Warum Strache demonstrativ von Bevölkerungsaustausch spricht
Die FPÖ ist wegen ihrer engen Verbindungen zu den „Identitären“ heftig unter Beschuss geraten. Sie hat sich gewunden und, so weit es nur ging, distanziert. Erst nach vier Wochen reißt Strache selbst das Ruder wieder herum. Im Interview mit der Kronenzeitung wiederholt er, was Rechtsextreme seit Jahrzehnten faseln: „Wir wollen nicht zur Minderheit in der eigenen Heimat werden“, und pocht darauf: „Wir führen den Weg für unser Heimatland Österreich, den Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch, konsequent weiter.“
Verschwörungstheorien
Der Nazi-Terrorist von Christchurch hat sein Mordmanifest „The Great Replacement“ (der große Austausch) betitelt, bevor er kaltblütig 50 Menschen erschoss. Kurz zuvor hat er Österreich besucht, seine Bewunderung für die „Identitären“ ausgedrückt und von dieser Truppe wohl auch den Verfolgungswahn übernommen. Diese Idioten behaupten allen Ernstes, dass fremde Mächte die europäische Bevölkerung durch muslimische Zuwanderer ersetzen wollen. Von Viktor Orbán übernommen hat diesen Dreck zuerst FPÖ-Klubchef Johann Gudenus („es gibt stichhaltige Gerüchte, dass Soros daran beteiligt ist, wenn es darum geht, gezielt Migrantenströme nach Europa zu unterstützen“).
Rassismus als Zement
Für wenige Wochen wollten sie nichts damit zu tun gehabt haben. Warum Strache jetzt wieder zündelt, ist wirklich aufschlussreich. Wenn man ihn als Nazi versteht, dann hat er vor allem einen Grund: Nazis setzen solche rassistischen Verschwörungstheorien anders ein, als bloße Rechtspopulisten oder andere rassistischen Politiker. Sie wollen nicht nur von Missständen oder von unsozialer Politik ablenken (das zwar auch).
Und sie wollen nicht nur die Bevölkerung spalten, um Solidarisierung und vereinten Widerstand zu verhindern (das auch). Sie wollen aus Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, einmal auf rassistische Vorurteile hereingefallen sind, harte Rassisten machen und sie in die faschistische Bewegung integrieren. Faschisten verwenden Rassismus als Zement oder als Klebstoff ihrer Bewegung.
Die Kunst von Faschisten besteht heute darin, Menschen, die eigentlich nichts mit Nazis zu tun haben wollen, dazu zu bringen, sich mit solchen zu identifizieren. Deshalb spielen sie sich auch so konsequent als Opfer auf. Da hat dann plötzlich der Politiker mit 20.000 Euro Monatsgehalt dieselben Sorgen, wie die Verlierer der Wirtschaftskrise. Nämlich die da oben, die sich verschworen haben, damit sie nicht sagen dürfen, was vermeintlich Sache ist: Muslimische Einwanderer überschwemmen das Land und machen die armen Eingeborenen zur Minderheit im eigenen Land.
Vorgetäuschte Stärke
Den zweiten Grund für Straches Provokation hat der oberösterreichische FPÖ-Politiker, Sicherheitslandesrat Elmar Podgorschek, in einem Vortrag vor der deutschen AfD formuliert: „Man darf bei schweren Angriffen nicht die Nerven verlieren. … Jedes Zurückweichen bedeutet, dass der Gegner das Gefühl hat, er kann uns aus dem Sattel heben.“ Das ist ein strategischer Grundsatz, den nicht nur Faschisten kennen, aber die FPÖ hält sich konsequenter daran als andere.
FPÖ-Schwächen erkennen
Die Gegner der FPÖ müssen sich also fragen: Haben wir sie mit unseren Angriffen verwundet? Und können wir sie aus dem Sattel heben? Sie sind wochenlang wie aufgescheuchte Hühner herumgerannt und jetzt markieren sie wieder die Unbeeindruckten. Aber in Wahrheit sind sie wegen ihrer innigen Verbindungen zu den „Identitären“ und auch wegen ihrer Herkunft aus den deutschnationalen Burschenschaften, den Kaderschmieden der Nazi-Bewegung, schwer angeschlagen. Diese Verbindungen zu schlecht maskierten Nazis bleiben verwundbare Stellen.
Der selbstsichere Ton ist Gehabe, und kann nur dann Erfolg haben, wenn ihre Gegner darauf hereinfallen. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um schwere Geschütze aufzufahren und mit der richtigen Munition auf sie zu schießen. Das Signal dazu haben die Gewerkschaften und sogar die SPÖ-Spitze beim Maiaufmarsch gegeben.
Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner griff Strache frontal an, als sie sagte: „Der Vizekanzler selbst ist ein permanenter Einzelfall“, und forderte ihn zum Rücktritt auf. Einzelne Gewerkschaften trugen Banner, auf welchen sie Kickl und die FPÖ hart angriffen. Die antifaschistische Bewegung muss diese Gelegenheit beim Schopf packen, und gemeinsam mit der Arbeiter_innenbewegung kräftig die Nazikeule gegen die FPÖ schwingen. Dann wird die Regierung auseinanderbrechen.
Veranstaltungstipp
"Soll man Strache einen Nazi nennen?" mit Hans-Henning Scharsach (Autor von „Strache im braunen Sumpf“) und David Albrich (Linkswende jetzt, Autor von „Das Braunbuch FPÖ“) beim Kongress Marx is Muss. Infos auf marxismuss.at
Wann? Freitag, 10. Mai um 19:00 Uhr
Wo? Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien