Interviews mit Corona-Demonstranten. Was sind das für Leute und was wollen sie?

Linkswende führte 15 Interviews mit Teilnehmer_innen der Corona-Demonstrationen. Erkenntliche Rechtsextreme oder QAnon-Anhänger wurden nicht interviewt, was zu einer Verzerrung der Meinungen ins „positive“ führen kann. Die Argumentation des Artikels dreht sich um den nicht faschistischen Teil der Bewegung. Wenn so gewollt, wurden Namen anonymisiert. Eine Erkenntnis der Interviews ist, dass es sich noch nicht um eine Pegida 2.0 Bewegung handelt. Rassismus ist nicht ihr gemeinsamer Nenner, obwohl Neonazis aller Art in den Protesten ein Rekrutierungsfeld sehen. Politikverdrossenheit, Hass auf Medien und „kleinbürgerliche“ Kapitalismuskritik erinnern punktuell an die Gelbwesten in Frankreich. Jedoch fehlt eine selbstbewusste Arbeiter_innenklasse auf den Corona-Demonstrationen.
27. April 2021 |

Samstag, 10. April, etwas über 3.000 Menschen versammeln sich im Wiener Schweizergarten zum Protest gegen die Coronapolitik der Bundesregierung. Rechte Fußballhooligans neben Müttern mit Kinderwagen, organisierte Neonazis neben Esoterikern, die in der Sonne Yoga-Übungen machen, Lokalbesitzer neben Langzeitarbeitslosen. Die Stimmung liegt zwischen Volksfest mit Schlagern, Fußball-Fanmeile und Naziaufmarsch. Im Unterschied zu vorherigen Corona Protesten hat die FPÖ nicht offensiv mobilisiert. Keine Redner_innen, keine Bühne und die rechtsextremen Hooligans, welche einen Demonstrationszug wegführen wollen, haben Mühe die Menge zum losgehen zu motivieren. Viele bleiben mit Bier in der Wiese sitzen.

Rassismus nicht zentral

Die meisten der interviewten Personen zeigten sich gegenüber Flüchtlingspolitik desinteressiert. Weder solidarisch noch ablehnend. So erklärte Torben, ein 35-jähriger Angestellter, auf die Frage, ob er die Fluchtbewegungen nach Europa für ein Problem hält: „Um ehrlich zu sein, interessiert mich das überhaupt nicht. Wer sich an die Gesetze hält, Steuern zahlt und mich leben lässt wie ich will, den lass ich das auch. Für Leute, die sich nicht an Gesetze halten, für die gibt es Gefängnisse. Ich versteh die Aufregung um das Thema nicht.“ Angst vor einem Bevölkerungsaustausch, eine Propagandalüge der Identitären, die besagt, dass die globalen Eliten versuchen würden, die österreichische Bevölkerung auszutauschen, hat er nicht.

Fußballhooligans bedrohen linke Journalist_innen. © presse-service.net

Auch Maria, eine 18-jährige Schülerin, kann mit solchen „rassistischen Lügen nichts anfangen. Mein Freund ist Araber und kam selbst erst vor einigen Jahren nach Österreich. Er spricht deutsch, macht eine Lehre und respektiert unsere Kultur. Warum sollte jemand damit ein Problem haben? Er hat mich auch schon zu Protesten begleitet und nie schlechte Erfahrungen gemacht.“ Nikolai, ein 43-jähriger Selbstständiger, erklärte: „Nein, also die Frage ist doch bescheuert. Ich bin hier, um ein Zeichen gegen die Regierungsdiktatur zu setzen, nicht um mich mit Flüchtlingen auseinanderzusetzen. Jeder ist hier willkommen, Österreicher, Türke, Jude, Christ, Moslem, Antifa oder Rechter, darum gehts hier nicht. Wir sind hier, weil wir eingesperrt werden und wir das nicht akzeptieren.“ Für die vielen Nazis an ihrer Seite scheinen sie blind.

