Prozessbericht: Eilverfahren in Spielfeld
Mein zweiter Gerichtstag im Grazer Verwaltungsgericht als Prozessbeobachter: Dass die junge Frau Hauptinspektorin fünf Mal Menschen in die Hölle zurückgeschickt hat, schien sie nicht im Geringsten zu stören. Beim jungen Herrn Revier-Inspektor waren es circa zwanzig. „Kein Fluchtgrund. Nur besseres Leben und Geld in Deutschland.“
„Die Dolmetscher haben sehr viel mit den Leuten gesprochen. Der Dolmetscher hat das dann kurz zusammengefasst, ob er einen Fluchtgrund oder Zurückweisungs-Grund hat.“ (sic!) „Ich muss ja den Dolmetscher fragen, gibt’s einen Fluchtgrund oder keinen?“ „Die Bewertung haben schlussendlich schon wir durchgeführt.“
Die Verteidiger der Polizei bemühen sich sehr, die Zeugen als unglaubwürdig und als Lügner zu diffamieren. Es scheint auch beim Richter was hängen zu bleiben, oder stört ihn nur der postmoderne Haarschnitt des Zeugen? Für die Polizei-Vertreter sind es „rein wirtschaftliche Gründe, welche die Flüchtlinge veranlasst haben, ihre Heimat zu verlassen.“
Der Höhepunkt dieses Gerichtstages war für mich, als der Hofrat von der Polizei tief Luft holt und: „WIR Österreicher haben eine Million Menschen transportiert.“ in den Saal posaunt. Diese Vereinnahmung durch Politiker und andere Gegner ist ja nichts Neues, das taten auch schon Mikl-Leitner, Sobotka, und andere Bauchredner. Und sie tut uns Flüchtlingshelfer jedesmal weh. Denn wir spüren es deutlich und dieser Hofrat, der mit dem Sessel schaukelt und sein Beisitzer, der den Polizisten das Wort in den Mund legt, sie lassen keinen Zweifel daran: Sie wollen keinen einzigen „Ausländer“ in „unserer Heimat“. Und egal, woher diese Menschen stammen, egal wie schlimm die Unterdrückung und Krieg dort ist – sie sind bereit, jeden zu diffamieren und als unglaubwürdig hinzustellen, weil ‚WIR haben ja schon sooo Vielen geholfen’…
„Was waren denn jetzt wirklich die Gründe, warum Sie diesen Mann zurückgeschickt haben, Herr Revier-Inspektor?“ fragt der junge Anwalt, wie immer in ruhigem und freundlich-höflichen Tonfall.
„Na wegen Schweden. Weil er gesagt hat, dass er in Syrien keine Arbeit findet und hofft in Schweden eine Arbeit zu finden. Und Schweden war ja damals schon zu.“ „Und kein Krieg im Dorf. Das hat mir der Dolmetsch gesagt. Die Dolmetscher haben den Flüchtlingen eine Karte gezeigt und sie sollen zeigen, wo sie her stammen. Dann haben sie uns gesagt, ob dort Krieg ist. Die Namen der Dolmetsche haben wir nicht auf den Formularen vermerkt. Die waren ja vom Innenministerium, also von der Firma G4S.“
„Wenn Einer sagt, in seinem Dorf hat er Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt, da wird ein Polizist hellhörig.“ Sagt das, und sagt es mit dem Unterton, dass das ja für jeden hier im Saal nachvollziehbar sein müsse.
Hat er noch nie gehört, wie es in einer Diktatur zugeht? In Assads Folter- und Spitzel-Staat? Dass man den „polizeilichen Hausverstand“ da einmal kurz beiseite lassen muss? Würde ein Krimineller erzählen, dass er mit der Polizei in Konflikt geraten ist? Warum erzählt es aber dieser Flüchtende? Weiß er, dass in Syrien Krieg herrscht? Solche Fragen hat er sich nie gestellt, der Herr Revier-Inspektor, und er stellt sie sich auch heute nicht. Ob er wohl manchmal eine Zeitung liest? Wenn ja – welche?
Anwalt: „Wissen Sie, wie viel Prozent der Menschen aus Syrien im laufenden Jahr als Asylwerber akzeptiert werden?“ Polizist: „Das weiß ich nicht und es interessiert mich auch nicht. Ich führe nur Befehle aus.“
Hans Breuer, Fluchthelfer
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