Köln: Kampf gegen sexuelle Gewalt und gegen Rassismus gehören zusammen
In der Silvesternacht wurden Frauen beim Kölner Hauptbahnhof sexuell belästigt, begrapscht und ausgeraubt. Mittlerweile liegen mehr als 100 Anzeigen vor, darunter eine wegen Vergewaltigung. Die Täter organisierten sich in Gruppen von drei bis 20 Personen, umzingelten und belästigten Frauen auf dem Bahnhofsvorplatz, wo etwa 1.000 Menschen feierten. Diese sexuellen Attacken auf Frauen sind, wie jede Form von sexueller Gewalt, klar abzulehnen. Die Polizei berichtete, dass es sich um „nordafrikanisch“ und „arabisch“ aussehende Männer handle, was die Rechte als Anlass nahm, sich als die Retter der Frauen aufzuspielen und ihrerseits die Verunsicherung und Empörung für die Verbreitung ihrer rassistischen Hetzte gegen Flüchtlinge und Muslime zu nutzen.
Was passiert ist, gehört nicht nur vor Gericht, sondern als sexuelle Gewalt an Frauen klar verurteilt. Den Betroffenen muss eine Stimme gegeben werden, die sexuellen Übergriffe dürfen nicht einfach als „Verschwörung“ von Rechten abgetan werden. Die betroffenen Frauen müssen sich nicht dafür rechtfertigen, weil sie den Mut aufgebracht haben, zur Polizei zu gehen, oder warum sie es erst „einige Tage später“ machen. Sie müssen nicht erklären, warum sie sich sexuell belästigt gefühlt haben. Die Betroffenen verdienen unsere volle Unterstützung.
Rassistische Motivation
Gleichzeitig müssen wir uns im Klaren sein, dass die Vorgänge in Köln und anderen Städten kein Auswuchs einer speziellen Kultur oder Religionszugehörigkeit sind, wie das einige FPÖ-Politiker herbeifantasieren. So instrumentalisiert FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl die Opfer für seine rassistische Hetze, in der die 1.000 Silvester-Feiernden plötzlich alle zu Tätern werden – er spricht von „rund 1.000 arabischstämmigen Männern“, die Frauen „umringt, sexuell bedrängt und ausgeraubt“ haben.
Auch dem freiheitlichen Sicherheitssprecher Gernot Darmann geht es herzlich wenig um die Bekämpfung von sexueller Gewalt an Frauen, wenn er die „Vorkommnisse in Köln“ anprangert, sondern um ein Ende der „illegalen Masseneinwanderung unter dem Deckmantel des Asyls“. Dass häusliche Gewalt die Hauptursache für den Tod oder die Gesundheitsschädigung bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren ist, interessiert Darmann ohnehin nicht. Ebenso wenig, dass über ein Drittel der Österreicherinnen schon Opfer sexueller Belästigung wurde, wovon ein Drittel am Arbeitsplatz belästigt wird – die Täter sind Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden.
Sexisten als Frauenrechtler?
Für wie „normal“ Gewalt an Frauen gehalten wird, zeigt nicht zuletzt die Pressemitteilung der Kölner Polizei selbst, wonach die „Verdächtigen versuchten durch gezieltes Anfassen der Frauen von der eigentlichen Tat abzulenken – dem Diebstahl von Wertgegenständen“. Sexuelle Belästigung wird einmal mehr nicht als Tat benannt. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker schob gar den Opfern selbst den Schwarzen Peter zu, sie müssten sich an Verhaltensregeln und „eine Armlänge Distanz zu Fremden“ halten.
Wären diese Belästigungs-Attacken vor einem Jahr in Wien passiert, wären sie kein offizieller Straftatbestand gewesen. Denn Übergriffe auf andere Körperteile als die Geschlechtsorgane, wie das Gesäß, waren bis zur Sexualstrafrechtsreform im Frühjahr 2015 nicht strafbar. Damals wehrten sich viele der neuen „Frauenrechtler“ in FPÖ, ÖVP und Team Stronach vehement gegen die Reform. So twitterte damals der Nationalratsabgeordnete Marcus Franz (Team Stronach, jetzt ÖVP): „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht? Das erfahren zu wollen, wird nun bestraft“, und wurde dafür von der Wienerin zum „Sexisten des Jahres“ gekürt. Jetzt spielt er sich nach Köln auf Twitter als der große Frauenrechtler auf. Scheinheiliger geht‘s wohl nicht.
Wilfried Grießer, der bei der niederösterreichischen Gemeinderatswahl im vergangenen Jänner in Mödling für die FPÖ kandidierte, meinte gar bezüglich der Sexualstrafrechtsreform: „Mitunter lieben es Frauen … von einem ,wildgewordenen’ Penis ,überfallen’ zu werden“. Anstatt Frauen zu helfen streicht die neue Welser FPÖ-Stadtregierung Förderungen für die mobile Altenhilfe, soziale Betreuungsdienste und Hilfe bei Wohnungskosten für Jugendliche, Familien und Alleinerzieher_innen. Wie wichtig ÖVP und FPÖ Frauenrechte sind wird deutlich, wenn man den Frauenanteil der OÖ-Landesregierung betrachtet: null Prozent.
Gegen Rassismus und sexuelle Gewalt
Es sind genau diese Männer und ihre Positionen, die eine ernsthafte Debatte über sexuelle Gewalt seit Jahren verhindern. Es ist ihre Politik die die Situation für Frauen tatsächlich erschwert, indem Einrichtungen, die sich um Betroffene kümmern, nicht ausfinanziert werden, indem Sozialleistungen gekürzt werden, und sexistische Geschlechterrollen reproduziert werden. Genau deshalb ist es einfach nur unglaubwürdig, wenn sich Rechte plötzlich als „Verfechter von Frauenrechten“ darstellen. Sie sind selbst Teil des Problems, und verstellen uns mit ihrer Hetze gegen Flüchtlinge und Migrant_innen tatsächlich den Weg zu einer Lösung.
Um gegen sexuelle Gewalt antreten zu können, brauchen wir klare und hohe Strafen für Täter. Doch Sondergesetze und eigene Strafen für Täter mit Migrationshintergrund sind Teil einer rassistischen Hetze. Anstatt Abschiebungen für Täter sexueller Gewalt, sollten wir fordern, dass Sexualstraftaten generell ernst genommen und als solche behandelt werden. Rechtsextreme verabreden sich bereits in Internetforen, um in Köln Jagd auf Ausländer zu machen. Pegida-NRW (Nordrhein-Westfalen) mobilisiert bereits zu einer Kundgebung am Kölner Hauptbahnhof unter dem Motto „Pegida schützt“. Es ist bereits eine Gegenkundgebung angekündigt, um sich klar gegen Sexismus und Rassismus zu stellen. Das sollte uns positiv stimmen: Denn viele lassen sich trotz der Ereignisse nicht von Rassismus einlullen.
Jeder Mensch hat das Recht auf Sicherheit und auf Schutz vor Gewalt. Egal ob sie einen Minirock oder ein Kopftuch trägt. Egal ob sie in der U-Bahn oder am Bahnhofsvorplatz ist. Egal ob er oder sie im eigenen Haus oder in einer Flüchtlingsunterkunft ist. Im Zuge der Übergriffe in Köln muss es darum gehen sexuelle Gewalt an Frauen anzuprangern wo auch immer wir können. Aber wir müssen ebenso die Scheinheiligkeit der Rechten kritisieren und ihren Rassismus und Sexismus angreifen. Nur indem wir gegen jede Form von Unterdrückung kämpfen, können wir echte Frauenbefreiung erreichen!