Ruth Fischer
Ruth Fischer wurde am 11. Februar 1895 in Leipzig geboren, 1903 zog ihre Familie nach Wien. 1914 gründete sie eine Studierendengruppe, die gegen den Ersten Weltkrieg agitierte. Aus dieser Gruppe wurde am 3. November 1918 die KPDÖ (Kommunistische Partei Deutsch-Österreich) gegründet. Als leidenschaftliche Revolutionärin wollte Fischer dort sein, wo das Schicksal der kommunistischen Bewegung entschieden wird und das war Deutschland.
Weg an die Spitze der KPD
In Deutschland stieg sie schnell innerhalb der KPD auf. In ihren Reden und Artikeln erledigte sie ihre politischen Gegner nicht nur durch stichhaltige Argumente, sondern gab sie mit beißenden Polemiken dem Spott preis. Durch dieses Auftreten wurde sie zu einer Heldin der radikalisierten Arbeiter_innen.
Nach dem Scheitern des Putschversuches der KPD im März 1921, schwenkte die Partei auf eine gemäßigtere Linie um. Sie suchte wieder die Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie, was angesichts der sich formierenden Konterrevolution Sinn ergab. Fischer kritisierte die Annäherung. Als sich im Zuge einer ökonomischen Krise 1923 die Möglichkeit für eine sozialistische Revolution ergab, wurde diese von der Parteiführung verpasst. Darin sah die Parteibasis die Bestätigung, dass Fischer Recht hatte und wählte sie an die Spitze.
An der Spitze der KPD
Der Kurswechsel unter Fischer zeigte sich am deutlichsten während der Eröffnungssitzung des Parlaments am 27. Mai 1924. Ruth Fischer marschierte, ausgerüstet mit einer Kindertrompete, ins Parlament und trötete alle Reden, die ihr nicht gefielen, nieder. Das Parlament erklärte sie zum „Komödientheater“, Redner bezeichnete sie als „Hampelmänner der Kapitalisten“. Der Ansatz der KPD, das Parlament als Bühne zur Agitation zu nutzen anstatt für konstruktive Oppositionsarbeit, ist richtig.
Aber Ruth Fischers linksradikale Strategie war ein Fehler; gemeint ist eine Politik, die davon ausgeht, dass eine Revolution zu jedem Zeitpunkt – unabhängig von der Stimmung innerhalb der Arbeiter_innenbewegung – möglich ist. Durch ihr Auftreten, das allen Nicht-Kommunist_innen signalisierte, „Ich halte euch für Idioten“, grenzte sie sich von der Mehrheit der Arbeiter_innen ab, diese stand hinter der Sozialdemokratie. Kommunistische Abgeordnete stimmten bei der Vergabe von Ämtern immer gegen die Sozialdemokratie, was dazu führte, dass Posten an konservative und völkische Abgeordnete fielen.
Fischer isolierte die kommunistische Bewegung auf eine kleine radikalisierte Minderheit, welche die Revolution um jeden Preis wollte. Revolutionäre Politik muss darauf abzielen, die Mehrheit innerhalb der Arbeiter_innenbewegung zu gewinnen. Dies wird nicht erreicht, indem darauf hingewiesen wird, die Sozialdemokratie sei konterrevolutionär, sondern indem gemeinsam mit sozialdemokratischen Arbeiter_innen für Verbesserungen gekämpft wird.
In der gemeinsamen Praxis muss über die richtige Strategie gestritten werden. Nur zu sagen, die Führungspersonen der Sozialdemokratie seien „Hampelmänner der Kapitalisten“, wird niemanden überzeugen.
Größter Fehler
Zutiefst reaktionär war Fischers Auftritt vor völkischen Studenten am 26. Juli 1923: „Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren? Wer gegen das Judenkapital aufruft, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Aber meine Herren, wie stehen sie zu den Großkapitalisten?“.
Das Gerede vom jüdischen Kapital war immer schon ein antisemitischer Code, Fischer hat nicht versucht, den Antisemitismus dieser Menschen zu konfrontieren, sondern daran vorbei zu lavieren. Fischer ermutigte reaktionäre Ideologien anstatt sie zu bekämpfen. Die Rede wurde innerhalb der KPD kritisiert.
Konflikt mit Stalin
1926 geriet Fischer in einen Konflikt mit Stalin, woraufhin dieser sie aus der KPD entfernen ließ. Ihre Versuche, eine Opposition gegen Stalin aufzubauen, scheiterten leider. Nach der Machtübernahme der Nazis musste sie ins Exil in die USA fliehen. Dort ging sie nach den Erfahrungen mit dem Horror des stalinistischen Terrors so weit, dass sie während der sogenannten McCarthy-Ära zwischen 1947 und 1956 den US-Geheimdienst bei der Verfolgung von echten und vermeintlichen Stalinisten unterstützte.
Unter anderem bezeichnete sie Bertold Brecht vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe als „Minnesänger der GPU“ (sowjetischer Geheimdienst) und unterstützte damit seine Ausweisung. Ein unrühmliches Ende für eine, die versuchte, die Welt von Unterdrückung zu befreien.