Land and Freedom

Selten hat es ein Film so großartig geschafft, revolutionäre Begeisterung und ein tiefes Gefühl der Solidarität zu vermitteln, wie „Land and Freedom” (1995) des sozialistischen Regisseurs Ken Loach.
11. April 2016 |

Wie so viele der hier besprochenen Regisseure musste Ken Loach mit Zensurmaßnahmen, in seinem Fall auch Sendeverboten, kämpfen. Nachdem er mit dem TV-Sozialdrama „Cathy Come Home“ (1966) in Großbritannien bekannt geworden war, wurde die Regierungszeit der berüchtigten Maggy Thatcher zu einer schwierigen Zeit für den stolzen Trotzkisten Loach.

Immer wieder legte er mit unglaublicher Sensibilität und Liebe zu seinen Figuren den Finger auf soziale Wunden. Sei es die benachteiligte Jugend der Arbeiter_innenklasse in „Kes“, illegale Arbeiter_innen in den USA in „Bread and Roses“ (2000) oder britische Eisenbahnarbeiter in „The Navigators“ (2001).

Seinen ureigenen Stil entwickelte er aus dem italienischen Neorealismo zum britischen „Sozialrealismus“, der bei aller Unkünstlichkeit in Bild und Inhalt doch fast zärtlich mit seinen Protagonist_innen umgeht. Loach unterstützte die Kandidatur des trotzkistischen Präsidentschaftskandidaten Olivier Besancenot in Frankreich und rief unter dem Eindruck des Bombardements des Gazastreifens 2014 zu einem Waffenboykott gegen Israel auf.

Internationaler Antifaschismus

Am 16. Februar 1936 hatte eine „Volksfront-Regierung“, bestehend aus Sozialisten, Liberalen und Kommunisten, die auch von den in Spanien starken Anarchisten unterstützt wurde, die Regierung übernommen. Die Reformen dieser Regierung, vor allem im sozialem aber auch im kulturellen Bereich, versetzten die traditionellen Eliten aus Industriellen, Offizieren, Großgrundbesitzern und der Kirche in Panik.

Gleichzeitig kam es zu Streiks und Straßenkämpfen, die Schläger der faschistischen „Falange“ terrorisierten die Arbeiter_innen. Am 17. Juli 1936 begann der rechte Putschversuch gegen die spanische Republik, als Putschführer setzte sich General Franco gegen andere durch. Doch der Widerstand der Arbeiter_innen verhinderte den rechten Staatsstreich und es begann der Bürgerkrieg. Während die Faschisten äußerst aktiv von Nazi-Deutschland und Mussolinis Italien unterstützt wurden, strömten Linke der verschiedensten politischen Richtungen nach Spanien, um den Freiheitskampf zu unterstützen.

An der Front

Der Film beginnt in der Gegenwart: Eine junge Frau findet in der Hinterlassenschaft ihres Großvaters alte Briefe und Zeitungsausschnitte, ein rotes Halstuch und ein Häufchen Erde (wie wir später erfahren, aus Spanien). Der Großteil des Films besteht quasi aus einer Rückblende in die 1930er Jahre. David Carr, ein junger, kommunistisch (im Sinne der stalinistischen Kommunistischen Partei) eingestellter Arbeiter in Liverpool lässt sich vom Vortrag eines spanischen Aktivisten begeistern. Er sieht Bilder aus dem befreiten Barcelona, die jubelnden Menschen, die Fahrzeuge, beschriftet mit den Gewerkschaftsorganisationen von denen sie requiriert wurden, treiben Linken die Freudentränen in die Augen. Rote Fahnen überall, bewaffnete Arbeiter_innen-Milizen schützen die Menschen vor den Faschisten.

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Die Poum im Jahre 1937, George Orwell im Hintergrund.

Um sich dem Kampf gegen den Faschismus anzuschließen, den er als internationalen Kampf sieht, reist er nach Spanien, genauer Katalonien.

Durch Zufall landet er bei der Miliz der links-sozialistischen POUM, kämpft an einem Frontabschnitt zwischen stalinistischen und anarchistischen Verbänden, die gemeinsam Francos Truppen gegenüberstehen. Bis zu dieser Stelle hat Ken Loach sich eng an George Orwells autobiographischen Roman Mein Katalonien gehalten.

In der Miliz kämpfen Frauen und Männer Seite an Seite, die Offiziere werden gewählt, Salutieren gibt es nicht. An der Front verliebt sich Carr in die politisch geschulte Blanca. Die Auseinandersetzungen auf republikanischer Seite, die vor allem von den Machtansprüchen der Stalinisten geprägt waren, werden im Film keineswegs ausgespart. Die POUM verfolgte eine revolutionäre Politik und grenzte sich von den Stalinisten ab. Sie bezog sich stark auf die Ideen Leo Trotzkis und der früheren „linken Opposition“ in der Sowjetunion.

Die erhobene Faust

Im Film jedenfalls verwirklicht David Carr nach seiner Verwundung seinen ursprünglichen Plan und schließt sich Militäreinheiten der KP an. Er wird Zeuge, wie die Stalinisten eine Welle der Repression gegen POUM-Mitglieder und Anarchist_innen lostreten.

Die Bemühungen der republikanischen Regierung und der Stalinisten, die revolutionäre Bewegung in bürgerlich-demokratische Bahnen zu lenken, ja gewaltsam zu bremsen, führte den antifaschistischen Kampf in die Niederlage. Denn rein militärisch hatte die Linke keine Chance gegen die gut gerüstete Armee Francos, die sich vor allem auf Kolonialtruppen aus Spanisch-Marokko stütze, während die Republik keine Hilfe von den späteren westlichen Alliierten erhielt, ja sogar von ihnen unter Druck gesetzt wurde.

Battle of Algiers

Battle of Algiers

Die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft hatte viele Linke der verschiedenen Strömungen zum Kampf motiviert. Nur eine Massenbewegung mit revolutionärer Dynamik, in der Menschen gleichzeitig für ihre Selbstbefreiung kämpfen, hätte den Sieg bringen können. Das betont auch George Orwell in Mein Katalonien. Als sich Carr im Film wieder seinen ehemaligen Genoss_innen in der POUM zuwenden will, sind diese von republikanischen Einheiten umstellt, Blanca wird im Gefecht getötet. Der Film endet wieder in der Gegenwart. Beim Begräbnis des Großvaters hebt die Enkelin die Faust zum antifaschistischen Grüß.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.