Besetzung der Gassergasse und der Aegidigasse

Anfang der 1970er-Jahre versuchte die Wiener Stadtregierung noch mit den Hausbesetzer_innen zu verhandeln. Das war zwar eher eine Deeskalationsstrategie als ein ernsthaftes Auseinandersetzen mit den Forderungen der Aktivist_innen, aber immerhin. Ende der 1970er- Jahre änderte sich diese Strategie, es kam zu Räumungen und die Polizei wurde immer brutaler.
26. April 2017 |

Die Burggarten-Bewegung führte zu einer zunehmenden Politisierung der Wiener Jugendlichen und der Ruf nach Freiräumen wurde immer lauter. Es gab mit der Arena und dem Amerlinghaus zwar schon besetzte Häuser in Wien, doch die frisch politisierten Aktivist_innen warfen diesen Zentren vor, zu eng mit dem Staat zu kooperieren. So kam es immer wieder zu versuchten Hausbesetzungen, doch es gelang der Polizei stets diese nach einigen Tagen aufzulösen.

Ein Höhepunkt der Burggarteninitiative war eine Demonstration mit mehr als eintausend Teilnehmer_innen am 1. März 1981. Die Bewegung forderte schon seit mehr als einem Jahre ein eigenes Jugendzentrum, ohne Reaktion von der Gemeinde. Während der Demonstration wurden zwei Häuser am Judenplatz 1 und 2 besetzt. Es gelang der Polizei zwar die Besetzung im Keim zu ersticken, doch der Wiener Stadtregierung jagte die Demonstration so einen Schrecken ein, dass sie vier Tage später ein Haus in der Gassergasse zur „Instand-Besetzung“ anbot.

Haus für alle

Die Gassergasse hatte den Anspruch, Menschen die sich der von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlten, einen Raum zu geben – unter der Bedingung, dass sie sich der herrschenden Hierarchie beugten. Das ging von eher unpolitischen Punks über Obdachlose, Lesben und Schwule, Künstler_innen bis hin zu Linksradikalen. An die 30 unterschiedliche Gruppen waren in der Gassergasse angesiedelt. So unterschiedlich wie das Publikum war, kam es immer wieder zu Differenzen unter den Hausbewohner_innen.

Ein erster Konfliktpunkt war die Frage, ob und wie weit man mit der Gemeinde kooperieren sollte. Ein Flügel wollte möglichst viele Subventionen abgreifen und dafür auch Forderungen der Gemeinde erfüllen; der andere Flügel sah das als Verrat an der Sache und lehnte jedwede Kooperation mit der Gemeinde ab. Auch wenn das Problem öfter diskutiert wurde, ein klare Lösung wurde nie gefunden. Die Gassergasse wurde ein wichtiger Bezugspunkt für die sich entwickelnde autonome und anarchistische Szene in Wien.

Auch innerhalb der Stadtregierung war das Projekt höchst umstritten. Besonders die ÖVP veranstaltete gemeinsam mit den Medien eine regelrechte Hetzkampagne gegen das Haus. Am 14. Januar 1983 wurde eine Drogenrazzia durchgeführt, bei der gerade einmal 500 Gramm Haschisch sichergestellt wurde. Die Razzia und eine Überprüfung der Bauaufsichtsbehörde, die „bauliche Mängel“ (ein oft angewandter Trick um Räumungen zu rechtfertigen) feststellte, reichten, um die Gassergasse räumen zu lassen.

Polizeigewalt nimmt zu

Nach der Räumung gelang es der Lesben- und Schwulenbewegung, sich mit der „Rosa Lila Villa“ ein eigenes Haus zu erkämpfen. Der Rest der Besetzer_innen zog in die Aegidigasse 13 um. Ähnlich wie bei der Gassergasse waren auch hier ganz unterschiedliche Gruppen aktiv. Im Jahr 1987 gab es die erste Opernballdemo, an der sich auch Bewohner_innen der Aegidigasse beteiligten. Außerdem erhielten einige Innsbrucker Punks, die sich an den Chaostagen 1986 beteiligt hatten, „Asyl“ in der Aegidigasse. 1988 wurden die Verträge der Besetzer_innen nicht mehr verlängert und die Aegidigasse geräumt.

Auch wenn es die Politik nie öffentlich zugab, spielte die Idee, den Demonstrant_innen ein wichtiges Organisationszentrum zu nehmen, durchaus eine Rolle. Besetzungen waren für die Wiener Stadtregierung immer dann akzeptabel, wenn man sich an die Regeln hielt und nicht aufmuckte.

Die Räumung der Aegidigasse 13 wurde mit bis dahin einzigartiger Gewalt seitens der Exekutive durchgesetzt: Zwei Tage lang wurde das Haus umstellt und mit Wasserwerfern bombardiert. Als die Polizei im Haus war, mussten sich die Bewohner_innen entlang der Wand aufstellen. Dann wurden sie einzeln die Treppe hinuntergeschickt oder -gestoßen und mussten durch eine „Watschengasse“ der Polizisten laufen; sie wurden dabei mit Schlagstöcken verprügelt.

Jugendliche befreiten den Burggarten

Jugendliche befreiten den Burggarten

Laut einer Anwältin der Besetzer_innen hatten mehrere Häftlinge sichtbare Verletzungen wie Hämatome (Blutergüsse), einige hatte Gedächtnislücken infolge der Schläge auf den Kopf. Konsequenzen für die Polizei gab es natürlich keine. Anknüpfend an die Aegidigasse entstand einerseits das Flex, damals noch ein kleiner Punkertreff in der Arndtstraße und das EKH (Ernst Kirchweger Haus) wurde 1990 besetzt.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.