Das Covid19-Virus befällt die neuen Sklaven
Das Ausbeutungssystem Kapitalismus ist eine globale Gesundheitsfalle. Die deutsche Fleischindustrie ist für ihre elenden Arbeitsbedingungen und Sammelunterkünfte berüchtigt. Tausende Menschen aus Rumänien oder Bulgarien arbeiten in den riesigen Schlachthöfen. Im April brach das neue Coronavirus in einem Fleischwarenwerk im Bundesland Baden-Württemberg aus. Ende April infizierten sich über 200 Arbeitskräfte aus Rumänien in einem Schlachthof in Süddeutschland. Anfang Mai traf die Pandemie Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In den Massenunterkünften stecken sich ausländische Arbeitskräfte leicht an.
In Saudi-Arabien machen nach offiziellen Angaben Wanderarbeiter 70 bis 80 Prozent der Coronainfizierten aus. Zur Gesundheitskrise kommt eine verheerende soziale Situation. Die Unternehmer in reichen Golfstaaten dürfen dank neuer Gesetze Arbeitsverträge einfach kündigen oder zu ihren Gunsten abändern. Die Herkunftsländer wollen ihre Erkrankten teilweise nicht zurücknehmen. Indische Staatsbürger_innen dürfen nur gesund zurückkehren, müssen Reise und anschließende Quarantäne selbst bezahlen.
Ausgelagerte Ausbeutung
Wegen der geschlossenen Grenzen fehlen in Österreich Erntehelfer_innen. Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert. In vielen EU-Ländern geben Betriebe wegen des steigenden Kosten- und Effizienzdrucks auf. Verbleibende Landwirtschaftsbetriebe werden immer größer und industrieller.
Ohne moderne Sklavenarbeit könnten österreichische Bauern ihre Lebensmittel nicht produzieren. Die Arbeit ist anstrengend, bei jedem Wetter im Freien und stundenlang gebückt zu verrichten. Um im kapitalistischen Wettbewerb mithalten zu können, rekrutieren heimische Landwirte ihr Personal in den ärmsten Regionen Europas. In Oberösterreich beträgt der Mindestlohn für Erntehelfer_innen mickrige 5,80 Euro pro Stunde.
Maria, eine Slowakin, betreut die hilfsbedürftige Kärntnerin Heidi zwei Wochen rund um die Uhr. Dann wechselt sie sich eigentlich mit ihrer Kollegin ab. Jetzt ist sie seit neun Wochen im Dauereinsatz.
Ihre Ablöse darf nicht einreisen und sie traut sich nicht auszureisen. Von einer Kollegin, die in Italien arbeitete, erhielt sie erschütternde Neuigkeiten. Die Kollegin wurde mit anderen Pflegerinnen in einem Kleintransport in die Slowakei zurückgebracht und in einem schäbigen Hotel 14 Tage in Quarantäne gesteckt. Fahrt und Hotel mussten sie selbst bezahlen.
Am Ende der Quarantäne war sie mit dem Coronavirus angesteckt, ob auf der Reise oder im Hotel bleibt unklar. Maria ist enttäuscht von der slowakischen und österreichischen Regierung. Inzwischen importierten Politik und Wirtschaft neue unterbezahlte Arbeitskräfte mit Sonderzügen und Charterflügen.
Hausgemachter Pflegenotstand
Abhängig von der Pflege durch Fremde zu werden ist schlimm. In der Situation bräuchte es ein staatliches, gut ausgebautes Pflegesystem mit angenehmen Pflegeheimen und gut bezahltem Personal, welches neben der medizinischen Versorgung die sozialen Bedürfnisse liebevoll gestalten kann. Die nach Wirtschaftlichkeit geführten Pflegeheime mit herbei gespartem Personalmangel beängstigen und wecken das Bedürfnis, privat Abhilfe zu schaffen.
Die Geschichte der 24-Stunden-Pflege ist ein schlechter Scherz. Der ÖVP-Bundeskanzler Schüssel war 2006 mit dem Vorwurf konfrontiert, dass seine Schwiegermutter gegen geringe Bezahlung von einer illegalen slowakischen 24-Stunden-Pflegerin betreut worden sei. Der öffentliche Druck stieg und führte 2007 zu einem rechtlichen Konstrukt, um billige Privatpflege zu legalisieren.
Das Arbeitszeitgesetz wurde umschifft, indem man das Gewerbe „Personenbetreuung“ erfand und es als selbstständige Arbeit einstufte. Schüssels Nachfolger Sebastian Kurz kürzte schließlich den Pflegerinnen die Kinderbeihilfe.
Im Kapitalismus sind wir Lohnabhängigen alle für die Bosse nur Humankapital, aber manche sind verletzlicher als andere.