Sie treten nach oben nicht nach unten

Der britische Marxist Alex Callinicos stellt in einem aktuellen Artikel über die extreme Rechte weltweit fest: „Heute ist das Schlüsselelement der rechtsextremen Ideologie die Islamophobie. Die Islamophobie erlangte ihre tiefe Verankerung in den westlichen Gesellschaften als Folge des Kriegs gegen den Terror. Die rechtsextreme Version ist eine Radikalisierung der staatlichen und medialen Fokussierung auf Muslime als den ‚inneren Feind‘.“ Diese Form des Rassismus spielt auf den Corona-Protesten nur bei den Nazis eine Rolle, nicht bei unseren Interviewpartnern.

Die Israelitische Kultusgemeinde verschickte vor Corona-Protesten Sicherheitshinweise an ihre Mitglieder, aus Angst vor antisemitischen Übergriffen. Neben den klassischen Faschisten beteiligten sich an der Demonstration QAnon-Anhänger. QAnon ist eine antisemitische Verschwörungstheorie. Sie behauptet, eine kleine Elite aus Hollywood-Stars, Superreichen und Politikern würde Kinder entführen, sie missbrauchen und wolle durch ihr Blut unsterblich werden. Trotzdem ist offener Antisemitismus nicht das zentrale ideologische Merkmal der Proteste. Im ersten Moment richtet sich der Hass der nicht-rechtsextremen Corona-Demonstrant_innen nach oben, nicht nach unten. Politiker, Journalisten, Wissenschaftler das sind die Hauptziele der Kritik.

Misstrauen in die Elite

Der deutsche Soziologe Oliver Nachtwey publizierte die Studie Politische Soziologie der Corona-Proteste: „Die Bewegung der Querdenker:innen ist vor allem durch eine tiefe Entfremdung von Kerninstitutionen der liberalen Demokratie zu charakterisieren. Der parlamentarischen Politik und den Parteien, der Wissenschaft und den Medien – allen Institutionen schlägt großes Misstrauen entgegen.“

Die Proteste zeichnen sich durch ideologische Unterschiedlichkeit aus. © presse-service.net

Die Corona-Proteste sind Ausdruck eines tiefen Bruchs zwischen Eliten und großen Teilen der Bevölkerung. Im Zuge der Finanzkrise von 2008/2009 wurde deutlich, dass die Demokratie nicht im Sinne der Bevölkerung funktioniert. Billionen Euro gab es für die Rettung des globalen Finanzsystems, während Abertausende in die Langzeitarbeitslosigkeit geschickt wurden. 2014 fasste Callinicos zusammen: „Das Paradoxe an der gegenwärtigen Situation ist, dass das Kapital schwach ist – aber die radikale Linke ist viel schwächer. Oder das Kapital ist ökonomisch schwach, aber politisch viel stärker, weniger wegen der ideologischen Verbundenheit der Massen zum System, als wegen der Schwäche glaubwürdiger antikapitalistischer Alternativen“.

Die reformistische Linke zeigt regelmäßig, dass sie nicht dazu in der Lage ist, den sozialstaatlich abgefederten Kapitalismus der 50er und 60er Jahre zurück zu erkämpfen. Die revolutionäre Linke beherrschte durch die Straße die Politik abseits des Parlaments, aber dies gelingt uns primär über ideologische Bewegungen: Klima, Antirassismus, Antifaschismus.
Die klassischen Themen des Klassenkampfes – Löhne, Betriebsschließungen, Wohnraum usw. – mobilisierten kaum. Nicht zuletzt, weil die revolutionäre Linke diese Themen ohne Gewerkschaften und Selbstaktivität der Arbeiter_innenklasse nicht glaubwürdig anführen kann. In Österreich findet aktivierender Klassenkampf über Streiks so gut wie nicht statt.

Zusammengefasst: Die Tiefe der kapitalistischen Krise beim gleichzeitigen Ausbleiben einer selbstbewussten Antwort der Arbeiter_innenbewegung führt zum Aufblühen von obskuren Erklärungen für die Ungerechtigkeiten in der Welt: Verschwörungstheorien.

Ökonomische Ängste

Diese Politik, Geschenke für Reiche, Sparpakete für die Armen, welche wir von 2008 kennen, wiederholt sich in der Coronakrise. 450 Millionen Euro ist der Regierung die Rettung der Austrian Airlines wert. Während das Management des Konzerns weiter Provisionen einsteckt, werden über 1.000 Jobs abgebaut und die Löhne um über 13 Prozent gekürzt. Für Konzerne und Multimillionäre stellt die Coronakrise kein Risiko dar, die Superreichen haben ihr Vermögen um 50 Prozent gesteigert.

