Aufmarsch von Neonazis konfrontiert und aufgehalten
Im Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus hat Norbert Hofer „nur“ 30,7% der Stimmen bekommen, eines der schlechtesten Ergebnisse für Hofer in ganz Österreich. Durch diesen Bezirk wollten am Samstag, 11. Juni, die Neonazis der „Identitären“ marschieren. Sie wollten das tun, um Stärke zu demonstrieren: Schaut her, wir marschieren durch einen Ausländer-Bezirk, und sie haben uns nicht aufgehalten! Naziaufmärsche sollen die Gegner einschüchtern und dem menschlichen Abschaum, mit dem sie ihre Bewegung aufbauen wollen, imponieren. Das ist ihnen glücklicherweise nicht gelungen.
Mehmet, ein etwa 60 Jahre alter Arbeiter aus der Türkei, hat sich sehr darüber geärgert, dass zu wenige Türk_innen mit demonstriert haben. „Ich finde es nicht in Ordnung, dass sie uns mit ihren Handys fotografieren und dann nicht mitkommen!“ Aber auch Mehmet hat das Flugblatt erst am Tag zuvor in die Hände bekommen. Warum er demonstriert, sagte er im Gespräch mit der Neuen Linkswende: „Weil ich seit 40 Jahren in Österreich lebe und immer gearbeitet habe. Ich habe hier drei Kinder bekommen und alle sind verheiratet. Ich habe bei meiner Arbeit viel mit Chemikalien zu tun, und habe deshalb Asthma. Und jetzt sagen diese Menschen ‚Ausländer Raus‘? Ich gehe nicht, ich bleibe hier!“
Rassismus bekämpfen
Mehmet hat Recht, wir hätten viel mehr Bewohner_innen des 15. Bezirks mobilisieren sollen, das hätte einigen Unterschied in der Auseinandersetzung mit der Polizei gemacht und es wäre der Herausforderung angemessen gewesen, vor der wir stehen. Nach dem verheerenden Wahlergebnis mit beinahe 50% für den FPÖ-Kandidaten sind sowohl echte Faschisten als auch harmlosere Rassisten gleichermaßen motiviert. Sie werden die nächsten Jahre in ihrer Hetze und in der Praxis einen Zahn zulegen. Man bemerkt das in allen Bereichen. Der Aufruf von Außenminister Kurz Konzentrationslager für Flüchtlinge zu errichten, ist ein Vorstoß in dieselbe Richtung. Sie sehen ihre Chance Österreich weiter nach rechts zu treiben und sie werden dementsprechend offensiv auftreten.
Robert, der sich im Rollstuhl zur Demonstration gesellt hat, demonstriert nicht nur gegen diesen speziellen Naziaufmarsch, sondern ist „wegen des weltweiten Aufkommens der Rechten alarmiert“. Er ist empört: „Die lügen die Leute an, behaupten, sie hätten Patentrezepte, obwohl sie Null Ahnung haben. In Wahrheit geht es ihnen nur darum, die Demokratie abzuschaffen.“ Ob er persönlich schon schlechte Erfahrungen mit Nazis gemacht habe? „Wie du siehst, sitze ich im Rollstuhl, und ich erlebe es zwar nicht täglich aber doch oft, dass ich angespuckt werde, getreten oder blöd angeredet. Und das waren nicht die Linken oder jene, die mitten in der Gesellschaft leben.“
Enorme Polizeirepression
Die Demonstration ist aufgebrochen, sobald wir erfahren haben, dass die Identitären ihren Marsch begonnen haben. Das Ziel war immer, ihren Aufmarsch zu verhindern. Zuerst versperrten Antifaschist_innen die Hütteldorfer Straße, die Polizei leitete die Faschisten um. Die Felberstraße und der Gürtel waren ebenfalls schnell blockiert, aber die Polizei räumte den Faschisten die Straße frei, die von hinten riefen: „Vorwärts, vorwärts, macht die Straßen frei!“
Tränengas wurde aus kürzester Distanz literweise gegen die Demonstrant_innen eingesetzt, trotzdem blieb man hartnäckig vor dem Westbahnhof bis der Aufmarsch der Identitären aufgelöst wurde. Anschließend zog noch eine Spontandemonstration gegen die Polizeibrutalität über die Mariahilferstraße zum Denkmal von Marcus Omofuma, der 1999 von Polizisten während seiner Abschiebung getötet wurde.
Heute ist es gelungen den Nazi-Aufmarsch zu verhindern, aber die Polizei hat uns auch einen Blick in die Zukunft erlaubt. Wir werden es mit der geballten Staatsmacht zu tun bekommen, während wir den Aufstieg der Faschisten konfrontieren. Wir werden besser werden müssen und stärker. Wir müssen mehr die von Rassismus Betroffenen in die Bewegung einbinden und eine echte Massenbewegung werden.
Aufmarsch von Neonazis konfrontiert und aufgehalten (11.6.2016)