Der Rüdengasse ihr FEST: „Am Plotz san olle gleich gleich!“
Wenn wir vor dem wirklichen Sommer, seinen dazugehörigen Reisen oder doch Absenzen uns noch einmal in Wien Mitte zusammenfanden, dann taten wir das an einem Ort in der persönlichen Umgebung: an dem Platz, von dem aus das Neue und Frische nach Erdberg fließt: am Kardinal-Nagl-Platz im dritten Wiener Gemeindebezirk, der die beiden Teile der Rüdengasse miteinander verbindet.
Nach diesem parkbewaldeten Geviert kräht in Wien normalerweise kein Hahn. Lediglich in Wahlkampfzeiten ist hier Lärm. Wenn Faschist_innen am Platz stehen, Hetzblätter verteilen und man den grausamen Klängen der „John Otti Band“ lauschen darf, weiß man: Es ist Wahlkampf und die FPÖ marschiert auf. Mit einer schmerzenden Wut im Bauch überqueren wir Linke im Grätzl dann den Platz und schauen bös drein. Diese Untätigkeit kann einen so richtig ankotzen, wenn man aus seiner Wohlfühlzone raus kommt – jener Umgebung des Freundes- und Bekanntenkreises, in dem (angeblich) keiner FPÖ wählt.
Was mir am 4. Juni aufgefallen ist: Die rechten Provokateure kommen auch zu unserer Veranstaltung und pöbeln, wenn auch nur verbal. Aber sobald sich der Platz einigermaßen gefüllt hatte, gab es auch keine Provokationen mehr. Solidarität in der Nachbarschaft und eine positive Stimmung des friedlichen Zusammenlebens und der Verständigung sind eine Waffe gegen die faschistische Bedrohung. Das Leitmotiv unserer Vereinsarbeit lautet nicht zufällig „Solidarität in der Nachbarschaft und Freundschaft in der Welt“.
In knapp 20 Planungstreffen sind wir seit Jänner dem 4. Juni näher und näher gekommen. Immer mehr Menschen haben sich eingeschaltet und ihr Engagement angeboten: Leute aus der Nachbarschaft, Festbesucher_innen aus dem Vorjahr, Freunde, Bekannte und Verwandte, auch Leute, die im Internet auf unser Projekt aufmerksam wurden. Schlussendlich waren bis zu 56 Helfer_innen aktiv.
Die Einnahmen der diesjährigen Benefiz-Tombola gingen an PROSA – Projekt Schule für alle. PROSA ist eine Bildungsinitative zur Bildungsförderung junger Menschen mit Fluchterfahrung und bereitet diese mittels Basisbildungskursen und eigenen Lehrplänen auf den Pflichtschulabschluss vor. Dutzende engagierte Menschen leisten hier Arbeit, die der Staat Österreich nicht bereit ist zu leisten. Man ist angewiesen auf Spenden und Crowd-Funding.
Unser Anliegen war es, den Festbesucher_innen „Konzerte auf Augenhöhe“ anzubieten – im Gegensatz zum zeitgleich stattfindenden SPÖ-Event „Rock in Vienna“ ohne erhöhte Podeste, abgezäunte Bühnenshows und aggressives Security-Konzept. Die beiden Bühnen, die abwechselnd bespielt wurden, haben im Verein aktive Künstler_innen gestaltet. Aufgetreten sind insgesamt 14 Musik-Acts, unter anderem Ernst Molden & Walther Soyka.
Ersterer, Sohn des Widerstandskämpfers Fritz Molden, zählt zu den ganz Großen des Wienerliedes und ist außerdem Schriftsteller. Bei uns in Erdberg ist er eine Lokalkoriphäe. Im benachbarten Rabenhof werden seine Stücke aufgeführt, in der Arena tritt er regelmäßig auf, außerdem wohnt er seit Längerem hier im Dritten. In einer Kolumne schrieb er einmal „If you can make it there you can make it everywhere!“ und meinte damit den Kardinal Nagl Park. Da mussten wir ihn einfach um eine Teilnahme fragen. Seine Zusage hat mich als Molden-Fan besonders vom Hocker gerissen. Dass er auf seine Hutspende verzichtet und diese stattdessen an PROSA übergeben hat, macht ihn noch sympathischer.
Hunderte Menschen haben an unserem Grätzlfest mit dem Motto „Am Plotz san olle gleich gleich!“ teilgenommen. Einen Ehrengast gab es dennoch: das Herz der U-Bahn-Station Kardinal-Nagl-Platz, unser Augustin-Verkäufer und Freund Forbi Unams.
Wer wir sind? Wir sind der FK Rüdengasse – ein Fußballkulturverein internationaler Freunde. Wir verbinden Menschen über Fußball und kulturelles Engagement. Wir suchen Solidarität in der Nachbarschaft und Freundschaft in der Welt. Im Jahr 2015 sind wir vom Österreichischen Integrationsfonds mit dem Integrationspreis Sport ausgezeichnet worden.