Sieg für die Schweizer Linke: Neoliberale Steuerreform abgelehnt
Seit Beginn ihrer eigenen Krise 2008 versuchte die Europäische Union (EU) – parallel zur Obama-Administration – die Steuervorteile und das Bankgeheimnis für Schweizer Banken und multinationale Konzerne einzuschränken. Die Schweiz sollte dabei an das „Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen“ der OECD herangeführt werden. Das bedeutete, dass ausländische Gelder von „entwickelten Ländern“ in 75 Schweizer Banken (Verbindlichkeiten) von 616 Milliarden Franken im Jahre 2006 auf 189 Milliarden Franken im Jahre 2015 gesunken sind.
Steueroase und Hort für Vermögen
Die Gelder aus „Entwicklungsländern gingen kaum zurück, weil nur wenige dieser Länder von diesem multilateralen Übereinkommen betroffen sind. So können Kriegsverbrecher und Diktatoren weiterhin ohne Sorgen Schweizer Ski-Orte besuchen. Allerdings bedeuteten diese Maßnahmen – zusammen mit den harten Strafen für Schweizer Banken in den USA – einen herben Rückschlag für ein Bankensystem, das seit dem Zweiten Weltkrieg die Speerspitze der kapitalistischen Klasse in der Schweiz war.
Die Schweiz war nicht nur ein Hort für Vermögen aus dem Ausland, sondern diente auch der eigenen Bourgeoisie und internationalem Kapital, in dem es das Land zu einer Steueroase für multinationale Konzerne wie dem Bergbauriesen Vale, Siemens, Logitech, Nissan und Cisco machte. Das besondere Steuersystem ermöglichte es Multis von der Schweiz aus Geschäfte zu machen und weniger als die Hälfte der Steuern zu zahlen, die sie woanders hätten abliefern müssen.
Um den Leuten die bittere Pille zu versüßen, mussten die Konzerne zumindest eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen in den Kantonen, in denen sie sich niederließen, schaffen.
Unternehmenssteuerreform III
Konfrontiert mit diesem Druck von außen entwickelte die herrschende Klasse einen Plan, diesen Forderungen Genüge zu tun und gleichzeitig multinationalen Konzernen und Schweizer Unternehmen gewaltige Geschenke zu machen. Damit das neue Steuersystem ausländische Holding-Gesellschaften nicht „besonders“ behandelt und abschreckt, sollten Körperschaftssteuern im Land und in den Kantonen gesenkt werden – und zwar für Unternehmen, die vermeintlich in „Forschung und Entwicklung“ investieren. In manchen Kantonen sollten die Körperschaftssteuern von 24 Prozent auf nur 13 Prozent erniedrigt werden.
Man versuchte den Leuten die Steuerreform als Unterstützung für die kleineren und mittleren Unternehmen zu verkaufen. Aber in Wahrheit zahlen 80 Prozent aller Unternehmen überhaupt keine Körperschaftssteuern auf Einkommen, weil sie keine genügend hohen Profite erwirtschaften.
Hinzu kommt, dass Steuerreform vorsah, die Verluste an Steuereinnahmen durch Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich und bei der Sozialhilfe wettzumachen. Die Menschen in der Schweiz mussten bereits zusehen, wie ihre Pensionen dramatisch gekürzt wurden, die Gebühren für private Krankenversicherungen in die Höhe schossen und die Arbeitslosigkeit stieg, während es immer schwieriger wird, an Arbeitslosenunterstützung zu kommen.
Verteidigte Mehrheit steuerliche Privilegien?
Über die Ablehnung des Referendums am 12. Februar berichteten Medien auf der ganzen Welt so, als ob 59 Prozent der Menschen die Steuervorteile des Landes verteidigt hätten (siehe dazu etwa das Volksblatt, die Salzburger Nachrichten oder Die Welt, Anm. d. Red). Das ist ein unglaublicher Schwindel.
In der ganzen bürgerlichen Kampagne für die Reform ging es nur darum, das bestehende Steuersystem zu verteidigen und es auf noch mehr Unternehmen auszuweiten, alles auf Kosten der Arbeiter_innenklasse, die Last der Maßnahmen hätte tragen müssen. Während es zu Beginn so aussah, als würde die Kapitalistenklasse nur einen Stück des Kuchens erhalten, wurde im Laufe der Kampagne tausenden Werktätigen, Arbeitslosen und Armen klar, dass die großen Bosse keine weitere Unterstützung bei der Hortung ihrer Profite bekommen sollten.
Obwohl die Sozialdemokratische Partei eine ähnliche Reform im Kanton Lausanne unterstützte, lehnte die Linke die vorgeschlagene Reform auf Bundesebene geschlossen ab. Flyerverteilaktionen, Demonstrationen, Streiks und Diskussionen machten diese Abstimmung zu einem historischen Sieg für die Linke.
Vorwärts
Darüber hinaus ist das Ergebnis eine Chance für Sozialist_innen, die Debatte über eine längst notwendige Offensive und Reichensteuern zu führen. Pflegepersonal, Lehrer_innen, Bauarbeiter_innen und Privatangestellte haben nichts an der Fortsetzung eines Steuersystems im Interesse der Unternehmen zu gewinnen.
Im letzten Jahr haben sich Lohnabhängige aus dem öffentlichen Dienst in Genf und Lausanne, Lehrpersonal und verschiedene Privatangestellte der neoliberale Agenda entgegengestellt und ihre Löhne in Streikketten verteidigt. Als Antikapitalist_innen sind wir verpflichtet, bei ihnen und mit ihnen zu stehen.
Dimitris Daskalakis ist Aktivist bei solidaritéS in Lausanne und kommt ursprünglich aus Athen. Übersetzung aus dem Englischen von David Reisinger und David Albrich.