„Zur Zeit“-Herausgeber Andreas Mölzer: „Ja, wir veröffentlichen rassistische Texte“
Die FPÖ-nahe Zeitschrift Zur Zeit kam zuletzt wegen des faschistoiden Artikels „Mehr Recht, Ruhe und Ordnung im Land“ (Zur Zeit 40/2018) unter heftigen Beschuss. Darin wurde unter anderem „geschlossene Sonder-Schulen“, die Einführung von „Arbeitshäusern“, die Versetzung von „widerspenstigen Lehrern“, und die Säuberung des ORF von „linksextremen Elementen“ gefordert.
Angeblich sei der „missglückte Text“, so Herausgeber Andreas Mölzer (FPÖ), „unkontrolliert ins Blatt“ geraten. Unkontrolliert? Im gleichen Editorial (Zur Zeit 42/2018) gibt Mölzer zu: „Und tatsächlich ist es ja so, dass wir, die ‚bösen Jungs‘ von ‚Zur Zeit‘, deutschnationale, rassistische und antisemitische* Texte publizieren. Ja, wir sind tatsächlich der Meinung, dass Österreich historisch einen großen Anteil an der deutschen Geschichte hat und dass wir ethnisch und kulturell der deutschen Kulturnation zugehören. Und ja, wir sind tatsächlich der Meinung, dass die Massenzuwanderung mittel- und längerfristig so etwas wie einen Bevölkerungsaustausch nach sich ziehen könnte und dass wir daher für den Schutz der autochthonen Bevölkerung eintreten. Wenn man so will, ist das rassistisch.“
Deutsche Volksgemeinschaft
Was Mölzer unter „deutscher Kulturnation“ und Schutz vor dem „Bevölkerungsaustausch“ versteht, darf ein gewisser Wolfgang Caspart (Mitglied des „Corps Saxonia“ und ehemals führender Funktionär im Freiheitlichen Akademikerverband) ein paar Seiten später ausführen. Die „Kultur-, Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft“, so Caspart, erfordere eine „Ordnung nach innen“ und „Schutz nach außen“, mit anderen Worten, die von den Nazis propagierte „deutsche Volksgemeinschaft“, die häufig als „Blut- und Schicksalsgemeinschaft“ beschrieben wurde. Nur ein paar Ausgaben zuvor durfte Caspart in Zur Zeit offen „über die Notwendigkeit einer Konterrevolution“ sinnieren. Er schrieb: „Von der Demokratie bleibt nur ein schöner Schein, ihre konterrevolutionäre Beseitigung würde der breiten Masse keineswegs schaden. […] Alles, was europäische Kultur zerstört und krank gemacht hat, muss selbst vernichtet werden.“
Solch eine „revolutionäre Überwindung“ plante eben die rechtsextreme Terrorzelle „Revolution Chemnitz“, die bereits im Begriff war, sich halbautomatische Waffen zu besorgen, ehe sie von der Polizei ausgehoben wurde. Bernhard Tomaschitz verharmlost die Gefahr in Zur Zeit, sprach von „angeblichen Rechtsterroristen“, die – im Verschwörerton – scheinbar „von höchster Stelle eingesetzt“ wurden, um „das Thema Patriotismus zu verunglimpfen“ (Zur Zeit 41/2018).
Antisemitische Verschwörungstheorien
In derselben Ausgabe, in der Mölzer antisemitische Texte bestätigt, erscheint ein Artikel zur „jüdisch-freimaurerischen Geschichte“ der neuen SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, die angeblich 2018 zur „Weltverschwörerrunde“ der Bilderberger in Turin (O-Ton Zur Zeit) geladen gewesen wäre (Zur Zeit 42/2018). Zur Zeit knüpft hier schamlos an die antisemitischen Weltverschwörungstheorien an. Nur eine Nummer zuvor faselt der schon genannte Tomaschitz etwas von einem „krakenartigen Netzwerk der von Soros unterstützten Organisationen“ gegen „die autochthonen Europäer“ (Zur Zeit 41/2018). Wieder eine direkte Anspielung auf die unter modernen Faschisten beliebte Verschwörungstheorie, wonach der „Jude“ George Soros einen geheimen Plan verfolgte, Europa durch Masseneinwanderung zu „islamisieren“. Die Krake war ein beliebtes Symbol der Nazis für die angebliche „geheime Allmacht“ der Juden.
Da darf selbstverständlich ein Udo Landbauer (FPÖ), der kurzzeitig wegen des Naziliederbuch-Skandals seiner ehemaligen Burschenschaft „Germania“ zurücktreten musste, wieder Gastkommentare schreiben. Um der „unkontrollierten Massenzuwanderung Herr“ zu werden, fordert Landbauer „Sozialstunden“ als „Erziehungsmaßnahme“ für ausländische Schüler (Zur Zeit 42/2018).
Ehre und Treue
Apropos Liederbuch. Alexander Schleyer, ehemaliger FPÖ-Parlamentsmitarbeiter und „Identitären“-Aktivist, diffamiert in der gleichen Nummer die Falter-Aufdeckerin Nina Horaczek als „linksradikale Journalistin mit fettigen Haaren“, die „irgendwo irgendein Liederbuch“ entdeckt (Zur Zeit 42/2018). Er nennt sie zwar nicht namentlich, es geht aber aus dem Kontext klar hervor, dass Horaczek gemeint sein muss, die den Stein im Landbauer-Skandal ins Rollen brachte. Schleyer durfte darüber hinaus eine zweiseitige Lobeshymne auf das Mitglied der antisemitischen rechtsextremen Terror-Gruppe Organisation Consul (der Weimarer Republik), Ernst von Salomon, und das konterrevolutionäre Freikorps Marine-Brigade Ehrhardt schreiben, die „für die Beseitigung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich“ waren (Zur Zeit 41/2018).
Schleyer hetzte bereits zuvor gegen „ungezogene Kanackenkinder“ und ihre „primitiven Eselfickerkulturen“, bezeichnete Homosexuelle in NS-Diktion als „Zersetzer“ und veröffentlichte Fotos von sich, dem tapferen deutschen Bürschchen (er ist Mitglied des „Corps Hansea Wien“) mit frischem Schmiss nach blutiger Mensur (diese Deutschnationalen zerschneiden sich gegenseitig die Gesichter, um unter Beweis zu stellen, dass sie bereit sind, für die deutsche Volksgemeinschaft zu morden und zu sterben).
Verachtung der Demokratie
Eben diese Zur Zeit wollte die dritte Nationalratspräsidentin, Anneliese Kitzmüller (FPÖ), im Namen der Republik mit einem „Medienpreis“ in den Räumlichkeiten des Parlaments auszeichnen. Und das noch dazu einen Tag vor dem Gedenken an die Novemberpogrome, am 9. November, an dem Tag, an dem 1938 hunderte Jüdinnen und Juden ermordet und deportiert wurden. Das sagt alles über den wahren Charakter der FPÖ aus und erinnert an Hitlers Umgang mit dem Parlament. 1924 schrieb er während seiner Haft in Landsberg: „Statt die Macht durch Waffengewalt zu erringen, werden wir zum Ärger der katholischen und marxistischen Abgeordneten unsere Nasen in den Reichstag stecken. Wenn es auch länger dauert, sie zu überstimmen als sie zu erschießen, so wird uns schließlich ihre eigene Verfassung den Erfolg garantieren.“
* Mölzer rechtfertigt sich in der Folge mit Israelkritik, aber ungeachtet dessen, finden sich echter Antisemitismus in der Zeitschrift, wie im Artikel unzweifelhaft belegt, Anm.