Tschinagl Resi

Maria Deutsch Kramer, Spitzname Tschinagl Resi, war eine der ehrlichsten und besten Persönlichkeiten, welche die Sozialdemokratische Partei Österreichs jemals hervorgebracht hat. Ihr Leben lang kämpfte sie für die Frauenbefreiung und gegen Ausbeutung und Faschismus. Sie war von 1923 bis 1945 Lebensgefährtin von Julius Deutsch.
1. August 2017 |

Julius Deutsch war im Februar 1934 Anführer des Republikanischen Schutzbundes. Eigentlich wäre es seine Aufgabe gewesen, den Schutzbund in den Kampf zu führen. Doch direkt nach Ausbruch der Kampfhandlungen des Bürgerkriegs floh er in die Tschechoslowakei. Dort band er sich für die Bilder, die zu den Genossen nach Hause kamen, eine Augenklappe um, so als ob er im Kampf verwundet worden wäre.

Sie stürmte ins Zimmer von Deutsch und begrüßte ihn mit den Worten „Du feige Sau!“

Als Maria mehrere Tage später bei der Führung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im tschechischen Brünn eintraf, stürmte sie – laut dem Zeitzeugen Alfred Magaziner – in den Raum und begrüßte ihn mit den Worten „Du feige Sau!“ (mündliche Auskunft Fritz Keller). Wer war diese mutige Frau, die Julius Deutsch so deutlich sagte, was ihm vermutlich viele seiner Genossen, die trotz Lebensgefahr in Österreich gekämpft haben, gerne an den Kopf geworfen hätten?

Aufstieg in Sozialdemokratie

Geboren wurde sie am 22. Juni 1884 in Bad Vöslau als Maria Herzmansky. In erster Ehe war sie mit Joseph Kramer verheiratet. Maria studierte mehrere Semester Philosophie an der Universität Wien. 1904 wurde sie Lehrerin, ein Beruf, den sie mit Unterbrechungen bis zu ihrem Lebensende 1973 verfolgte. Sie war aktiv in der sozialdemokratischen Lehrerbewegung. Bei den ersten allgemeinen (Frauen und Männern durften wählen) und freien Wiener Gemeinderatswahlen im Jahr 1919 wurde sie direkt zur Gemeinderätin des 5. Bezirks gewählt.

Gerade einmal zwei Monate im Amt, provozierte sie schon eine emotionale Debatte. In einer Rede forderte sie die Bebauung des Lainzer-Tiergartens, wofür sie von den eigenen Genoss_innen angegriffen wurde. In einem intelligenten Artikel in der Arbeiterzeitung vom 27. Juli 1919 verteidigte sie ihre Forderung mit den Worten: „Wir müssen das Schöne mit dem Nützlichen verbinden. Der Lainzer-Tiergarten soll ja nicht zu einem Cottageviertel (Bonzen-Viertel) werden.”

Sport und Sozialismus

Ein weiterer Höhepunkt ihres Lebens war 1932 die Organisierung der zweiten internationalen Arbeiterolympiade in Wien. Die Arbeiterolympiade war ein Gegenevent zu den Olympischen Spielen. In einem mitreißenden Artikel in der Arbeiterzeitung argumentiert sie, dass Frauen nicht nur in ökonomischen und politischen Fragen für Gleichberechtigung kämpfen müssen, sondern auch in kulturellen.

„Frauen die Hoch-und Weitsprung können, werden sich nicht mehr so einfach unter das Joch von Armut und Knechtschaft begeben.“ Die Arbeiterolympiade ist eine „wundervolle Botschaft des Friedens und der Freundschaft der arbeitenden Klassen aller Länder“, so Maria.

Internationalismus

Zeit ihres Lebens war sie Internationalistin, sie sprach auf Kundgebungen der SPD in Sachsen und Thüringen gegen die Nazis. Im Gegensatz zu vielen anderen Sozialdemokraten versteckte sie sich nicht nach Dollfuß´ Machtübernahme. Am 25. April 1933 verbot die Polizei eine Veranstaltung über Frauenbefreiung in Ebenfurth. Die Frauen marschierten kurzerhand ins benachbarte Neufeld und lauschten einem Vortrag von Maria über die „Ursprünge des Frauentags“. Danach zogen sie mit einer Demonstration zurück nach Ebenfurth.

Ungebrochen

Schon im Juli ging sie wieder zurück nach Österreich, wurde verhaftet und zwangspensioniert. Nach ihrer Entlassung hielt sie die Kommunikation mit der geflohenen Parteiführung aufrecht. Gemeinsam mit Julius Deutsch ging sie 1936 nach Valencia und unterstützte die spanischen Antifaschist_innen. Als die Faschisten den Bürgerkrieg gewannen, kam sie nach Österreich und wurde im März 1938 verhaftet. Britische Diplomaten erwirkten ihre Freilassung. Über Paris und London flüchtete sie nach New York.

Margarete Schütte-Lihotzky

Margarete Schütte-Lihotzky

Obwohl sie zwei der größten Niederlagen der Arbeiter_innenbewegung miterlebt hatte, fand sie noch immer die Kraft, die Organisation Associated Austrian Relief aufzubauen, die gemeinsam mit der Free World Association versuchte, den antifaschistischen Widerstand in Europa zu unterstützen – unter anderem über das Free World Radio, bei dem Maria mitarbeitete und Informationen über den Verlauf des Krieges und des Widerstandes nach Österreich und Deutschland brachte. 1946 kehrte sie nach Österreich zurück und war von nun an in der Sonderkommission des Wiener Stadtschulrats zur Überprüfung nationalsozialistischer Lehrer tätig.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.