Auch wenn auf Basis von 15 Interviews nicht festzumachen ist, wie entscheidend ökonomische Ängste für die Demonstrant_innen sind, so spielen sie doch eine Rolle. Die Lokalbesitzerin Sabine erzählt: „Mein Café war nicht groß. Trotzdem konnte ich meine Familie und zwei Vollzeit-Angestellte über Kollektivvertrag bezahlen. Seit über 5 Monaten ist jetzt mein Geschäft geschlossen und die Corona-Hilfsgelder kommen zu langsam.“

Thomas, 25, hatte vor der Coronakrise einen Job in der Gastronomie. „Ich hab aktuell keine Chance, eine Arbeit zu finden. Ich hab, seit ich 18 bin, durchgehend gearbeitet und wollte nie irgendjemandem auf der Tasche liegen, weder meinen Eltern noch dem Staat. Doch aktuell gibt es für jemanden mit meiner Karriere keine Arbeit und das nur, weil die Regierung meint, sie muss aufgrund eines Virus, der gerade einmal ein Prozent der Infizierten tötet, alle einsperren. Menschen sollten die Freiheit haben zu entscheiden, ob sie sich dem Risiko einer Infektion aussetzen wollen oder nicht.“

Wie zufrieden sind sie mit der Politik von ÖVP-Grüne. 500 Befragte. © Statista 2021

Auch der 35-jährige Angestellte Torben beklagte: „Es geht ja nur mehr um den Virus, die sozialen Auswirkungen werden totgeschwiegen. Immer mehr Menschen werden arbeitslos und die Regierung ist schuld.“

Nicht gleich links

Besitzer_innen von kleinen Cafés oder Trafiken werden marxistisch dem Kleinbürgertum zugerechnet. Sie haben andere ökonomische Interessen als die Arbeiter_innenklasse. In den Interviews konzentrierte sich die ökonomische Kritik darauf, dass der Staat in die Wirtschaft eingreift. Hier wird die neoliberale Agenda übernommen, der freie Markt müsse unabhängig von staatlicher Einflussnahme sein. Als Linke kritisieren wir nicht, dass die Regierung Gastronomie und Handel geschlossen hat, sondern fordern die Schließung aller nicht überlebensnotwendigen Unternehmen. Anknüpfen können wir bei der Kritik an ausbleibenden Sozialhilfen für Menschen , die im Zuge der Krise arbeitslos geworden sind.

Bill Gates

Während innerhalb der extremen Rechten der jüdische Milliardär George Soros als der Inbegriff der mächtigen Elite gilt, ist es innerhalb der Corona-Proteste Bill Gates. Markus, ein 33-jähriger Trafikant, erklärte: „Wir leben doch längst nicht mehr in einer Demokratie. Politiker treffen sich doch wöchentlich mit den unterschiedlichen Superreichen. Ich mein, wenn ich mir jemanden wie Bill Gates anschaue, diesen Messias der Lügenpresse, der zahlt doch auch nur dafür, worauf er Lust hat. Ich hab da letztens ein YouTube-Video von Ken Jebsen gesehen, der schlüsselt auf, dass die WHO ohne den Spenden von Bill Gates schon längst pleite wäre. Der macht das doch nicht aus Nächstenliebe, dann könnte er auch Essen für afrikanische Kinder zahlen. Nein, der tut das mit einem Ziel und wir sollten darüber nachdenken, warum er das tut. Aber darüber schreiben die Medien nichts, gar nichts. Und wenn man ihnen Leserbriefe schreibt, ignorieren sie das. Oder sagen, du bist Verschwörungstheoretiker. Ja und, bin ich halt. Die Massenüberwachung der Amis war auch eine Verschwörungstheorie, bis es Snowden aufgedeckt hat. Solche Menschen, die den Mut haben, sich mit den Mächtigen anzulegen, koste es, was es wolle, brauchen wir.“

