Blaue Austrotürken? An die Türkenfeindlichkeit der FPÖ erinnern!

Es klingt absurd, aber manche in der türkischen Community wählen die FPÖ und Norbert Hofer. Begüm Türktekin erinnert in einem Leserinnenbrief daran, wie türkenfeindliche die FPÖ ist und appelliert, Van der Bellen zu wählen, egal ob man ihn unterstützt oder nicht.
13. Oktober 2016 |

Dass es ironischerweise FPÖ-Wähler/innen innerhalb der türkischen Community gibt, ist längst kein Geheimnis mehr. Aufgrund des anhaltenden politischen und medialen türkeifeindlichen Diskurses nach dem Putschversuch in der Türkei, vertritt ein beachtlicher Anteil der Austrotürken die Meinung, aus Protest den FPÖ Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer in die Hofburg zu wählen sei der richtige Denkzettel für das grüne Lager und die österreichischen Politiker/innen im Allgemeinen.

Was für Folgen hätte Norbert Hofer als Bundespräsident für die türkische Community in Österreich?

Es ist absurd eine Partei zu wählen, die am offensten gegen Türk/innen wettert und Wahlpropaganda auf deren Kosten betreibt. Wir alle kennen sie schon aus der jungen Vergangenheit, Wahlplakate mit der Message „Wien darf nicht Istanbul werden“, die Türken/innen immer wieder zur Zielscheibe rechtspopulistischer Hetze machten. Niveauloser wurde es zum Teil in Straches Comicheftchen, wo er einen Jungen dazu auffordert dem „Mustafa eine reinzuhauen“ als Belohnung gibt es dann ein Bier spendiert von Strache höchstpersönlich.

Nach den Demonstrationen türkischstämmiger Migrant/innen in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli, die Nacht des Putschversuches in der Türkei, sprach sich Norbert Hofer für einen Einbürgerungsstopp für türkische Migrant/innen aus und plädierte für die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft, falls eine Doppelstaatsbürgerschaft vorliege. Weitaus pietätlosere Aussagen tätigte Alex Schleyer, parlamentarischer Mitarbeiter von Christian Höbart und ehemaliges Mitglied der Identitären. Dieser will „ungezogene Kanackenkinder“ ausgrenzen und „ihre primitiven Eselfickerkulturen dahin verbannen, wo sie geläufig sind“. Die Hemmschwelle der FPÖ für menschenverachtende Aussagen, die sich gezielt gegen Türkinn/en richten, wird immer niedriger. Eine ganze Ethnie wird als minderwertig dargestellt. Die FPÖ zu wählen wäre fatal. Was bedeutet das für die türkische Community? Proteste gegen türkische Verbände sind nichts Neues, aber es wird garantiert zu einer neuen Hexenjagd kommen.

FPÖ Chef Strache, die Kornblume und welche Parallelen zu ziehen sind

Inkompetente Opposition zeichnet rechtspopulistische Parteien aus. Sobald sie die Regierung übernehmen, folgt das Versagen. Der empirische Beweis dafür ist die ÖVP-FPÖ-Koalition 2000-2006. Als Sündenbock für gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Probleme müssen Minderheiten herhalten.

Als Hitler in Deutschland an die Macht kam, machten Menschen jüdischen Glaubens weniger als 1 Prozent der gesamten Bevölkerung aus. Doch sie wurden als Grund aller Probleme, als minderwertig dargestellt. Man musste sie loswerden. Heute sind es Flüchtlinge, Migrant/innen und Muslime, die als Sündenbock für Probleme wie Arbeitslosigkeit und Kriminalität herhalten müssen, auch wenn sie nur eine kleine Minderheit in unserer Gesellschaft darstellen.

Warum Van der Bellen?

Van der Bellen zu wählen, bedeutet für mich als Austrotürkin nicht zwangsläufig ihn oder das grüne Lager zu unterstützen. Van der Bellen zu wählen, bedeutet viel mehr. Es bedeutet „Nein“ zu sagen. Nein zu rechtspopulistischer Hetze auf unsere Kosten. Nein zu menschenverachtenden Aussagen der Freiheitlichen, die sich gezielt gegen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund richten. Nein zu Neuwahlen zugunsten der FPÖ. Nein zu Kornblume-tragenden Politikern wie Strache.

Die Geschichte der türkischen Gastarbeiter in Österreich

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Es bedeutet solidarisch zu sein. Van der Bellen wählen bedeutet nicht Pro Van der Bellen oder gar Pro Grüne zu sein. Es bedeutet Anti-FPÖ, Anti-Rassismus, Anti-Hetze, Anti-Türken/innenfeindlichkeit zu sein. Wir sollten das grüne Lager und alle anderen kritisieren, die für Wählerstimmen auf den populistischen Zug aufspringen, aber nicht, indem wir einem Burschenschafter in die Hofburg verhelfen.

Begüm Türktekin

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider