Türkis geht unter, Braun treibt nach oben

Die türkise Truppe ist erledigt. Ihr Erbe: ein zusätzlicher Rechtsruck in Österreichs Politik. Kurz hat die Politik der FPÖ, besonders ihren hemmungslosen Rassismus, zur Normalität erhoben.
13. Dezember 2021 |

Vor viereinhalb Jahren ist Kurz an die Macht gekommen und er hat Kickl damals zum Innenminister gemacht. Jetzt ist Kurz endlich weg. Kickls Nachfolger als Innenminister ist Kanzler geworden: ein Mann, der im Rahmen der absurden Operation Luxor muslimische Kinder von vermummten Terrorkommandos überfallen ließ, offensichtlich bemüht, die islamfeindliche Stimmung in Österreich noch weiter anzuheizen.

Was vorerst bleibt nach Kurz, ist ein massiver Rechtsruck…

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Nehammer stand auch hinter der Deportation eines in Österreich geborenen Mädchens nach Georgien. Damit konnte man dem grünen Koalitionspartner und auch gleich dem Bundespräsidenten eins auswischen. Österreich durfte live zusehen, wie die ÖVP auf ihrem Weg nach rechts alles überrollt, was sich ihr in den Weg stellen wollte. Die Gültigkeit der Menschenrechte wurden von Kurz und Nehammer selbstbewusst infrage gestellt. Wiens Bürgermeister Ludwig hat er mit den Kinderdeportationen aus der Zinnergasse genauso öffentlich verhöhnt, wie den mächtigen ÖVP-Mann Christian Konrad oder die hunderttausenden freiwilligen Flüchtlings-Helfer_innen, die zu einem guten Teil aus der kirchlichen Basis kommen. Sogar die katholischen Bischöfe wurden mit dem Entzug öffentlicher Mittel erpresst, weil deren Appell an mehr Menschlichkeit der türkisen Inszenierung geschadet hatte. Karl Nehammer stand als Innenminister sogar weiter rechts als der italienische Rechtsaußen-Politiker Matteo Salvini. Österreich wollte immer noch Flüchtlinge nach Afghanistan abschieben als die Taliban schon die Macht übernahmen. Salvini sprach sich da schon für die Aufnahme von Flüchtlinge aus Afghanistan aus.

Spalten in der Pandemie

Kurz und Nehammer sind sehr wahrscheinlich keine Nazis, trotzdem ihre Flüchtlingspolitik direkt aus dem Lehrbuch jeglicher europäischer Nazipartei kopiert sein könnte. Aber natürlich profitieren von dem Rechtsruck, den die Türkisen hartnäckig und skrupellos von der Staatsspitze aus betrieben haben, am Ende die faschistischen Kräfte. Damit sind nicht nur Wahlerfolge für die FPÖ gemeint, die sich jetzt schon abzeichnen. Faschistische Parteien brauchen nicht nur Stimmen und Mitglieder, sie brauchen Gewalt. Und die Gewaltbereitschaft von rechts hat eindeutig zugenommen. Einerseits, weil die Neonaziszene aus Konkurrenz zur Ausländerfeindlichkeit der Türkisen sich radikalisiert, andererseits weil die Entmenschlichung von muslimischen Mitmenschen und von Flüchtlingen durch die hohe Politik natürlich Gewalt-enthemmend auf Rassisten wirkt.

