Nach der US-Wahl: Warum es jetzt auf die Linke ankommt

Trump hat sich vor Ende der Stimmenauszählung zum Sieger der US-Wahl erklärt. Ob er damit durchkommt, hängt vom Widerstand auf der Straße ab. Artikel erstmals erschienen auf marx21.de.
9. November 2020 |

Die US-Präsidentschaftswahl ist vorbei. Sieger ist der Kandidat der Demokratischen Partei Joe Biden. Donald Trump hatte sich bereits in der Wahlnacht um 3 Uhr Ortszeit zum Sieger der Wahl erklärt. Das zeigt, wessen Geistes Kind er ist: Ein Antidemokrat.

Trumps vorhersehbares Manöver

Trump erklärte weiter, er werde nun darauf hinwirken, die Auszählung offener Briefwahlstimmen gerichtlich stoppen zu lassen. Dieses Manöver war vorbereitet. Trump hatte stets offengelassen, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde. Seit Monaten malte er das Gespenst einer Wahlfälschungen zugunsten seines Herausforderers von der Demokratischen Partei an die Wand, wetterte gegen die Briefwahl und setzte zuletzt mit aller Kraft die zügige Ernennung der erzkonservativen Amy Coney Barrett für den Supreme Court durch. Dieser könnte nun mit einer deutlichen republikanischen Mehrheit darüber entscheiden, ob die Auszählung der Briefwahlstimmen gestoppt wird, bevor das Endergebnis feststeht.

US-Wahl: Aufgaben der US-Linken

Viele US-Linke haben vollkommen zu Recht davor gewarnt, dass die in den letzten Jahren gewachsene sozialistische Bewegung in den USA einen neoliberalen Kandidaten wie Joe Biden unterstützt. Die Entscheidung des Establishments der Demokratischen Partei die Kandidatur des bekennenden Sozialisten Bernie Sanders mit allen Mitteln zu verhindern und stattdessen eine Figur wie »Shoot ‘em in the leg«-Joe Biden ins Rennen zu schicken, hat einmal mehr gezeigt, dass die Demokraten ein Friedhof jeder Hoffnung auf Veränderung sind.

Trotzdem liegt es jetzt an der Linken, den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wie Black Lives Matter das demokratische Prinzip zu verteidigen, dass jede Stimme zählen muss. Die Kapitulation der Führung der Demokratischen Partei im Jahr 2000 gegenüber Bush hat gezeigt, dass das liberale Establishment weder willens noch in der Lage dazu ist. Es kommt auf den Widerstand von unten an! Anders als im Jahr 2000 hat die Linke dieses Mal – nach den Mobilisierungen um Black Lives Matter, #metoo, die Lehrerinnen- und Lehrerstreiks und die Kampagne um die Kandidatur von Bernie Sanders – die Chance einzugreifen. Im Vorfeld der US-Wahl haben mehrere progressive Gewerkschaften, etwa die Lehrergewerkschaft in Chicago, bereits angekündigt, mit Massenprotesten dagegen vorzugehen, sollte Trump sich vorzeitig zum Sieger erklären. Statt auf die Gerichte zu hoffen, um Trumps Pläne zu durchkreuzen, muss nun mobilisiert werden.

»Demokratie« in den USA

Die Verfassung der USA von 1787 diente dem Zweck die Sklaverei aufrechtzuerhalten und seither blieb das politische System im Kern unverändert. Institutionen wie das „Electoral College“ und das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ des reinen Mehrheitswahlrechts wurden in die Verfassung geschrieben, um ein störungsfreies Funktionieren des Systems zu gewährleisten und es gegen die „Gefahren“ einer echten Demokratie abzusichern.

Die Tatsache, dass das korrupte und in vielerlei Hinsicht vollkommen undemokratische US-Wahlsystem es zulässt, dass nicht die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt, spricht für sich. Genauso die Tatsache, dass es im Rahmen des Möglichen ist, dass Gerichte darüber bestimmen, ob alle abgegebenen Stimmen überhaupt ausgezählt und berücksichtigt werden. Es ist offensichtlich, dass die Herausforderung der US-Linken nach der Niederlage von Bernie Sanders darin besteht, dieses System als Ganzes herauszufordern. Es braucht eine linke Alternative zu den beiden großen pro-kapitalistischen Parteien. Und es braucht einen Kampf gegen das undemokratische Wahlsystem, bei dem nicht die Bevölkerung, sondern das „Electoral College“ letztlich über die Präsidentschaft entscheidet.

Massenproteste und Streiks

Die Aufgabe der Stunde besteht jetzt jedoch darin, gegen Trumps Manöver auf die Straße zu mobilisieren sowie in den Gewerkschaften und Betrieben Druck aufzubauen, auch mit Streiks gegen den Versuch vorzugehen, den Ausgang der US-Wahl zu fälschen. All das bedeutet nicht, dass sich die US-Linke nun doch hinter Biden stellen sollte. Massenproteste und Streiks gegen Trump sind keine Unterstützung für das bankrotte Establishment der Demokraten und ihren Kandidaten, sondern ein notwendiges Mittel im Kampf um die Verteidigung eines Mindestmaßes an Demokratie. Zugleich geht es darum, eine langfristige Alternative dazu aufzubauen, in vier Jahren erneut den vergeblichen Kampf um eine Linkswendung der Demokratischen Partei führen zu müssen. Aus dem Widerstand gegen Trump und die politische Rechte könnte eine solche Alternative entstehen. Dafür gilt es jetzt zu kämpfen.