Standing Rock: Diese Militanz kann Trump gefährlich werden
Der Hauptkritikpunkt der Gegner_innen an der Pipeline ist, dass sie entlang von Flüssen verläuft. Wenn sie leckt, kann das Trinkwasser von mehr als 17 Millionen Menschen verseucht werden. Die Sioux kritisieren auch, dass die Pipeline direkt durch ein heiliges Gebiet führt. In Anbetracht der US-amerikanischen Geschichte und des Genozides an den Native Americans hat das besondere Brisanz. Mehr als 300 indigene Stämme folgten dem Ruf der Sioux und schlossen sich dem Protest an. Einer von ihnen brachte es gegenüber der US-amerikanischen Zeitung Socialist Worker auf den Punkt: „Nach 500 Jahren Besatzung werden wir nirgendwo hingehen. Die sollen von unseren Stätten verschwinden!“
Banken, Erdöl und Trump
Die Pipeline wird vom Unternehmen Energy Transfer Partners gebaut und führt von North Dakota nach Illinois. Sie ist fast 2.000 Kilometer lang und soll nach Fertigstellung täglich 470.000 Barrel Rohöl transportieren. Bisher kostete das Projekt ca. 3,3 Milliarden Euro. Praktisch alle großen US-Banken inklusive der größten Bank in den USA, JP Morgan Chase, sind an der Finanzierung beteiligt. Doch auch der künftige US-Präsident Donald Trump hat seine Finger im Spiel.
Trump hat laut Guardian eine knappe Million Euro in die Firma Energy Transfer Partners investiert. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Kelcy Warren, spendete 95.000 Euro für den Wahlkampf von Donald Trump und weitere 57.000 Euro für die Republikanische Partei – natürlich mit „keinerlei Hintergedanken“, wie er betont. Die Aktivist_innen, die sich dem Bau in den Weg stellten, führen tatsächlich den Kampf, den Trump während seiner Präsidentschaftskampagne behauptete zu führen, nämlich den Kampf gegen das Establishment.
Polizei als Foltertruppe
Wegen der mächtigen Unterstützer des Projektes ging die Polizei mit – selbst für US-amerikanische Verhältnisse – außergewöhnlicher Gewalt gegen die Protestierenden vor. Sogar Irakkriegsveteranen waren von der Gewaltbereitschaft entsetzt: „Kurzzeitig hab ich mich wieder wie im Irak gefühlt.“
Die Polizei hetzte Kampfhunde und schoss mit Gummigeschossen und Tränengas auf die Demonstrant_innen. Bei Temperaturen von mehreren Minusgraden feuerte sie mit Wasserwerfern auf friedlich sitzende Menschen. Der Demonstrantin Sophia Wilansky musste ein Arm amputiert werden. Mehr als 500 Aktivist_innen wurden verhaftet.
Solidarität
Während der Protest in den ersten Monaten primär von direkt Betroffenen und Naturschützer_innen angeführt wurde, eskalierte er nach der Wahl von Trump zusehends. Der Kampf um Standing Rock wird als eine Entscheidungsschlacht über die weitere gesellschaftliche Entwicklung in den USA wahrgenommen. Mehr als 10.000 Menschen fuhren direkt zum Standing Rock und errichteten ein gigantisches Protestlager, weitere Zehntausende organisierten quer durch die USA Solidaritätsproteste. Das Lager umfasst mehrere hundert Zelte, neun Küchen und eine eigene Krankenstation. Zur Organisation des Lagers werden große Debatten und öffentliche demokratische Abstimmungen geführt.
Die „Black Lives Matters“-Bewegung und „Fight for 15“, die Bewegung für 15 US-Dollar Mindestlohn, solidarisierten sich mit den Protesten. „Fight for 15“ organisierte am 29. November in mehr als 300 Städten Streiks für den Mindestlohn und gegen Rassismus. Hunderte Gewerkschaftsaktivist_innen marschierten unter dem Motto „Labor for Standing Rock“ zu den Protesten.
Veteranen
Ein weiterer entscheidender Erfolg für die Gegner_innen der Pipeline war die Mobilisierung von mehr als 2.000 US-Veteranen. In der US-Armee befinden sich überdurchschnittlich viele Native Americans, denn für sie ist es eine der wenigen Möglichkeiten einen gut bezahlten Job zu bekommen. Dementsprechend gibt es hier Verbindungen zu den Veteranen-Verbänden. In einer berührenden Zeremonie entschuldigten sich die Veteranen für die historischen Verbrechen des US-Militärs: „Wir sind gekommen, um uns bei euch zu entschuldigen und um Verzeihung zu bitten. Diesmal werden wir euch nicht verraten.“
Es sieht so aus, als hätten die Aktivist_innen gewonnen. Doch alle bleiben skeptisch – zu oft hat sie der Staat schon betrogen. Die Camps sind nach wie vor gut gefüllt und sollte es Versuche geben, die Pipeline doch zu bauen, wird der Widerstand weitergehen.