Wahl-Debakel der CSU in Bayern bringt Regierung in Berlin in Bedrängnis
Die Tage von Innenminister Horst Seehofer (CSU) könnten nach den dramatischen Verlusten für die CSU in der bayrischen Landtagswahl gezählt sein und auch für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird es eng. Die Regierung in Berlin steht auf tönernen Füßen. Deutschland ist der „Wirtschaftsmotor“ in Europa. Kriselt es in Berlin, vergrößert sich damit auch die politische Instabilität der gesamten Europäischen Union (EU). Umfragen sagen bereits weitere schwere Verluste für die CDU bei den hessischen Landtagswahlen Ende Oktober voraus.
In Bayern hat die CSU am Sonntag eine historische Niederlage eingefahren. Sie stürzte um 10,5 Prozentpunkte auf 37,2 Prozent ab und verliert die absolute Mehrheit in Mandaten. Rassismus führt offensichtlich nicht automatisch zum Erfolg. CSU-Politikerin Barbara Stamm sagte im Bayerischen Rundfunk (BR): „Ich erlaube mir jetzt etwas zu sagen, was ich bisher nur in internen Sitzungen gesagt habe. Man kann rechts nicht so viel gewinnen, wie man in der Mitte verliert.“ Die CSU hat 160.000 Wähler_innen an die rechtsextreme AfD verloren, aber auch 170.000 an die Grünen.
Rassismus stärkte AfD
Gemäß der Devise des ehemaligen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß, „Rechts neben uns ist nur noch die Wand“, versuchte Spitzenkandidat Markus Söder der Alternative für Deutschland (AfD) mittels Rassismus gegen Migranten und Flüchtlinge das Wasser abzugraben. Er holte sich dafür Wahlkampfunterstützung aus Österreich – ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, der kurz zuvor mit der Übernahme eines Neonazi-Slogans auf Twitter für Aufregung sorgte: „Wer heute nicht klar regelt, wer in sein Land einwandern darf, der wird sich bald in seinem eigenen Land fremd fühlen.“
Der Unterschied zu Österreich: Kurz verbindet Rassismus mit einer bislang glaubwürdig erscheinenden „echten Veränderung“ und hat dabei das Streiten zwischen sich und der FPÖ beendet. Dagegen steht der Koalitionsstreit in Berlin zwischen Seehofer und Merkel über die Schließung der Grenzen und die Errichtung von neuen Internierungslagern für Flüchtlinge. Eine deutschlandweite Vorwahlbefragung ergab, dass 60 Prozent mit der Rolle der CSU in der Bundesregierung unzufrieden sind. Ein großer Gewinner dieser fatalen Strategie war die AfD.
Wer regiert, verliert
Aber nicht nur die CSU ist in Bayern eingebrochen, auch die SPD erlitt eine historische Niederlage – ihr Stimmanteil halbierte sich, sie stürzte auf 9,7 Prozent ab. Sie wurde für ihre erneute Beteiligung an der Regierung Merkel abgestraft. Bereits der Rückzieher vom Rückzieher (zuerst erklärte SPD-Vorsitzender Martin Schulz nach der Bundestagswahl den Gang in die Opposition, um sich dann doch wieder an der Koalition zu beteiligen), sorgte für gewaltigen Unmut in der Jugend und Basis der Partei. 88 Prozent der SPD-Wähler sagten in einer Umfrage zur Bayern-Wahl, dass es Zeit für die SPD ist, sich in Berlin in der Opposition zu erneuern.
SPD-Chefin Andrea Nahles sagte noch am Wahlabend, sie halte es für falsch, jetzt „rote Linien“ zu ziehen (also ein eigenes Profil zurück zu gewinnen), sondern dass sich lediglich „der Stil der Zusammenarbeit (in der Regierung) ändern muss“.
Eine Eskalation des Konflikts mit der Basis ist vorprogrammiert. Stefanie Kramer, Vorsitzende der Jusos Bayern (Jugendorganisation der SPD), sagte nach der Wahl: „Die Große Koalition ist der Totengräber der Sozialdemokratie und die SPD springt seit Jahren freiwillig in ihr Grab.“ Eine „starke Positionierung der Bayern SPD gegen das Polizeiaufgabengesetz, für Menschenrechte und Anstand“ waren, so Kramer, „in der Öffentlichkeit kaum sichtbar“. Am Ende könnte die SPD gezwungen sein, die Koalition doch zu beenden.
Klare Kante gegen Rassismus
Ein großer Gewinner sind die Grünen, die von ihrer Oppositionsrolle profitieren konnten. 73 Prozent ihrer Wähler_innen gaben als wichtigstes Wahlmotiv die Umwelt- und Klimapolitik an. Die Grünen konnten glaubwürdig den jüngsten Erfolg der Klimabewegung, dem Rodungsstopp und Abzug der Polizei im Hambacher Forst, verkörpern. Sie waren spürbarer Teil der gewaltigen antirassistischen #WirSindMehr-Mobilisierungen seit den Naziaufmärschen in Chemnitz, gegen das neue bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG) und zeigten eine klare antirassistische Kante, die ihre Unterstützer auch wahrgenommen haben: 93 Prozent der Grün-Wähler_innen sagten, dass sie es gut finden, dass sich die Grünen für eine „humane Asylpolitik“ einsetzen.
DIE LINKE konnte diese Stimmung leider nicht für sich nutzen, sie schaffte mit 3,2 Prozent den Einzug in den Landtag nicht. Das darf auch nicht ganz verwundern. Entgegen allen Parteitagsbeschlüssen und Erwartungen der Mitglieder distanzierte sich Fraktionschefin Sahra Wagenknecht von der riesigen antirassistischen #unteilbar-Demo mit 242.000 Menschen in Berlin. DIE LINKE muss sich klar als Protest- und Bewegungspartei, für offene Grenzen und Umweltschutz positionieren, wenn sie von der Polarisierung ebenfalls profitieren will.