Meine Erlebnisse in Spielfeld: Von Freunden und Helfern

Asylrechtsaktivistin Luisa S. hat im Herbst 2015 an der Grenze in Spielfeld heimlich Spendengüter an Flüchtlinge verteilt. Über die katastrophalen Zustände im Lager und die Unmenschlichkeit der Behörden schreibt sie in einem Leserinnenbrief.
27. September 2016 |

Ein gemütliches Wochenende in der Südsteiermark hätte es werden sollen, aber geendet hat es einen Monat später und zwar mit dem Hauch einer Vorstellung davon, wie sich Krieg anfühlen muss.

Schon beim Abfahren von der Autobahn konnten wir gar nicht anders, als stehen zu bleiben, um die in unendlichen Schlangen wandernden Menschen zu fragen, wo sie denn hin wollten. Als ich zwei Jungs angeboten habe, sie zum Bus zu bringen, wurde ich von einem offenbar sehr wichtigen und sehr aufgeregten Gesetzeshüter mit den Worten „Na, aber sicher nicht“ darauf aufmerksam gemacht, dass er ein Problem damit hätte, dass ich zwei junge Leute mit meinem Auto von A nach B „transportieren“ wollte. Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass eine Mitfahrgelegenheit zur nächsten Bushaltestelle nichts mit Schlepperei zu tun hat, war er erst verwirrt und dann beleidigt. „Wenn du denen nicht gleich sagst, dass sie sofort aussteigen sollen, dann sind sie in drei Sekunden in meinem Auto und am Weg zurück“. Ich habe den Herrn Wachtmeister dann einfach ignoriert und den beiden Syrern zu verstehen gegeben, dass ich sie besser nicht mitnehme, weil der besagte Staatsbedienstete der Meinung sei, es ginge hier um ihn. Enttäuscht und erschöpft sind sie dann ausgestiegen und das Ordnungsorgan ist mit den Worten „Wenn sie dir so gefallen, dann nimm sie doch nach Hause mit“ weggefahren. Wow! Welcome to Austria.

Nach dieser wunderbaren Begrüßung in der schönen Steiermark fuhren wir gleich einmal nach Spielfeld zur Grenze, anstatt in das gemütliche Bergbauernhaus meines Vaters, um zu fragen, ob Hilfe benötigt wird. In den ersten Stunden habe ich schnell begriffen, dass ich die oberste Regel der Einsatzleitung ignorieren und eigenständig denken und handeln werde.

Wir haben alle ein Zuhause, ein warmes Bett und jede Form der Sicherheit. Ganz im Gegensatz zu den Menschen, die zu tausenden in Zelten oder sogar draußen auf dem dreckigen, nassen Asphalt ohne Decken schlafen müssen. Wie oft musste ich Menschen erklären, dass es keine Decken oder Schlafsäcke oder Babysocken gibt, weil die Caritas nur zwischen 9 Uhr früh und 20 Uhr abends die Spendenausgabe macht. Dies jedoch sollte für uns kein Hindernis darstellen. Alle Taschen haben wir mit Babysocken, Hauben und Handschuhen gefüllt und sie heimlich (!) im Hof des Camps verteilt. Erwachsene Männer, die im Oktober mit Kinderflipflops draußen standen und freundlich um eine Decke für ihre Kinder baten, wurden von den drei schlechtesten Menschen, die ich jemals erlebt habe, ausgelacht und abgewimmelt. Einer der drei Polizisten hat dann nach ca. einer Stunde gecheckt, dass wir die Leute heimlich mit Spenden versorgen und hat mich erst nur extrem übertrieben ermahnt. Da ich aber einem zitternden Mädchen eine Jacke versprochen hatte, bin ich noch mal bei der Caritas „eingebrochen“ und habe eine geholt und ihr gegeben. Das war in den Augen des Herrn Gendarm wohl zu viel des Guten.

Kiwara: „Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du denen was gibst, zerr ich die eigenhändig weg und das wird dir nicht gefallen!“

Darauf antwortete ich: „Ernsthaft jetzt? Is Dir (vor Ort normal) eigentlich bewusst was du da redest? DEN MENSCHEN IST KALT UND DIE GESPENDETEN JACKEN, SCHUHE, DECKEN, PÖLSTER, ZELTE, SCHLAFSÄCKE, HAUBEN, SCHALS UND HANDSCHUHE WERDEN HIER AKUT NICHT GESPENDET SONDERN GESPART!

Kiwara: „Ja, mir ist auch kalt.“

Nach dieser Aktion habe ich das erste Mal in dieser Zeit geweint. Aus Wut, Fassungslosigkeit und Ekel. Sprüche wie: „Jetzt haben sie eh erst eine Notfalldecke bekommen, jetzt geben wir ihnen nicht auch noch ein Wasser, sonst wollen sie gleich wieder etwas“ oder „Dreckige Schweine lassen den Dreck überall rumliegen“ habe ich nicht nur von Einsatzleitern oder Zivildienern gehört.

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Abgesehen von der Verständnislosigkeit, Dummheit, Intoleranz und Inkompetenz seitens der Befehlshabenden habe ich viele coole Menschen kennen gelernt und definitiv auch viel über mich selbst. Ich bin mir sicher, dass viele von den unreflektierten, unaufgeklärten Menschen in Österreich nach nur einem Tag in Spielfeld ihre Meinung gegenüber Flüchtlingen geändert hätten. Vielleicht hätten diese dann auch nicht blau gewählt.

Luisa S. 

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Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
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