen.