ÖVP kämpft um rechte Vorherrschaft
Die jüngsten Aussagen des ÖVP-Klubobmanns August Wöginger sind nichts anderes als Nazi-Propaganda. Die Forderung der SPÖ (unterstützt von NEOs und Grünen), den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu vereinfachen, bezeichnete er in einer Presseaussendung als Versuch, „mittels Masseneinbürgerungen die politischen Mehrheitsverhältnisse im Land“ zu ändern, um „ein Ausländerwahlrecht durch die Hintertür einzuführen und mithilfe von über 500.000 Einbürgerungen eine potenziell neue Wählerschaft zu generieren, die ihnen in Folge eine parlamentarische Mehrheit sichern soll“.
Verschwörungstheorie
Nicht nur, dass Wögingers Versprechen, die ÖVP werde sich gegen diese „Entwertung der Staatsbürgerschaft“ stellen und dafür sorgen, dass „man sich die Staatsbürgerschaft verdienen muss“ (natürlich durch „Integration“), nur so vor offensichtlichstem Rassismus strotzt. Wögingers Wortwahl zielt eindeutig auf die Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“ ab; ein Kampfbegriff der Neuen Rechten (wie der Identitären), wonach eine „Elite“ – wahlweise George Soros, Bill Gates oder die WHO – die europäische Bevölkerung durch (muslimische) Migrant_innen austauschen und sie so ausrotten wolle.
Auffällig ist auch, dass sie in ebendieser Aussendung nicht von ÖVP, sondern von „neuer Volkspartei“ schreiben. Verwunderlich ist es nicht, zeigt es doch, dass sich Wögingers Aussagen auf Linie der Führung Kurz befinden, unter der Rassismus, insbesondere gegen Muslim_innen, bekanntlich gar nicht so neu ist, sondern vielmehr ein zentrales Programm.
Islam-Landkarte
Dazu passt ein weiteres Herzensprojekt der österreichischen Regierung: die „Islam-Landkarte“. Auf ihr sollen alle muslimischen Einrichtungen, Vereine etc. eingetragen werden. Prompt wanderten Rechtsextreme auf den Routen der Landkarte und brachten „Warnschilder“ vor mehreren Moscheen in Wien an, mit der Aufschrift: „Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe“. An der Eingangstür einer Salzburger Moschee war zu lesen: „Der Führer ist wieder zurück“. In Graz umkreiste ein Mann die Gläubigen vor einer Moschee mit seinem Auto, am nächsten Tag urinierte er gegen das Religionsgebäude. Eine ernste Drohung, denn in der Vergangenheit hatten Rechtsextreme immer wieder Autos als Mordwaffe benutzt, wie z.B. 2017 in Charlottesville, wo die Antifaschistin Heather Heyer so von einem Neonazi getötet wurde.
Wer ist der Führer?
Der Leiter des Landkarten-Projekts ist niemand anderes als Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien und treuer Diener seines Herrn, Kanzler Kurz. Aslan war vor einigen Jahren aufgrund der Kindergartenstudie bereits in Kritik, in der er nach Vorgaben des Kurz-Ministeriums Aussagen zu islamischen Kindergärten so manipulierte, dass am Ende stehen blieb, die Kindergärten würden eine neue Generation von Terroristen heranziehen. Die jüngsten rechtsextremen Übergriffe kommentierte Aslan mit den Worten, dass trotz der „politischen Instrumentalisierung“ eine „dringende Notwendigkeit an einer sachlichen Debatte über den Islam in Österreich“ bestehe.
Herausgegeben wird die Karte von der 2020 von der österreichischen Regierung gegründeten Dokumentationsstelle Politischer Islam. Deren Leiterin wiederum ist die Politologin Lisa Fellhofer. Ihre Definition von „politischer Islam“ ist durchaus aufschlussreich: „Der politische Islam ist eine Herrschaftsideologie, die versucht, einen Staat, die Gesellschaft und die Politik zu beeinflussen und zu gestalten anhand von Werten, die die Akteure des politischen Islams selber als islamisch bezeichnen, die aber von der Mehrheit der Muslime nicht geteilt werden. Und das sind auch Werte, die gegen Menschenrechte sind, die sich gegen die Demokratie richten und die sich auch gegen unseren Verfassungsstaat richten.“
Diese derart schwammig formulierte Definition kann auf jede Religion umgemünzt werden. Ersetzt man die Wörter, die auf die islamische Religionsgemeinschaft verweisen sollen, mit katholischen, könnte rein formal auch die ÖVP gemeint sein. Der kann man allerdings keine allzu große Nähe zu den vielgerühmten christlichen Werten nachsagen. Erst vor kurzem zeigten Chatprotokolle aus dem Jahr 2019 zwischen Kurz und seinem langjährigen Vertrauten Thomas Schmid, der dank der ÖVP mehrere Positionen in Ministerien erhaschen konnte, wie die Volkspartei zu diesen Werten steht.
So wenig die ÖVP mit christlichen Werten, die sie angeblich vertritt und in deren Tradition stehend sie sich verkauft, zu tun hat, genauso wenig ist auch der Islam als Religion mit einer fundamentalistischen politischen Agenda, wie sie etwa der IS (Islamischer Staat) vertritt, gleichzusetzen.
Nachdem Kardinal Christoph Schönborn Kritik an der „Sicherungshaft“ für Asylwerber übte und Peter Schipka, der Generalsekretär der Bischofskonferenz, ihn unterstützte und sogar Parallelen zum Nationalsozialismus sah, gab es ein Treffen zwischen Schmid – damals Generalsekretär des Finanzministeriums und Kabinettschef von Finanzminister Hartwig Löger – und Schipka. Kurz beauftragte Schmid, gegen die Kirche „Vollgas“ zu geben und mit Verlust von Steuerprivilegien und Förderungen zu drohen.
Werte und Tradition
Es lässt sich folgern, dass also nicht einmal der offizielle Teil der katholischen Kirche seine christlichen Werte von der ÖVP vertreten sieht. Von Menschenrechten muss man angesichts der aktuellen Vorgehensweise gegen Flüchtlinge gar nicht sprechen. Kurz und ÖVP-Innenminister Nehammer posaunten erst Ende Juni selbstbewusst: ein Abschiebestopp nach Afghanistan „kommt definitiv nicht. Das wird es mit uns nicht geben.“ Die regelmäßig stattfindenden Pushbacks an den Grenzen Österreichs etwa zu Slowenien gehen ebenfalls auf die Kappe der Regierung, die hier gerne mit den teils autoritär regierten Visegrád-Staaten zusammenarbeitet, die – wie Ungarn unter Präsident Victor Orbán – für ein komplettes Abriegeln ihrer Grenzen eintreten.
So wenig die ÖVP mit christlichen Werten, die sie angeblich vertritt und in deren Tradition stehend sie sich verkauft, zu tun hat, genauso wenig ist auch der Islam als Religion mit einer fundamentalistischen politischen Agenda, wie sie etwa der IS (Islamischer Staat) vertritt, gleichzusetzen.
Politischer Katholizismus
Der politische Katholizismus unter der ÖVP-Vorgängerpartei der Christlichsozialen hat Österreich immerhin schon einmal in eine Diktatur geführt. Zwar strebt Kurz nicht unbedingt einen neuen Austrofaschismus an (schon gar nicht mit christlicher Färbung), die ÖVP testet derzeit allerdings in alle Richtungen ihren Spielraum aus – und stößt dabei nicht auf allzu viele Grenzen.
So etwa bei der Nazi-Rhetorik Wögingers oder der Farce um Kurz im Ibiza-U-Ausschuss, die vor allem eines zeigt: seine Verachtung für die unabhängige Justiz. Hiermit wären zumindest einige Punkte von Fellhofers Definition erfüllt: gegen Menschenrechte, Demokratie und Verfassung.
Die Hoffnung vieler, dass sich die Lage für Geflüchtete mit der Ablösung von Schwarz-Blau mit Schwarz-Grün bessern würde, hat sich nicht erfüllt. Wo die ÖVP die FPÖ vorpreschen ließ und sich so zumindest ein paar weiße Fäden in der Weste aufhob, übernimmt sie jetzt selbst die Hardliner-Funktion in Sachen Rassismus.
Allerdings zeigen sie damit noch etwas anderes: dass sie sowohl die Opposition als auch ihren Koalitionspartner verachten und sich in der Position sehen, alles im Alleingang durchzubringen. In der herablassenden Äußerung Wögingers, die nicht nur auf die Oppositionsparteien SPÖ und NEOs, sondern eben auch auf die Grünen abzielt, steckt die pure Lust an der politischen Demütigung. Die ÖVP will zeigen, dass sie in keiner der von ihnen als „links“ bezeichneten Parteien eine Gefahr oder gar Konkurrenz sieht.