Dazu kommt die Pandemie und die Wut, die sich hier ihren Weg bahnt. Eine Pandemiepolitik deren unumstößliche Priorität der Schutz der Menschen gewesen wäre, hätte man einfach vermitteln und durchsetzen können. Aber was Türkis-Grün hier geliefert haben, war ein echtes Desaster. Einmal dominierten die Wünsche irgendwelcher Hoteliers, wie jetzt bei den Öffnungen in Westösterreich, einmal die Wünsche der Industrie die Pandemiepolitik. Zu keinem Zeitpunkt dominierten die Gesundheit oder die größtmögliche Sicherheit aller die Pandemiepolitik. Gleichzeitig waren die Lockdowns darauf angelegt, vor allem unser Freizeitverhalten einzuschränken, und das in nicht nachvollziehbarer Art und Weise. Alle werden sich noch daran erinnern, dass die Bundesregierung während des ersten Lockdowns Parks nicht gerade zufällig in Wien schließen ließ. Sie übertrug die Verantwortung für die Ansteckungen auf das Freizeitverhalten der Normalbevölkerung, schoss scharf auf Wien und unterstützte ihre eigenen Freundchen. Natürlich hat das die Bevölkerung gespalten und die fortschreitende Polarisierung befördert.

Gewalt und Faschismus

An der Spitze der Corona-Proteste stehen beinahe immer Neonazis. „Wir sind das Volk“ brüllend haben sie am 16. November die Rettungsausfahrt und den Haupteingang des Klinikums Wels-Grieskirchen blockiert und das Personal beschimpft. Das wäre alles halb so bedrohlich, gäbe es da nicht die FPÖ, die ganz offen alles tut, um die Radikalisierung innerhalb der Querdenker-Szene stetig anzutreiben.

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Kickl dürfte es darauf angelegt haben, die Bewegung weiter zu radikalisieren, gewaltbereite Verschwörungstheoretiker aus der Bewegung heraus zu rekrutieren und die ganze Partei für eine Zeit auf diese Bewegung auszurichten. So kann er mit dem Aufbau einer rechten Protestbewegung gleichzeitig die Partei auf Linie bringen und die Regierung destabilisieren.

Paradiesische Zustände für Faschisten. Wären sie nur Rechtspopulisten, keine Faschisten, würde die FPÖ nicht für den Aufbau einer systemfeindlichen Bewegung so viel opfern – Ansehen und Mitglieder etwa. Denn wie man liest, verlassen doch hunderte Mitglieder wegen Kickl und Belakowitsch die FPÖ. Anders gesagt, wir nennen die FPÖ nicht faschistisch, weil sie noch rassistischer ist als die ÖVP, sondern weil sie mit den durch Rassismus und Verschwörungstheorien radikalisierten Leuten eine militante Bewegung aufzubauen versucht. Rechtspopulisten dagegen spielen mit Rassismus, Patriotismus und ähnlichem, um Stimmen zu maximieren, aber eine rassistische und gewaltbereite Bewegung aufzubauen, um damit gegen politische Gegner loszugehen, ist nicht ihr Ding.

Spiel mit dem Feuer

Noch ist die Geschichte nach dem Kurzsturz nicht zu Ende geschrieben. Die Bewegung der Querdenker könnte sich wegen der Einführung der Impfpflicht weiter radikalisieren, oder wegen einer beschleunigten Massenausbreitung neuer Coronavarianten in sich zusammenfallen. Was vorerst bleibt nach Kurz, ist ein massiver Rechtsruck. Was Kurz angetrieben hat, werden wir nicht so leicht erfahren. War er nur ein Zauberlehrling, der nicht wusste, welch dunklen Mächte er entfesselt? Oder hatte er und seine Unterstützer einen Plan? Wir wissen, dass die ÖVP-Granden ihn gefördert haben, weil sie von ihm die Schwächung der Sozialpartnerschaft erwarten durften. Prompt war eines seiner ersten Projekte gemeinsam mit der FPÖ die Einführung des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden-Arbeitswoche. Und das Muster kennen wir aus der Geschichte, wenn Unternehmer aus wirtschaftspolitischen Gründen rechtsextreme Politik gefördert haben, und dann mit rechtsextremen Terror aufgewacht sind.

Das zeigt aber auch, dass man weder vom Parlament noch vom Staat Unterstützung im Kampf gegen Faschismus erwarten darf. Diesen Kampf muss die Linke führen und dazu brauchen wir noch viel mehr Einigkeit und Geschlossenheit in unserer Ablehnung von Faschismus und Rassismus.

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