Nach Brexit und Camerons Rücktritt: Revolte gegen Eliten prägen

David Cameron ist zurückgetreten. Das Austrittsvotum hat die Tories (Konservative) und das britische und europäische Establishment in eine tiefe Krise gestürzt.
24. Juni 2016 |

Camerons hat mit dem Referendum alles auf eine Karte gesetzt und alles verloren. Seine Partei ist tief gespalten. Der Pfund und die Aktienpreise fallen und die „Meister des Universums“ (umgangssprachlich für reiche Investmentbanker) bekamen eine schallende Ohrfeige der Ablehnung zu spüren.

Obwohl sich Tories, Labour (Sozialdemokraten), Grüne, die schottische SNP und die meisten anderen Parteien, praktisch jeder Zusammenschluss von Konzernbossen und Finanzinstitutionen, tausende „Top-Führungskräfte“ und dutzende Staatsoberhäupter, einschließlich der USA, für den Verbleib in der EU aussprachen, haben mehr als die Hälfte der Wähler_innen den Austritt unterstützt.

Absage an Establishment

Die Politiker_innen, die Reichen und Mächtigen, die es gewohnt sind, dass alles nach ihren Wünschen läuft, haben eine harte Niederlage erlitten. Jetzt ist es wichtig, dass sich alle linken und antirassistischen Kräfte, egal wie sie abgestimmt haben, im Kampf gegen Austerität, Angriffe auf Flüchtlinge, Islamfeindlichkeit und die Faschisten, die den Boden für den Mord an Jo Cox aufbereitet haben, vereinen.

So wie in vielen anderen Teilen der Welt, erleben auch wir hier eine Revolte gegen „die da oben“ an der  Spitze der Gesellschaft. Sie kann nach rechts oder links gezogen werden. Es ist unsere Aufgabe, die Revolte zu prägen. Die Rechten werden versuchen, mit dem Austrittsvotum Rassismus weiter zu verbreiten. Das ist eine Gefahr, aber keine unvermeidliche.

Kein automatischer Rassismus

Es ist eine Lüge, dass die Millionen von Arbeiter_innen, die für den Austritt gestimmt haben, alle rassistische Gründe hatten. Die Hauptkampagne der Austrittsbefürworter wurde von Rassisten und Rechtsextremen angeführt, die Mehrheit der Leave-Wähler_innen hatten aber andere Gründe. Eine Umfrage kurz vor der Abstimmung hat gezeigt, dass die Mehrheit denkt, Migration hätte einen guten oder keinen Einfluss auf ihre Wohngebiete. Und ein Fünftel der Befragten gab an, dass Migration positiv für ganz Großbritannien wäre.

Eine weitere Umfrage ergab, dass ein Drittel der Wähler_innen von Labour und den Grünen bei den Parlamentswahlen 2015, für den Austritt stimmen würden. Überall in Großbritannien gibt es Verbitterung und Enttäuschung. Der Austritt war für viele eine Absage an die undemokratische, von Konzernen kontrollierte EU und die politischen Eliten. Auf diesen Aufstand gegen die Reichen und Mächtigen müssen wir aufbauen.

Dilemma für Labour

Es ist tragisch, dass Labour den Austritt nicht unterstützt hat. Hätte sie das gemacht, hätten sie die Debatten um Demokratie, Brechen mit der Austerität und Widerstand gegen die Unternehmer prägen können und es wäre weniger rassistisch zugegangen. Stattdessen haben sich einige Labour-Abgeordnete von wichtigen Teilen der Arbeiter_innen entfernt, um mit Tories gemeinsam für den Verbleib zu werben.

Während der Kampagne haben mehrere Labour-Abgeordnete – von Tom Watson und Ed Balls zu John McDonnell und Len McCluskey – das bestehende Recht von EU-Bürger_innen, nach Großbritannien zu gehen, in Frage gestellt. Jeremy Corbyn hat das nicht gemacht und an ihm liegt es jetzt, offen für Aktionen gegen Austerität und Rassismus aufzurufen und die Gewerkschaften aufzufordern, dasselbe zu tun. Das ist die beste Chance, eine Neuwahl zu erzwingen, in der Labour, so Corbyn, gewinnen könne.

Antikapitalismus

Socialist Worker (SWP, Schwesternzeitung der Neuen Linkswende, Anm.) hat für ein antirassistisches, gegen Austerität gerichtetes und sozialistisches Austrittsvotum geworben. Wir sind froh, dass der Austritt gewonnen hat. Wir wissen auch, dass die linke Austrittsbewegung „Lexit“ (Left Leave) nur einen begrenzten Einfluss hatte. Aber wir haben sichergestellt, dass es eine antikapitalistische Stimme für den Austritt gibt, die nicht auf Rassismus aufbaut.

Wir verstehen, dass ein großer Teil der Verbleib-Wähler_innen („Remain“) mit ihrer Stimme den Rassismus von Nigel Farage (UKIP) und Boris Johnson (Tory) zurückdrängen wollten. Andere ließen sich davon überzeugen, die EU stehe für Arbeiter_innenrechte und ein Austritt würde die ekelhaften Rechten stärken. Wir haben dem widersprochen. Jetzt ist es aber entscheidend, alle linken Kräfte zu bündeln, um die Tories zu stürzen und Rassismus zu bekämpfen.

Außerparlamentarische Bewegung

Wir müssen die Kämpfe gegen Rassismus, Islamophobie und für Flüchtlinge vereinen, den Protest gegen die Tory-Konferenz am 2. Oktober in Birmingham aufbauen, die Streiks der Lehrer_innen und alle anderen Streikbewegungen unterstützen, das Gesundheitssystem verteidigen, die Umweltzerstörung wie Fracking konfrontieren und vieles mehr.

Wir dürfen nicht warten, bis sich die Tories erholt haben, sondern müssen dafür sorgen, dass ihre Krise sie zerstört und die antirassistische Linke erstarkt. In Zeiten von Krisen reichen Worte nicht, wir brauchen Taten. Je mehr Streiks, Proteste und Besetzungen wir haben, desto besser wird der Ausgang des Austrittsvotums für uns sein. Wir sagen: Tories raus, gegen Austerität, Flüchtlinge willkommen und Neuwahlen Jetzt!

Originalartikel ist zuerst auf Socialist Worker erschienen. Übersetzung aus dem Englischen von Jakob Zelger.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.