Palmöl: Wenn Profitgier über Leichen geht
Palmöl, das weltweit meistverwendete – weil billigste – Pflanzenöl ist aus vielen Produktionsbereichen kaum mehr wegzudenken. Die ursprünglich aus Westafrika stammende und von den Niederländern im Zuge der Kolonialisierung nach Südostasien gebrachte Ölpalme wird dort vor allem in Malaysia und Indonesien angebaut.
Während pro Hektar Land etwa 1.000 Liter Olivenöl gewonnen wird, liefert die Ölpalme auf der gleichen Fläche 6.000 Liter. Was für Konzerne eine Goldgrube ist, bedeutet für die Anbauländer Umweltzerstörung, Landraub und Armut.
Massive Umweltzerstörung
Für die Produktion von Palmöl werden riesige Anbauflächen benötigt, die durch Abholzen von Regenwald und Trockenlegen von Torfmoorböden gewonnen werden. Damit wird nicht nur die Artenvielfalt gefährdet, sondern es hat auch enorme Auswirkungen auf den Klimawandel. Der Regenwald zieht CO2 aus der Atmosphäre, Torfmoorböden binden es.
Durch Brandrodung werden CO2 und Methan freigesetzt, während sich gleichzeitig die Aufnahmefähigkeit der Wälder verringert. In Indonesien, dem größten Palmölproduzenten, wurden seit 1990 über 310.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt, was fast der Größe von Deutschland entspricht. Die Hälfte dieser Fläche wird für den Anbau von Ölpalmen genutzt.
Die entstehenden Monokulturen fördern die Erosion des Bodens, was Erdrutsche und Überschwemmungen begünstigt. Außerdem können sich auf den Plantagen leicht Schädlinge ausbreiten, die mit hochgiftigen Pestiziden bekämpft werden. Diese wiederum gelangen in den Boden, vergiften das Grundwasser und zerstören alles Leben. Die Böden sind schnell ausgelaugt, nach wenigen Jahren eignen sie sich nicht mehr für den Anbau und es müssen neue Flächen gerodet werden.
Mord für Profit
Gerne geben Unternehmer vor, in Entwicklungsländern die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen – also „Entwicklungshilfe“ zu leisten. In Wirklichkeit stürzen ihre Geschäfte die Menschen in Armut. Indigenen und Bauern wird ihr Land geraubt, ganze Dörfer werden plattgemacht. Wer nicht freiwillig geht, muss mit Repressionen durch Polizei und Militär rechnen.
Häufig werden von Unternehmern und der Regierung paramilitärische Schlägertrupps geschickt, die Widerständige aus dem Weg räumen. Im März 2014 prügelten Polizisten, Militärs und Security auf der indonesischen Insel Sumatra den Bauern Puji mit Gewehrkolben zu Tode. Sieben weitere Männer wurden schwer verletzt.
Aktivist_innen holten die Leiche Pujis aus dem Krankenhaus, ehe sie von den Verantwortlichen beseitigt werden konnte. Die Witwe des Bauern blieb mit fünf Kindern zurück, Entschädigung gab es keine. Solche Landkonflikte sind zum Alltag geworden, jede Form von Aufbegehren, wie etwa Gewerkschaftsgründungen, wird gewaltsam unterdrückt.
Ihren eigenen Anbauflächen beraubt, sind die Menschen gezwungen, auf den Plantagen zu arbeiten. Dort werden sie meist nach Stückzahl bezahlt, die jedoch von einem Arbeiter kaum bewältigt werden kann. Sie sind auf die Hilfe von ihren Frauen und Kindern angewiesen. Dennoch reicht der Lohn kaum, um eine Familie zu ernähren.
Laut dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt ist das Einkommen der Bauern heute geringer als zu Kolonialzeiten. Die ungeschützte Verwendung von Pestiziden, die ständige Belastung durch den bei Rodungen entstehenden Rauch, die katastrophalen Wohnbedingungen in den Arbeiterslums – ohne Wasser oder Toiletten – macht die Menschen krank. Medizinische Versorgung wird von den Arbeitgebern nur ungenügend zur Verfügung gestellt.
Schwindel Nachhaltigkeit
Zunehmende Proteste gegen diese Zustände beantwortete die Palmölindustrie 2004 mit der Gründung des „Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO). Unter dem Vorsitz von Unilever, einem der größten Verbrauchsgüterhersteller weltweit, sitzen Vertreter der Palmölindustrie, internationale Banken und Konzerne wie McDonald`s einigen wenigen Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen gegenüber. Die Forderungen basieren zum Großteil auf Freiwilligkeit; Prüfer, die das Nachhaltigkeitssiegel vergeben, kommen aus den eigenen Reihen und sprechen meist lediglich mit den Unternehmern selbst.
Im Jahr 2015 zeigten Satellitenbilder von Januar bis Oktober 130.000 Brandherde, über 30.000 davon lassen auf Brandstiftung schließen. Aktivist_innen finden dort immer wieder Ölkanister von Palmölkonzernen, juristisch verfolgt werden diese aber kaum. Die kriminellen Machenschaften der Konzerne sind bekannt, doch zu ergiebig ist das Geschäft mit dem Pflanzenöl.
Seine Beschaffenheit ermöglicht nicht nur die Verwendung für Lebensmittel, Kosmetika, usw., sondern kann auch Erdöl ersetzen. So setzt die EU in ihrer Forderung, bis 2020 ein Zehntel des Kraftstoffverbrauchs aus pflanzlichen Rohstoffen zu gewinnen, auf das billige Palmöl. Mit einer verpflichtenden Beimischung von fünf Prozent Biosprit sollte der CO2-Ausstoß verringert werden. Die EU ist mittlerweile der drittgrößte Palmölimporteur.
Doch Biodiesel erzeugt während der gesamten Produktionskette 80% mehr Emissionen als fossiler Diesel, wie aus einer von der EU selbst in Auftrag gegebenen Studie 2013 hervorging. Die Ergebnisse wurden monatelang unter Verschluss gehalten.
„Nachwachsender Rohstoff“ klingt umweltfreundlich, aber vor allem eignet sich der Begriff zum Grünwaschen des Individualverkehrs und somit Ankurbeln der Autoindustrie. Als Nachweis für die vorgeschriebenen Nachhaltigkeitskriterien reicht das Siegel des RSPO.
Erfolge von unten
Die Regierungen und Konzerne geben vor, an Nachhaltigkeit zu arbeiten. Durch Gentechnik sollen kleinere Flächen ertragsreicher gemacht werden, Unilever inszeniert sich beim People`s Climate March in New York als Weltretter und die EU schreibt vor, Palmöl in Lebensmittel zu kennzeichnen. Doch in 50% aller Waren ist Palmöl enthalten, da ist die Wahlmöglichkeit gering.
Die Top-Down-Strategie der NGOs funktioniert ebenso wenig wie auf die Vernunft der Konzerne zu setzen. Solange die Herrschenden mit dem Öl Profite machen, werden systematische Menschenrechtsverletzungen und das Voranschreiten des Klimawandels die Basis der Produktion sein.
Wichtig ist der Widerstand von unten. Viele Menschen wehren sich gegen den Raub ihres Landes indem sie Plantagen besetzen, die Verbrechen der Konzerne dokumentieren und auch vor Gericht kämpfen – und damit mehr Erfolge erzielen, als jedes grüne Zugeständnis von oben. Kleine Teile des zerstörten Landes konnten zurückerobert und wieder aufgeforstet werden. Die einzige glaubwürdige Alternative besteht jedoch in der Umstellung auf eine nachhaltige Güter- und Energieproduktion.