ORF darf Strache nicht wie demokratischen Gesprächspartner behandeln

Während FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im ORF-„Sommergespräch“ streichelweich behandelt wurde, gab es außerhalb des Studios antifaschistischen Protest gegen diese Verharmlosung eines gefährlichen Politikers. Die Polizei schirmte Strache nach Kräften vom Protest ab.
22. August 2017 |

Das offizielle Österreich hat sich damit abgefunden, die antifaschistische Bewegung aber kämpft entschlossen weiter gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Je näher die Wahlen rücken und je wahrscheinlicher eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wird, umso deutlicher zeichnet sich ab, wie künftig mit der FPÖ umgegangen werden soll, als eine von vielen demokratischen Parteien. Genau das ist sie aber nicht, sie ist eine faschistische, also von deutschnationalen Burschenschaftern geführte Partei mit viel Übung im Geschäft des Tarnens und Täuschens.

Protest hilft gegen Verharmlosung

Die wichtigste Lehre aus den großen antifaschistischen Protesten gegen die FPÖ ist die: sie können den etablierten Parteien SPÖ und ÖVP den Weg, den sie mit der FPÖ zu marschieren sich entschlossen haben, verbauen. Es geht darum, wie beim WKR-Ball 2012, mit den Protesten der FPÖ von außen derart zuzusetzen, dass sie vor lauter inneren Spannungen die Tarnung abwirft.

2012 hat eine Koalition der radikalen Linken und viel breiteren Kreisen aus antifaschistisch gesinnten Organisationen und prominenten Holocaustüberlebenden den Heldenplatz erobert und den „Ball der Holocaustleugner“ belagert. Blockaden der Zufahrtswege zum Ball haben FPÖ-Politiker in aller Öffentlichkeit zum öffentlichen Ausrasten gebracht.

Strache verstieg sich zur Beruhigung des gleichgesinnten Ballpublikums zu der Behauptung „Wir sind die neuen Juden!“ Ein Skandal war die Folge, der den Bundespräsidenten Fischer dazu brachte, Strache die Verleihung eines Ordens der Republik Österreich zu verweigern und die SPÖ veranlasste eine Koalition mit einer solchen FPÖ kategorisch auszuschließen.

Staat zieht mit nach rechts      

Es ist offensichtlich, wie stark sich die Haltung der etablierten Parteien seither gewandelt hat: SPÖ-Vorsitzender Kern will eine Koalition keinesfalls ausschließen, Sebastian Kurz hat die Koalitionsregierung genau mit dieser Option im Auge gesprengt, Bundespräsident Van der Bellen weigert sich im Interview mit der Zeit die FPÖ als rechte Partei zu bezeichnen, man sei da in Österreich „ein bisschen sensibel bei diesen Zuschreibungen“.

Das neue Demonstrationsrecht, durchgesetzt vom ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka mit Zustimmung der SPÖ, ist während Straches Sommergespräch zum ersten Mal eingesetzt worden. Die Polizei verbannte die Gegenproteste so weit von dem TV-Studio vor dem Parlament weg, dass sie außer Sichtweite waren, sie behauptete, die FPÖ hätte schon vorher eine Kundgebung angemeldet, und das Gesetz hat Schutzzonen von bis zu 150 Metern zwischen gegnerischen Kundgebungen verfügt.

Polizei hofierte FPÖ-Gewerkschaft

Das war dem Einsatzleiter aber nicht genug. „Zum Schutze der FPÖ-Kundgebung“ hinderten 300 Polizisten Demonstrant_innen daran, direkt von der U-Bahn-Station zur Kundgebung zu gehen. David, ein Protestteilnehmer aus Deutschland, fiel dazu nur ein: „Hier sieht es ja aus wie nach der Machtübernahme!“

Ein Fahrzeug der FPÖ-Gewerkschaft AUF ließ der Einsatzleiter dafür augenzwinkernd durch den Josef-Meinrad-Platz fahren (an dem die Gegenkundgebung angemeldet war) und leitete es auf den Fahrradweg weiter – eine Aktion, die nur den Zweck haben konnte zu provozieren und den Antifaschist_innen zu demonstrieren, auf welcher Seite die Polizei steht.

Die Sperrzone wurde nur zum Schutz der FPÖ verhängt. Der Bus der FPÖ-Polizeigewerkschaft AUF wurde provokanterweise durch die Gegenkundgebung geleitet. Foto: Peter Heinz Trykar

 

Lisa, eine Teilnehmerin der Gegenkundgebung, meinte: „Es ist eine Gemeinheit, dass die Polizei solche Kundgebungen verbieten bzw. vertreiben darf. Was ist das überhaupt für eine Demokratie in der Protest und Widerspruch kriminalisiert wird?“ Der Spazierweg am Ring wurde mit Tretgittern blockiert, die Polizei perlustrierte sogar einzelne Personen und verweigerte anderen das Weitergehen. Clemens, der es bis zur Gegendemonstration geschafft hat, meinte: „Es ist ja komplett surreal, was hier abgeht. Hunderte Polizisten für die paar Antifaschisten. Welcome to 1984, oder so.“

Gelungener Gegenprotest

Der Protest gegen Straches Einladung zum ORF-Sommergespräch war trotz aller Hindernisse eine gelungene Sache. 100 Teilnehmer_innen haben den Weg an den Polizeisperren vorbei gefunden und die Stimmung war kämpferisch und entschlossen. Die Redner_innen haben aufgezeigt, warum es sich bei der FPÖ nicht um eine normale demokratische Partei handelt und warum wir keine Regierungskoalition mit den Blauen zulassen dürfen.

David Albrich erinnerte daran, dass die FPÖ enge Verbindungen zur rechtsextremen Bewegung in den USA unterhält, die für den Tod der Antifaschistin Heather Heyer verantwortlich ist, und bezeichnete es „als bodenlose Frechheit, dass die Wiener Polizei nun nur wenige Tage nach dem Nazi-Terroranschlag in Charlottesville eine antifaschistische Kundgebung unterdrückt“.

Karin Wilflingseder erinnerte daran, dass es für die künftigen Totengräber der Demokratie keine Toleranz geben darf: „Der Nazi-Propagandaminister Goebbels verhöhnte Naivität gegenüber Faschismus: ‚Es wird wohl immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde‘, schrieb Goebbels in sein Tagebuch!“

Frauen- und ausländerfeindlich

Muhammed Yüksek, der wegen seines offenen Briefs an Strache bekannt wurde, rief Richtung blauem Parteichef: „Mein Vater kam damals aus der Türkei nach Österreich, war der Sprache nicht mächtig. Aber das hat sich geändert, Herr Strache! Heute steht ein Österreicher vor ihnen – mit türkischem Migrationshintergrund!“ Yüksek weiter: „Ich fordere gleiches Recht für alle, egal welche Religion oder Hautfarbe. Ich möchte in einem Land leben, in dem es egal ist, ob ein Mensch Muslim, Buddhist, Christ oder Atheist ist!“

Marilen Lorenz bezeichnete das Frauenbild der FPÖ als „zum Kotzen und rückschrittlich!“ Sie zitierte Johannes Hübner, der soeben auf eine Wiederwahl ins Parlament verzichten musste, weil seine antisemtische Haltung ans Tageslicht kam. Frauen seien, so Hübner, von einem  „Nestbauinstinkt“ geprägt. Sie würden einen „Löwenmann, der dann im Nest sitzen soll“, suchen. Das wolle der Löwenmann aber nicht, „denn Alpha-Tiere sind – wie im Tierreich – oft polygam und haben den Drang, den eigenen Samen weit zu verbreiten.“

Lorenz meinte weiter, dass in der FPÖ Gewalt gegen Frauen verherrlicht würde und zitierte den Lokalpolitiker Wilfried Grießer, der 2015 für die Freiheitlichen kandidierte: „Frauen lieben es, von einem wildgewordenen Penis überfallen zu werden; und hierzu die Zustimmung einzuholen, wäre genau der Verlust dieses Reizes.“ Und auch Strache fordere eine „geburtenorientierte Politik“ um heimische Familien zu ermuntern, das Volk gegen Migrant_innen zu verteidigen.

FPÖ ist ohne Polizeischutz schwach

Christine Franz erklärte, dass das neue Demonstrationsrecht nur dazu diene, die FPÖ vor Protesten zu schützen, denn auf der Straße bringt sie aus eigener Kraft nichts zustande. „Am 14. März 2016 rief die FPÖ dazu auf gegen ein Flüchtlingsquartier in Liesing  zu marschieren. Jedoch war diese menschenverachtende Aktion ein Debakel für die FPÖ. Rund 3.000 Menschen haben sich damals gegen die FPÖ gestellt, darunter Schüler Anwohner und Antifaschisten und die Flüchtlingsunterkunft geschützt. Nach dieser gescheiterten Aktion meldeten sich 130 interessierte Freiwillige um im Quartier mitzuhelfen.“

Diese Tatsache müssen wir uns immer vor Augen halten. Gerade in den letzten Monaten wurde uns ins Bewusstsein gerufen, dass Faschismus noch niemals durch den Staat oder durch Parlamente verhindert wurde. Überall wo Faschismus aufgehalten wurde, waren es die direkten Konfrontationen, die sie geschwächt haben. Gerade hat sich der „Battle of Lewisham“ zum vierzigsten Mal gejährt, ein glänzendes Beispiel dafür, wie Nazis geschlagen werden können. Antifaschisten müssen entschlossen kämpfen und sich organisieren.

Auf den Straßen sind wir stärker, weil wir entschlossener sind und weil wir die antifaschistische Mehrheit hinter uns haben.

Protest gegen Strache bei ORF (21.8.2017)

Bis zu 100 Aktivist_innen protestierten am Montag, 21. August am Wiener Burgtheater gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Damit er ungestört sein ORF-„Sommergespräch“ vor dem Parlament bestreiten konnte, untersagte die Polizei zuvor die antifaschistische Gegenkundgebung und verhängte ein 300 Meter Platzverbot.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.