Konsequent rückschrittlich: Die Frauenpolitik Österreichs

Wir erleben das Ende der Frauenpolitik wie wir sie kennen ... Das können wir nicht länger wortlos hinnehmen. Es ist Zeit! Tun Sie den Frauen in Österreich etwas Gutes und treten Sie zurück! Sie sind nicht mehr unsere Ministerin.“ Die Worte der Vertreterinnen des Frauenvolksbegehrens sind klar und deutlich. Sie fühlen sich von der Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß im Stich gelassen. Mehr noch, verraten. Zu Recht.
26. September 2018 |

Dass sich die frisch gebackene Ministerin ‒ wie viele ihrer ÖVP-Kolleginnen ‒ entschieden gegen das Frauenvolksbegehren präsentiert, bildet hierbei nur die Spitze des Eisberges.

Finanzielle Benachteiligung

Seit dem schwarz-blauen Regierungsantritt gibt es massive Einschnitte in das Sozialsystem Österreichs. Der viel kritisierte 12-Stunden-Tag, den Bogner-Strauß als „große Chance für Frauen“ betitelt, führt zu massiven Problemen für Frauen (und Männer), vor allem, wenn es sich um alleinerziehende Eltern und/oder Leute mit geringem Einkommen handelt.

Dann wird in Kombination mit dem neuen Familienbonus Plus richtig eingeheizt: Mehr arbeiten, weniger Zeit für die Familie, aber gleichzeitig weniger Kinderbetreuungsplätze und weniger finanzielle Unterstützung, da die Familie erst ab einem Einkommen von 1700 Euro im Monat in den Genuss des neuen Familienbonus Plus kommen kann.

Neben dem Schutz der (gutverdienenden, österreichischen, heterosexuellen) Familie ist das Hauptanliegen von Bogner-Strauß die Gewaltprävention. Daher werden, so die Frauenministerin, „zusätzlich 200.000 Euro von anderen Projekten in den Gewalt- und Opferschutz umgeschichtet“. Wie zu erwarten, folgte auf diese Aussage bis dato keine Tat.

Ende für Frauenschutzprojekte

Stattdessen zieht sich die Polizei aus dem Gewaltschutz-Projekt MARAC (Multi-Agency-Risk-Assessment-Conference) zurück. In dieser Initiative sollen Interventionsstellen, Polizei und Justiz zusammen beraten und schließlich den Schutz von besonders gefährdeten Opfern von gewalttätigen Ehemännern oder Vätern gewährleisten. Das sind in den meisten Fällen Frauen.

Grund des Ausstiegs ist laut der Wiener Polizei, dass das Projekt keinen „Mehrwert“ mehr besäße und deswegen für beendet erklärt wird. In ihrem Evaluierungsbericht wird außerdem das Fehlen einer gemeinsamen Dokumentation bemängelt und von einem „allgemeinen Gefühl, bei den MARAC-Sitzungen nicht ernst genommen zu werden“, (arme Polizei) gesprochen.

Sie kürzen nicht des Sparens wegen

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Jedoch sind die gemeinsamen Fall-Konferenzen im Hinblick auf Höchstrisiko-Fälle von enormer Wichtigkeit. Die Opfer haben dadurch die Möglichkeit, die volle Bandbreite möglicher Maßnahmen der verschiedenen Institutionen wahrzunehmen. Darüber hinaus fühlen sich Betroffene, laut eigener Aussage, verstanden und respektiert.

Als wäre das nicht genug, müssen nun viele Frauen-Initiativen um ihre Existenz bangen: Während der Dachverband der schlagenden Schülerverbindungen und Burschenschaften sich auch 2018 über eine Subvention von fast 40.000 Euro freuen darf, verlieren Organisationen und Projekte, die teilweise seit den 1990er Jahren für eine (geschlechter)gerechte Gesellschaft kämpfen, ihre Fördergelder zu einem großen Teil oder gänzlich.

Da man auch nach mehrfacher Anfrage keine bis wenig Informationen über exakte Beträge vom Ministerium bekommt, wird auf eine in der Presse veröffentlichte Berechnung zurückgegriffen: Im Groben werden 2018 700.000 Euro weniger für Förderungen der Frauen-Initiativen ausgegeben, als im vergangen Jahr.

Die schwarz-blaue Regierung betont in ihrem geschlechterpolitischen Wirken immer wieder die Gleichwertigkeit, nicht aber die Gleichartigkeit von Mann und Frau. Sie hätten unterschiedliche Aufgaben und Rollen. Doch solange dieses soziale Konstrukt aufrechterhalten oder sogar bewusst reproduziert wird, wird es eine Hierarchie und damit Diskriminierung geben.

Zurück an den Herd?

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Die Regierung will dieses Leitprinzip durchsetzen, indem durch die neuen Regelungen versucht wird, Frauen vom Arbeitsmarkt wegzudrängen. Zurück in die privaten vier Wände zum verdienenden Mann und den Kindern. Schutz- und Gewaltpräventionsprojekte werden auch deshalb nicht gefördert, weil häufigere Gewaltfälle an Frauen ihre Verdrängung aus dem öffentlichen Bereich vorantreibt und gleichzeitig – im Falle eines Täters mit ausländischer Herkunft – als Instrument rassistischer Hetze missbraucht werden kann.

Es ist wichtiger denn je, Solidarität sowohl mit den von finanziellen Einschnitten betroffenen Organisationen als auch mit den betroffenen Frauen zu zeigen und sich gegen diese frauenfeindliche Politik zu stellen.