Jojo Rabbit: Messerscharfer Humor gegen Nazis
Der zehnjährige Johannes Betzler (Roman Griffin Davis) hat es nicht leicht. Der Junge wächst im Dritten Reich bei seiner alleinerziehenden Mutter (Scarlett Johansson) auf. Er ist ein Außenseiter, ein wenig ängstlicher und passt daher nicht in das Gefüge der örtlichen Hitlerjugendgruppe. Nach einer gescheiterten Mutprobe, bei der er es nicht über sein Kinderherz brachte, einem Hasen das Genick zu brechen, holt er sich den spöttischen Spitznamen Jojo Rabbit, Hasenfuß, ein.
Dabei versucht er doch alles, um der perfekte kleine Nazi zu sein, trägt stolz seine Uniform, übt sich als zukünftiger Soldat und tapeziert sein Zimmer mit NS-Propagandaplakaten zu, als wären es Poster von Sportleridolen. Der einzige Verbündete an seiner Seite ist sein imaginärer Freund Hitler (Taika Waititi), der mit seiner übertriebenen, schon fast ulkigen Art für einige Lacher sorgt („heil me, man“).
Jojos krude Überzeugungen und sein Fanatismus geraten jedoch ins Wanken, als er das jüdische Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie) entdeckt, das von seiner Mutter zu Hause versteckt wird. Plötzlich steckt er in einer ideologischen Zwickmühle, will er seiner Mutter doch keinen Ärger machen. Und irgendwie wirkt Elsa doch ziemlich menschlich, so wie Jojo.
Ein unarischer Hitler
„Jojo Rabbit“ ist nicht der erste Film, in dem Taika Waititi sowohl als Regisseur als auch als Schauspieler brilliert. Seinen durchgeknallten Humor durfte man unter anderem schon in der Mockumentary „5 Zimmer Küche Sarg“ genießen, in der er von einer chaotischen Vampir-WG erzählt. Sein aktueller Film hätte auch von keinem anderen gedreht werden können, denn wer wäre besser dazu in der Lage, Hitler so beleidigend zu portraitieren, als ein jüdischer Neuseeländer mit polynesischen Wurzeln?
Für „Jojo Rabbit“ ließ er sich lose von Christine Leunens Roman „Caging Skies“ inspirieren, gemeinsam haben Film und Buch jedoch wenig. Stattdessen nutzte Waititi das Setup, um seine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Dabei ist dieser Film nicht der einzige, der Humor nutzt, um Hitler und Nazis fertigzumachen, von Charlie Chaplins „Der große Diktator“ bis Mel Brooks „Frühling für Hitler“. Der imaginäre Hitler verhält sich kindisch, verspeist gerne Einhörner zum Abendbrot und erteilt an Jojo eher schlechte als rechte Ratschläge.
Auch die anderen Nazis kriegen ihr Fett weg. Sei es zum Beispiel der kriegsinvalide Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell), der ständig an seinem Flachmann hängt. Anstatt an vorderster Front zu kämpfen, wurde er dazu degradiert, eine Hitlerjugendgruppe zu beaufsichtigen, damit sie sich nicht gegenseitig mit ihren Fahrtenmessern verstümmeln. Oder sei es das fanatische Fräulein Rahm (Rebel Wilson), die in die begeisterte Kindermenge kreischt, wer denn Lust darauf hätte, ein paar Bücher zu verbrennen.
Pointierter Humor
Anders als der Trailer vielleicht vermuten lässt, ist „Jojo Rabbit“ kein quirliges Durcheinander an Gags. Waititi setzt den slapstickhaften bis rabenschwarzen Humor pointiert ein. So bringt er das Publikum schnell zum Lachen, bevor er es mit einem umso ernsteren, tragischen Moment überrollt. Dazu gehören skurrile Szenen, in denen sich eine Gruppe untereinander gefühlte 30 Mal mit „Heil Hitler“ begrüßt, die aber schlagartig beklemmend wird, sobald die Gestapo erscheint und der drohende Tod um die Ecke lauert.
Auch die Filmmusik sorgt für eine ambivalente Stimmung, wenn der deutsche Beatles-Hit „Komm gib mir deine Hand“ ertönt, während man abwechselnd sieht, wie Jojo übermütig und fröhlich durch die Gassen seiner Heimatstadt stürmt, und wie hysterische Massen in Schwarzweiß-Aufnahmen ihre Hände in Richtung Führer erheben. Führerkult trifft Beatlemania. Auch mit der deutschsprachigen Version von David Bowies „Heroes“ überzeugt der Soundtrack.
Coming-of-Age
Gleichzeitig ist „Jojo Rabbit“ eine berührende Coming-of-Age-Geschichte, in der Jojo langsam lernen muss, seine verblendeten antisemitischen Ideen zu hinterfragen, da die 15-jährige Elsa wenig mit den blutsaugenden Gruselgestalten gemeinsam hat, als die er sich jüdische Menschen bisher vorgestellt hat. Aus der feindlichen Jüdin, die bei ihrem ersten Auftritt noch wie eine Horrorfigur aus ihrem Versteck kriecht, wird eine heranwachsende Frau, die Rilke verehrt und davon träumt, ihren Verlobten, einen Widerstandskämpfer, in Paris zu heiraten.
Elsa ist alles andere als schwächlich, sondern zeigt immer wieder Stärke, die vielen jüdischen Menschen half, die Gräuel der NS-Zeit zu überstehen. Stolz spricht sie von sich als Teil eines Volkes, das schon mit Engeln gerungen und Riesen bezwungen hat und sich daher nicht von einem Clown mit lächerlichem Schnauzbart besiegen lassen wird. Sie macht dem Jungen klar, dass er kein überzeugter, ideologisch gefestigter Nazi ist. Er ist lediglich ein einsamer Junge, der gerne eine „schicke“ Uniform trägt, um sich als Teil einer Gruppe zu fühlen, und in Hitler eine Art Ersatz für seinen abwesenden Vater gesucht hat.
„Jojo Rabbit“ ist ein provokanter Film, der aneckt, besonders bezogen auf die Frage, ob man denn überhaupt über das düsterste Kapitel der Menschheitsgeschichte scherzen kann, ohne dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Man kann, auch wenn das größere Problem in Bezug auf moderne Faschisten das Gegenteil ist, sie werden nicht als die Bedrohung wahrgenommen, die sie darstellen.