Sabine argumentierte in eine ganz ähnliche Richtung: „Es ist doch so. Unsere Regierung hat überhaupt keine Entscheidungsgewalt. Die macht, was ihr die EU oder die Experten vorgeben. Wie mich dieser Begriff immer aufregt. Die Experten sagen, die Experten meinen. Immer diese ominösen Experten und nie erfahren wir, warum sie Experten sind oder wer sie dazu gemacht hat. Aber es ist doch offensichtlich, Experte wirst du, weil du im Interesse der Elite handelst. Es ist doch kein Zufall, dass Bill Gates, Steve Jobs, Mark Zuckerberg und wie die alle heißen, ein Vermögen in irgendwelche die Wissenschaft fördernden Stiftungen verschleudern. Es gibt diesen Journalisten Ken Jebsen, der ist ein echter Experte. Und ich glaub, der ist auf der richtigen Spur, wenn man sich mit dem Coronavirus beschäftigen will.“

Ken Jebsen

Sechs der interviewten Personen wiesen auf Videos von Ken Jebsen hin, um ihren Standpunkt „wissenschaftlich“ zu untermauern. Jebsen wurde 2011 vom Rundfunk Berlin Brandenburg wegen antisemitischer Aussagen entlassen und betreibt seitdem sein extrem erfolgreiches Portal KenFM.
Ken Jebsen propagiert den kleinbürgerlichen „Antikapitalismus“, der sich durch seinen Fokus auf Verschwörungs­theorien und die Differenzierung in einen guten, kleinbetrieblichen, heimischen und einen bösen, ausländischen Konzern-Kapita­lismus auszeichnet. Erfolgreich ist er aber nicht zuletzt, weil er stellenweise an linke Themen wie Anti-Krieg, Sozialpolitik und Flüchtlingsrechte anknüpft. Ausgehend von diesen potenziell linken Standpunkten führt er die Leute nach rechts.

Selbständige sind auf Corona-Protesten überrepräsentiert. © Dr. Oliver Nachtwey

Die Nazis perfektionierten diesen kleinbürgerlichen „Antikapitalismus“ indem sie Jüdinnen und Juden mit dem bösen, ausländischen, „raffenden“ Kapital identifizierten. Als Gegenpol setzten sie das gute, deutsche, „schaffende“ Kapital. Für die Nazis waren Jüdinnen und Juden nicht nur eine minderwertige „Rasse“, sondern verantwortlich für alle Schlechtigkeiten von Kapitalismus UND Kommunismus. Darum ist das Treten nach oben gegen die kleine undefinierte Elite der Corona-Demonstrant_innen nicht ganz ungefährlich. Auch wenn sie die Schritte zum Antisemitismus der Nazis noch nicht gemacht haben, ist es möglich, dass sich viele dahin entwickeln.

Linke Kapitalismuskritik

Kapitalismus ist als System verbrecherisch, aber seine Protagonisten sind austauschbar. Das Handeln der Protagonisten ist von wirtschaftlichen Gesetzen, allem voran der Profitmaximierung bestimmt. Eine moralische Kritik an diesen Protagonisten ist nicht Diskriminierung, wie es uns der liberale Mainstream manchmal einreden will.

Gerade weil Kapitalismus auf Profitmaximierung basiert, spült er die übelsten Charaktere nach oben, die Gierigen, die Rücksichtslosen, die Unmenschlichen, und die können nur dort oben bleiben, wenn sie diese Eigenschaften kultivieren und zur Spitze treiben. Man nehme nur den VW-Konzern, der aus Rache Leiharbeiter_innen bei MAN kündigt. Man muss trotz der richtigen moralischen Kritik im Hinterkopf behalten, dass es sich beim Kapitalismus um ein System handelt, das menschenzerstörend ist, nicht um Einzelpersonen. Der Unterschied zwischen Waldviertler Schuhen und Nike ist nur, dass sie unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen.

Unterfinanzierung der WHO

Nicht alle Verschwörungstheorien sind so verrückt wie QAnon. Staat und Wirtschaft versuchen tatsächlich Informationen vor uns geheim zu halten, man denke nur an Snowden, das Schreddern von Akten durch die ÖVP, die Finanzierung von Klimawandelleugnern durch BP, Shell und Co.
Beispielsweise ist es richtig darauf hinzuweisen, dass nur mehr 20% des WHO-Budgets staatlich und die restlichen 80% privat finanziert sind. Natürlich nehmen Gates und Pharmaunternehmen durch ihre Spenden Einfluss auf die WHO. Trotzdem ist es Unsinn hinter dieser versuchten Einflussnahme die große Weltverschwörung zu vermuten. Gerade weil sich die WHO immer wieder als störender Faktor für Profitinteressen von Konzernen herausstellt. Von der Forderung nach patentfreien Impfstoffen über die Investition in Forschung zur Bekämpfung von Krankheiten, welche insbesondere Dritte-Welt -Länder treffen (bspw. HIV), immer wieder positioniert sich die WHO gegen die Interessen der globalen Eliten.

Ideologische Diversität

Die Proteste zeichnen sich durch ideologische Unterschiedlichkeit aus. Selbst beim Thema Corona reicht die Palette der Meinungen von offenem Leugnen der Pandemie – Florian: „Das ist doch alles eine Lüge der Medien, die von Gates finanziert werden, um uns alle zu impfen“ – bis zur Kritik an der Überdramatisierung der Gefährlichkeit, „nicht schlimmer als eine Grippe“. Auch absolut gerechtfertigte Kritik führt auf die Demos. Sabrina, eine 68-jährige Pensionistin, welche lange Zeit an der Rezeption einer Arztpraxis saß, sagt: „Allgemeinbildung sagt einem, dass sich Viren in geschlossenen Räumen verbreiten. Aber jetzt bekommt mein Enkel eine Strafe, weil er so vernünftig ist, sich am Abend am Karlsplatz und nicht in seiner Wohnung zu treffen. Früher nannte man so etwas Unrechtsstaat und dagegen gilt es zu kämpfen.“

Faschistische Bedrohung

Angesprochen auf Neonazis und Faschisten, die sich auf den Demonstrationen versammeln, wurde das Problem entweder geleugnet – Tobias: „Ich sehe hier keine Faschisten. Es sind doch auch Ausländer da und niemand hat ein Problem mit ihnen und sie offensichtlich auch nicht mit uns. Wir alle gemeinsam gegen die Regierung“ – oder verharmlost: Markus: „Das letzte Mal Ausgangssperre war unter den Nazis. Das sind doch die Faschisten, die in der Regierung. Jeder ist hier willkommen, ganz egal woher er kommt oder was seine politische Einstellung ist. Auch die Antifa kann sich gerne zu uns stellen. Denen kann es doch auch nicht recht sein, dass sie abends nichts mehr trinken dürfen und ihre Jobs verlieren.“ Die Akzeptanz für Faschisten ist das Gefährlichste an diesen Demonstrationen. In einem Land, in dem es ganz normal ist, dass die „indirekte Nachfolgepartei der NSDAP“, die FPÖ, zu Talkshows und TV-Interviews eingeladen wird, nicht überraschend.

Was tun?

Es ist richtig und wichtig, die faschistischen Elemente der Corona-Proteste bloßzustellen. Jedoch ist es zu wenig, nur auf Antifaschismus zu setzten. Zunehmende Politikverdrossenheit und die Lust, denen da oben eins auszuwischen, sind Phänomene, die man in den letzten Jahren vermehrt beobachten konnte. Man denke nur an den kometenhaften Aufstieg der 5-Sterne Bewegung in Italien, das Brexit-Votum in England oder die Gelbwestenbewegung in Frankreich. Gerade bei den Gelbwesten war Wut auf alle etablierten Parteien bzw. auf Politik generell ein treibender Faktor der Revolte und auch in ihren Reihen ließen sich Verschwörungstheorien finden. Ihr Beispiel zeigt auch, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass Politikverdrossenheit und Hass auf die da oben nach rechts führen.

Es kann nicht gelingen, die aktuellen Corona-Proteste nach links zu politisieren: Erstens ist dafür die faschistische Beteiligung viel zu hoch, zweitens muss unser zentrales Argument gegen die Ausweitung des Coronavirus ein konsequenterer Lockdown sein. (siehe dazu unser Artikel zum Thema Zero Covid) Trotzdem müssen wir uns gegen die von Liberalen geäußerte Vorstellung richten, die Corona-Proteste oder generell die Undiszipliniertheit der Bevölkerung wäre verantwortlich für die entsetzliche Situation in den Intensivstationen. Wer Schuldige für die Katastrophe sucht, der sollte an den Türen der Regierungen klopfen.

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