SOS Mitmensch bringt „Aula“ zu Fall: Chronologie eines FPÖ-Dilemmas

Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat die FPÖ durch eine offensive Kampagne in eine echte Zwickmühle manövriert. Das rechtsextreme Magazin Aula soll nun aufgelöst und im Herbst neu gegründet werden. Wie der Naziliederbuch-Skandal in Niederösterreich zeigt die Aula-Affäre, wie leicht die FPÖ in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen wäre.
11. Juni 2018 |

Es ist ein handfestes Dilemma, in dem die FPÖ seit Wochen steckt. Die FPÖ-Führung ist fest in den Händen deutschnationaler Burschenschafter und anderer Korporierter. Und diese kontrollieren die FPÖ-nahen Zeitungen wie Zur Zeit und die Aula. Würde sich die Parteispitze von diesen Blättern trennen, müsste sie entweder die eigenen Leute rauswerfen, oder die Zeitungen würden wohl zu undisziplinierten offenen Neonazi-Magazinen verkommen, die sich einen Dreck darum scheren, was der nunmehrige Innenminister Herbert Kickl einst als „rote Linie“ definiert hat: kein offenes Bekenntnis zum Antisemitismus und Nationalsozialismus.

Die FPÖ wählt nun im Fall der Aula einen dritten Weg, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das Magazin wird eingestellt und im Herbst neu gegründet, als ein „patriotisches und wertkonservatives“ Blatt neu gegründet. Das gab Heinrich Sickl, Obmann des steirischen Freiheitlichen Akademikerverbands (FAV), am Samstag (9. Juni) bekannt. Die Schlinge angelegt hat die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch mit schmerzhaften Enthüllungen über das rechtsextreme Magazin. Antisemitisches Gedankengut, antijüdische Verschwörungstheorien und Herrenrassendenken würden zu den „tragenden Elementen“ der Aula gehören, so die ausführliche Studie von SOS Mitmensch.

Neue Kleider – alter brauner Mist

Wir können davon ausgehen, dass diese Tradition auch unter neuem Namen – Sickl ist mit der Neugründung beauftragt – fortgesetzt wird. Sickl ist Burschenschafter der deutschnationalen, antisemitischen „Arminia Graz“ und FPÖ-Gemeinderat in Graz. Sein Freiheitlicher Akademikerverband hält mit knapp 37 Prozent den Hauptanteil an der Aula. Er kommt aus der gewaltbereiten Neonazi-Szene. Anfang der 1990er-Jahre war Sickl Mitglied der Nationalistischen Front, die regelmäßig sogenannte „Wehrsportübungen“ organisierte.

In Graz marschierte er mit den Neonazis der „Identitären Bewegung“, organisierte Veranstaltungen für sie und vermietet ihnen Räume, wie die Antifaschistische Recherche Graz berichtet. Sogar der Verfassungsschutz musste zugeben, dass sich „in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen“. Die Aula wird die FPÖ also weiterhin verfolgen – die antifaschistische Bewegung sollte den Finger in die Wunde legen, denn es schmerzt.

Konflikt

Am 6. Mai erklärte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz (Burschenschaft „Libertas“) in der ORF-Sendung Im Zentrum, dass die FPÖ keine Inserate mehr in der Aula schalten würde und die Bundespartei und die Landesparteien dies bereits seit Jahren nicht mehr tun würden. Kurz darauf distanzierte sich Strache im Ö1-Morgenjournal ebenfalls: „Die Aula war nie ein Organ der FPÖ.“

Die FPÖ-Parteizeitung Neue Freie Zeitung (NFZ) hingegen verteidigte am 11. Mai die Aula gegen Angriffe das Autors Michael Köhlmeier. Er prangerte in seiner Rede am Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus an, dass die Zeitschrift ehemalige KZ-Häftlinge als „Landplage“ bezeichnet hat. In dem Artikel der NFZ heißt es, die Bezeichnung „Landplage“ sei von Köhlmeier „völlig aus dem Kontext“ gerissen worden, „um so den Freiheitlichen ‚Antisemitismus‘ zu unterstellen.“

Dass die Aula nie ein Organ der FPÖ gewesen wäre, wie Strache behauptet, ist ohnehin Schwachsinn. SOS Mitmensch deckte auf, dass die FPÖ alleine von 2008 bis 2017 der Partei klar zuordenbare Inserate aufgegeben hat. Mit der FPÖ nahestehenden Vorfeldorganisationen schätzt SOS Mitmensch, dass mehrere hunderttausend Euro in die Aula geflossen sind.

Rebellion

Den steirischen FPÖ-Klubobmann Gerhard Kurzmann kümmerten die Distanzierungen des Bundespartei überhaupt erst gar nicht. Mitte Mai schrieb er einen Artikel in der gleichen Aula-Ausgabe, in der auch der schwarze Song-Contest-Teilnehmer César Sampson als „ORF-Quotenmohr“ bezeichnet wurde. Kurzmann richtete der Parteispitze am 25. Mai frühmorgens unmissverständlich aus, dass sie dem Druck nicht nachgeben und die Aula behalten wollen. Im Standard deutete Kurzmann an, der steirische Landesverband könne auch alle Anteile an der Aula übernehmen, falls andere Landesverbände abspringen würden.

Kurzmann, selbst Mitglied des als Traditionsverbands der Waffen-SS gegründeten Kameradschaft IV, verdankte seine Karriere in der Partei den deutschnationalen Burschenschaftern, die er um sich sammelte, nachdem die Partei in der Steiermark nach dem Parteitag von Knittelfeld und dem Ausscheiden aus dem Landtag 2005 in Scherben lag. Dazu zählen jene Burschenschafter, die seit Jahren für die Aula schreiben, wie der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio („Stiria“) oder der Schriftleiter der Aula, Martin Pfeiffer, ebenfalls Burschenschafter und Mitglied der FPÖ in Graz.

Doch Kontrolle

Am 25. Mai abends, also noch am selben Tag, als Kurzmann seine Kriegserklärung an Wien sandte, erklärte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky dann im Standard, dass der Name „Aula“ vom Markt verschwinden würde. Zuerst wollte man nichts mit der Aula zu tun haben, aber dann kann man offenbar plötzlich aus dem Parteisekretariat die Einstellung der Aula verfügen. Tags darauf drohte FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer seinem Parteikollegen Kurzmann in der Tageszeitung Österreich: „Jeder, der dort weiter publiziert, hat die Chance auf eine weitere Karriere in der FPÖ verwirkt.“ Kurzmann würde bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten, verkündete Hofer.

Dann relativierte Strache wieder und nahm Kurzmann in Schutz: „Wenn ein freiheitlicher Mandatar im Falter schreibt, hat er auch kein Karriereende zu befürchten.“ Gleichzeitig sagte er aber, es sei „nicht erwünscht“ in der Aula zu veröffentlichen. Am 29. Mai bekräftigte Kurzmann noch einmal in der Kleinen Zeitung, dass er keinen Grund sehe, nicht weiterhin für die Aula zu schreiben.

An Strache und den widersprüchlichen Meldungen der FPÖ-Spitzenpolitiker lässt sich ablesen, wie groß das Dilemma für die Freiheitlichen wirklich ist. Die Neugründung der Aula ist reine Augenauswischerei und sie zeigt, wie weh es der FPÖ tut, wenn man ihren wahren gefährlichen Charakter offen legt.